Warum nicht?
Uris Avnery, 12.7. 08
WENN du die Politik eines Landes verstehen will, schau dir die
Landkarte an, empfahl Napoleon.
Jeder, der wissen möchte, ob Israel und/oder die USA im Begriff
sind, den Iran anzugreifen, sollte sich auf der Karte die Straße von
Hormus ansehen, die den Iran von der arabischen Halbinsel trennt.
Durch diese enge Wasserstraße – nur 34km breit – fahren die Schiffe,
die 1/5 – 1/3 der Menge des Weltöls transportieren, einschließlich
des Öls aus dem Iran, dem Irak, aus Saudi Arabien, Kuwait, Katar
und Bahrein.
DIE
MEISTEN Kommentatoren, die über den unvermeidlichen amerikanischen
und israelischen Angriff auf den Iran reden, nehmen keine Kenntnis
von dieser Karte.
Es
wird über einen „sterilen“, „chirurgischen“ Luftschlag gesprochen.
Die mächtige Luftflotte der USA wird von den Flugzeugträgern
abfliegen, die schon im persischen Golf stationiert sind und von
amerikanischen Luftbasen, die in der Region verteilt sind und alle
nuklearen Stätten des Iran bombardieren – und bei dieser guten
Gelegenheit auch die Regierungsinstitutionen, militärischen
Einrichtungen, Industriezentren und alles andere, was ihnen gefällt.
Sie werden Bomben einsetzen, die tief in die Erde dringen.
Einfach, schnell und elegant – ein Schlag und bye-bye Iran,
bye-bye die Ayatullahs, bye-bye Ahmadinejad!
Wenn Israel alleine angreifen würde, dann würde der Schlag
bescheidener ausfallen. Die Angreifer können auf die Zerstörung der
wichtigsten Nuklearanlagen hoffen und dass die meisten heil
zurückkehren.
Ich
habe eine bescheidene Bitte: bevor ihr startet, schaut bitte noch
einmal auf die Landkarte, auf die Wasserstraße, die
(wahrscheinlich) nach Zarathustras Gott genannt wurde.
DIE
ZWANGSLÄUFIGE Reaktion auf das Bombardements des Iran würde die
Sperrung der Meeresstraße sein. Das würde selbstverständlich sein,
auch ohne die ausdrückliche Erklärung durch einen von Irans
höchstrangigen Generälen vor ein paar Tagen.
Der
Iran beherrscht die ganze Länge der Meerenge. Sie kann durch
Raketen und Artillerie vom Land und von der See aus hermetisch
abgesperrt werden.
Wenn dies geschieht, wird der Ölpreis hochschnellen – weit über 200
Dollar pro Barrel, wie Pessimisten jetzt fürchten. Das wird eine
Kettenreaktion auslösen: eine weltweite Depression, der Kollaps
ganzer Industrien und ein katastrophaler Anstieg der
Arbeitslosigkeit in Amerika, Europa und in Japan.
Um
diese Gefahr abzuwenden, müssten die Amerikaner große Teile des
Iran, und vielleicht sogar das ganze große Land erobern. Die USA
haben aber nicht einmal einen kleinen Teil der benötigten
Militärkräfte zur Verfügung. Alle ihre Landtruppen sind praktisch im
Irak und in Afghanistan gebunden.
Die mächtige amerikanische Flotte bedroht den Iran – aber in dem
Augenblick, in dem die Meerenge gesperrt ist, ähnelt sie einem der
Modellschiffe in der Flasche. Vielleicht ist es diese Gefahr, die
die Flottenchefs veranlasst hat, den mit Atomkraft angetriebenen
Flugzeugträger Abraham Lincoln in dieser Woche aus dem Persischen
Golf herauszuziehen – angeblich wegen der Situation in Pakistan.
Dies lässt die Möglichkeit zu, dass die USA durch einen Vertreter
handeln werden. Israel wird angreifen, und dies wird offiziell die
USA nicht mit hineinziehen, die alle Verantwortung ablehnen werden.
Tatsächlich? Der Iran hat schon angekündigt, dass er einen
israelischen Angriff als amerikanische Operation ansehen wird und
entsprechend handeln würde, als ob er von der USA angegriffen worden
wäre. Das ist logisch.
KEINE ISRAELISCHE Regierung würde jemals daran denken, solch eine
Operation ohne die explizite und uneingeschränkte Einwilligung
der USA zu beginnen. Solch eine Bestätigung wird nicht zu haben
sein.
Was
sollen also diese Übungen, die solche dramatischen Schlagzeilen in
den internationalen Medien liefern?
Die
israelische Luftflotte hat in einer Entfernung von 1500km von unsrer
Küste entfernt Übungen abgehalten. Die Iraner haben mit großen
Testabschüssen ihrer Shihab-Raketen geantwortet, die eine ähnliche
Reichweite haben. Solche Übungen wurden einmal „Säbelrasseln“
genannt; heute benützt man lieber den Ausdruck „psychologische
Kriegsführung“ . Sie sind gut für gescheiterte Politiker zum
internen Gebrauch, um die Aufmerksamkeit abzulenken und um die
Bürger in Angst zu versetzen. Sie machen sich auch ausgezeichnet für
das Fernsehen. Aber ein gesunder Menschenverstand sagt uns, wenn
jemand einen Überraschungsschlag plant, wird er dies nicht im
voraus von den Dächern posaunen. Menahem Begin führte keine
öffentlichen Manöver durch, bevor er die Bomber sandte, um den
irakischen Reaktor zu zerstören, und sogar Ehud Olmert hielt keine
Rede über seine Absicht, ein mysteriöses Gebäude in Syrien zu
bombardieren.
SEIT KÖNIG Cyrus der Große, der Gründer des persischen Reiches vor
etwa 2500 Jahren, der den israelitischen Exilanten in Babylon die
Rückkehr nach Jerusalem und einen Tempel dort zu bauen erlaubte,
kennen die israelisch-persischen Beziehungen Höhe- und Tiefpunkte.
Bis
zur Khomeini-Revolution gab es eine enge Verbindung zwischen ihnen.
Israel hatte die gefürchtete Geheimpolizei („Shavak“) des Schah
trainiert. Der Schah war ein Partner bei der Eilat-Ashkalon-Pipeline,
die dafür gedacht war, den Suez-Kanal zu umgehen. (Der Iran versucht
noch immer, eine Zahlung für das damals gelieferte Öl zu bekommen)
.
Der
Schah half der israelischen Armee, Offiziere in den kurdischen Teil
des Irak zu infiltrieren, wo sie dem verstorbenen Mustafa Barzani in
seiner Revolte gegen Saddam Hussein beistanden. Diese Operation
endete, als der Schah die irakischen Kurden verriet und einen Deal
mit Saddam machte. Aber die israelisch-iranische Zusammenarbeit war
fast wieder hergestellt, als Saddam den Iran angriff. Im Laufe
dieses langen und grausamen Krieges (1980 – 1988) unterstützte
Israel insgeheim den Iran der Ayatollahs. Die Irangate-Affäre war
nur ein kleiner Teil dieser Geschichte.
Das
hinderte Ariel Sharon nicht, einen Plan zur Eroberung des Iran zu
machen, wie ich schon einmal in der Vergangenheit andeutete. Als
ich 1981, nach seiner Ernennung zum Verteidigungsminister, einen
ausführlichen Artikel über ihn schrieb, sprach er im Vertrauen mit
mir über diese waghalsige Idee: nach dem Tod von Khomeini würde
Israel beim Wettrennen um den Iran der Sowjet Union zuvorkommen. Die
israelische Armee würde den Iran in wenigen Tagen besetzen und das
Land den viel langsameren Amerikanern übergeben, die schon im voraus
in Israel eine Menge raffinierter Waffen extra für diesen Zweck
lagern würden.
Er
zeigte mir auch die Karten, die er zu den jährlichen
Strategiekonsultationen in Washington mitzunehmen beabsichtigte. Sie
waren sehr eindrucksvoll. Es schien aber, dass die Amerikaner nicht
so beeindruckt waren.
All
dies zeigt, dass die Idee einer israelischen Militärintervention in
den Iran gar nicht so revolutionär ist. Aber die Vorbedingung ist
eine enge Zusammenarbeit mit den USA. Diese wird ausbleiben, weil
die USA das Hauptopfer der Folgen sein würden.
DER
IRAN ist nun eine Regionalmacht. Es ist sinnlos, dies zu leugnen.
Die
Ironie der Sache liegt darin, dass sie ihrem hauptsächlichen
Wohltäter aus jüngster Zeit danken müssten: George W. Bush . Wenn
sie nur ein Quäntchen Dankbarkeit hätten, dann würden sie ein
Standbild von ihm auf Teherans Zentralplatz errichten.
Viele Generationen lang war der Irak der Torwächter der arabischen
Welt. Es war die Mauer der arabischen Welt gegen die persischen
Schiiten. Es sollte daran erinnert werden, dass während des
irakisch-iranischen Krieges die arabisch schiitischen Irakis mit
großem Enthusiasmus gegen die persisch-schiitischen Iraner kämpften.
Als
Präsident Bush den Irak überfiel und ihn zerstörte, öffnete er vor
der wachsenden Macht des Iran die ganze Region. Zukünftige
Generationen von Historikern werden sich über diese Aktion wundern,
die ein Extrakapitel beim „Marsch der Torheit “ verdient.
Es
ist schon heute klar, dass das wirkliche amerikanische Ziel (wie
ich in dieser Kolumne von Anfang an behauptete) war, das Öl der
Region (des Kaspischen Meeres und des Persischen Golfes) in Besitz
zu nehmen und mitten in ihr Zentrum eine amerikanische Garnison zu
stationieren. Dieses Ziel wurde tatsächlich erreicht – die
Amerikaner reden jetzt darüber, dass ihr Militär „ hundert Jahre
lang“ im Irak bleibt. Und eben jetzt sind sie eifrig damit
beschäftigt, Iraks große Ölreserven unter den vier oder fünf
riesigen amerikanischen Ölgesellschaften aufzuteilen.
Aber dieser Krieg wurde ohne umfassendes strategisches Konzept und
ohne auf die geopolitische Karte zu schauen, angefangen. Es war
nicht entschieden worden, wer der Hauptfeind der US in der Region
ist, noch war klar, wo das Hauptziel sein sollte. Der Vorteil, den
Irak zu beherrschen, mag weniger Gewicht haben als der Aufstieg des
Iran als nukleare militärische und politische Macht, die Amerikas
Verbündete in der arabischen Welt überschatten wird.
WO
STEHEN wir, die Israelis, bei diesem Spiel?
Seit Jahren sind wir mit einer Propagandakampagne bombardiert
worden, die die iranischen Nuklearbemühungen als existentielle
Bedrohung Israels beschreiben. Vergesst die Palästinenser, vergesst
die Hamas und die Hisbollah, vergesst Syrien – die einzige Gefahr,
die die bloße Existenz des Staates Israel bedroht, ist die iranische
Atombombe.
Ich
wiederhole, was ich schon vorher gesagt habe. Ich bin kein Opfer
dieser existentiellen Angst. Das Leben wäre zwar ohne eine
iranische Bombe angenehmer, und Ahmadinejad ist auch keine
erfreuliche Gestalt. Aber wenn es zum Schlimmsten kommen sollte,
werden wir „ein Gleichgewicht der Abschreckung“ zwischen den beiden
Nationen haben, etwa wie die des amerikanisch-sowjetischen
Gleichgewichts der Abschreckung, das die Menschheit vor einem 3.
Weltkrieg gerettet hat, und das indisch-pakistanische Gleichgewicht
der Abschreckung, das zum ersten Mal einen Rahmen für eine
Annäherung zwischen diesen beiden Ländern, die sich nicht ausstehen
können, geschaffen hat.
AUF
GRUND all dieser Überlegungen wage ich vorauszusagen, dass es keine
Militärattacke auf den Iran geben wird – weder von den Amerikanern
noch von den Israelis.
Während ich diese Zeilen schreibe, geht ein kleines rotes Licht in
meinem Gedächtnis an. Es hängt mit einer Erinnerung zusammen: in
meiner Jugend war ich eifriger Leser on Vladimir Jabotinkys
wöchentlichen Artikeln, die mich durch ihre kühle Logik und ihren
klaren Stil beeindruckten. Im August 1939 schrieb Jabotinsky einen
Artikel, in dem er kategorisch behauptete, dass kein Krieg
ausbrechen würde – trotz all der gegenteiligen Gerüchte. Seine
Argumentation: die modernen Waffen sind so schrecklich, dass kein
Land es wagen würde, einen Krieg zu beginnen.
Ein
paar Tage später überfiel Deutschland Polen und begann den (bis
jetzt) schrecklichsten Krieg in der menschlichen Geschichte, die mit
dem Abwurf von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki durch die
Amerikaner endete. Seit damals – seit 63 Jahren – hat keiner atomare
Waffen in einem Krieg angewendet.
Präsident Bush ist im Begriff, seine Karriere mit Schimpf und
Schande zu beenden. Dasselbe Los wartet ungeduldig auf Ehud Olmert.
Für derartige Politiker besteht die Versuchung eines letzten
Abenteuers - eine letzte Chance für einen anständigen Platz in der
Geschichte.
Trotz alledem bleibe ich bei meiner Prognose: es wird nicht
geschehen.
(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs,
vom Verfasser autorisiert)
Waisenkinder und
Witwen
Als
Teil von Aktionen gegen die Hamas
Zerstört die Olmertregierung
Waisenhäuser, Schulen
Und
soziale Einrichtungen
In
der Westbank.
Es
gibt keine anderen Institutionen
An
ihrer Stelle.
Waisenkinder, Witwen und arme Leute
Werden einfach auf die Straße geworfen.
Wird das die Hamas isolieren?
Im
Gegenteil!
Anzeige von Gush Shalom in
Haaretz am 11. 7.08
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