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Ein
Kotau vor Kanzlerin Merkels Nahost-Politik
Deutsche Behörden fordern von
muslimischen Organisationen die "Anerkennung des
Existenzrechts Israels"
Arn Strohmeyer
Deutsche Behörden üben offenbar
zunehmend Druck auf muslimische Dachverbände und Gemeinden
aus, das "Existenzrechts Israels anzuerkennen", wie Yavuz
Ogoguz jetzt im Muslim Forum mitteilte. Dabei wird nur bei
Erfüllung dieser Forderung in Aussicht gestellt, dass es
irgendwelche Gespräche zur Problemlösung in Deutschland
geben wird. Was das heißen soll, ist klar: Da die
muslimischen Körperschaften den Status des öffentlichen
Rechts - also die juristische Gleichstellung mit den Kirchen
- anstreben, will man ihnen diesen so lange versagen, bis
diese einen Kotau vor der deutschen Israelpolitik machen.
Denn die bedingungslose Unterstützung Israels ist - so
Kanzlerin Merkel - "deutsche Staatsräson". Das machen sich
inzwischen - wohl auf Weisung von oben - auch deutsche
Behörden zu eigen.
Nun darf man erstaunt fragen,
was das eine mit dem anderen zu tun hat? Ein direkter
Zusammenhang zwischen beiden Problembereichen ist beim
besten Willen nicht zu entdecken, es sei denn, man will die
Muslime auf diese Weise so an die Kandare nehmen, dass sie
künftig jede Kritik an Israels Politik unterlassen. Denn sie
waren es, die in Deutschland während des Gaza-Krieges
2008/2009 und nach dem israelischen Überfall auf die
Gaza-Hilfsflotte zu den großen Demonstrationen in
Deutschland aufriefen, die von Israel nahe stehenden Kreisen
dann als "antisemitisch" verurteilt wurden.
Liegt wirklich Antisemitismus
vor, wenn gegen brutale Verstöße von Menschenrechten und
Völkerrecht protestiert wird? Die Forderung nach der
"Anerkennung des Existenzrechts Israels" ist ein
ideologisches Hirngespinst, denn eine solche Anerkennung
gibt es im internationalem Recht überhaupt nicht. Kein Staat
auf dieser Welt verlangt etwas Ähnliches - außer Israel.
Aber dieser Staat ist längst anerkannt. Er ist 1947 von der
UNO - also der Mehrheit der damaligen Staatenwelt - ins
Leben gerufen worden, allerdings mit Auflagen, die Israel
bis heute nicht erfüllt hat. Dazu gehörte die Lösung des
Problems der palästinensischen Flüchtlinge und die
gleichzeitige Bildung eines palästinensischen Staates. Denn
Palästina war von der UNO ausdrücklich in zwei Staaten und
nicht nur in einen "geteilt" worden. Israels Grenzen bis zum
Junikrieg 1967 waren auch völkerrechtlich gar nicht
umstritten. Warum also die zusätzliche "Anerkennung der
Existenz Israels"?
Hier genau liegt der Haken des
Problems. Der britische Philosoph Brian Klug, der der
jüdischen Organisation "Independent Jewish Voices"
(Unabhängige jüdische Stimmen) angehört, nennt eine solches
Verlangen nach "Anerkennung des Existenzrechtes" die
Aufforderung, einen "ungedeckten Blankoscheck" auszustellen.
Er fragt: Was ist Israel? Er antwortet: Ein Staat, dessen
Territorium nicht festgelegt ist. Denn dieser Staat hat bis
heute keine völkerrechtlich verbindlich festgelegten
Grenzen. Was bedeutet es aber zu sagen, ein Staat hat ein
Recht zu existieren, wenn man die territoriale Ausdehnung
dieses Staates gar nicht kennt, über die er sein Recht zu
existieren ausübt? Die Frage der Grenzen ist nie beantwortet
worden. Oder soll man sagen: Israel hat irgendwo zwischen
Mittelmeer und dem Jordan ein Existenzrecht? (Man darf hier
an Moshe Dayans Äußerung erinnern, der auf die Frage nach
Israels Grenzen einmal geantwortet hat: "Sie sind da, wo
unsere Panzer stehen!")
Weiter fragt Klug: Israel ist
ein Staat, aber bezeichnet der Begriff "Israel" den Staat
als solchen oder benennt er ihn als "jüdischen Staat"?
Israels Regierungschef Netanjahu schein immer das letztere
zu meinen, denn er spricht von Israel als dem "Staat des
jüdischen Volkes" oder dem "nationalen Heimatland der
Juden". Was aber ist "jüdisch", fragt Klug, wenn z.B. über
eine Million Immigranten aus der früheren Sowjetunion in
Israel zwar als Juden gelten, vom obersten Rabbinat, das ein
offizieller Teil des israelischen Rechtssystems ist, aber
nicht als Juden anerkannt werden. Ein rein "jüdischer Staat"
würde zudem die in Israel lebenden Palästinenser (immerhin
20 Prozent der Bevölkerung) ganz offiziell zu Menschen
zweiter Klasse degradieren.
Klug bestreitet Israel nicht
sein reales Existenzrecht, er fragt nur, was dieser Begriff
im Zusammenhang mit einer politischen Forderung bedeutet.
Und er kommt zu dem Ergebnis: Dieser Begriff beinhaltet eine
"umfassende politische Ideologie" - nämlich die Ideologie
des jüdischen Nationalismus, der einen Anspruch auf ganz
Palästina erhebt. Deshalb nennt er die Unterzeichnung einer
entsprechenden Erklärung die Ausstellung eines
Blankoschecks, der dann zugunsten der einen oder anderen
Theorie darüber, was Israel ist, eingelöst werden kann. Man
kann nach der Unterzeichnung des Existenzrechts nicht mehr
sagen: Ich bin für Israels Existenzrecht, bin aber dafür,
dass es sich neu definiert als "Staat der Israelis" (was die
in Israel lebenden Palästinenser einschließen würde) und
nicht mehr als "Staat der Juden". Klug: "Die genaue
Bedeutung des Begriffes 'Israel' bestimmt also, was als
'existieren' aufzufassen ist und daher das Existenzrecht
gewährleistet."
Zu ständigen Betonung des
"Existenzrechts" gehört noch mehr: nämlich die Akzeptanz,
dass Israel wirklich unter der andauernden Bedrohung seiner
Existenz steht - durch die Palästinenser oder andere
Nachbarn. Was aber auch bedeutet, dass die "Anerkennung des
Existenzrechts" Israels totale Isolierung in der Welt und
seine militaristisches Denken verstärkt. Anders gesagt - so
Klug: Wer die israelische Definition des Existenzrechts
übernimmt, billigt Israel auch zu, dass es wegen seiner
"existenziellen Bedrohung" das Recht zu seinen illegalem
Vorgehen gegen die Palästinenser und andere Nachbarn hat.
Die Besetzung der palästinensischen Gebiete, die
Gaza-Blockade und Israels kriegerische Überfälle auf
Nachbarstaaten oder Gebiete wie den Libanon oder den
Gaza-Streifen wären dann rechtens.
Wenn man von seinen
potenziellen Friedenspartnern aber immer erst die
bedingungslose "Anerkennung des Existenzrechtes" mit den
genannten Implikationen fordere, mache man von vornherein
jedes Gespräch über eine Lösung des Konflikts unmöglich.
Klug nennt das israelische Beharren auf dieser Position eine
"paranoische Obsession" und er sieht für Israels Zukunft
eine große Gefahr darin: "Wenn Israel seine kriegerische
Haltung nicht ändern kann, wenn die Mentalität des
fortgesetzten Krieges weiterhin vorherrscht, bei dem jedes
Grenzgeplänkel sich gleich zur Schlacht um das Überleben des
jüdischen Volkes auswächst, dann werden die Konsequenzen für
Israel ebenso fatal sein, wie sie für andere tödlich sind.
Die israelische Rhetorik von der 'Existenz', die Teil einer
kriegerischen Haltung ist, gefährdet genau dies, seine
Existenz."
Es hat sich in deutschen
Amtsstuben also offensichtlich noch nicht herumgesprochen,
was man da von den muslimischen Organisationen eigentlich
fordert. Von deutscher Seite hat kürzlich erst der
Nahostexperte Professor Udo Steinbach darauf hingewiesen,
wie gefährlich die deutsche Position einer "bedingungslosen
Unterstützung" Israels ist. Denn Deutschland würde so in
Israels nächstem Krieg unmittelbar direkter Teilnehmer sein.
Kann das im deutschen Interesse liegen?
Die Muslime haben auf die
Forderung der deutschen Bürokraten, Israels "Existenzrecht
anzuerkennen", mit der einzig richtigen Antwort reagiert:
Der Autor Yavuz Özoguz beruft sich in seinem
Antwortschreiben, das als Vorlage für die deutschen Behörden
gedacht ist, auf das deutsche Grundgesetz und seine Werte.
"Wir erkennen das Existenzrecht eines Israel an, das die
unveräußerlichen Grundrechte des Grundgesetzes und der
Menschlichkeit, insbesondere die in den Artikeln 1 - 3
genannten Werte, respektiert und in dem daher Juden,
Christen und Muslime gleichberechtigte Bürger sind." Weiter
heißt es: "Wir erkennen ein Israel an, in dem jeder
Staatsbürger die gleichen Rechte genießt, unabhängig von
seiner Herkunft und Religion, und in dem das
Selbstbestimmungsrecht der einheimischen Bevölkerung bis hin
zur Namensgebung des Staates gewährleistet ist. Das
entspricht dem humanitären Völkerrecht und wird von uns
gemeinsam unterstützt und gefördert."
Die Muslime sind bereit, heißt
es weiter, ein Israel anzuerkennen, "in dem jeder gewaltsam
vertriebene Bürger das ihm natürliche und durch die
Menschenrechte garantierte Rückkehrrecht besitzt und weitere
Vertreibungen als Verbrechen gewertet werden." Die
Anerkennung gelte auch einem Israel, das eine vom Volk
legitimierte Verfassung habe, in der die Grenzen des Staates
festgelegt seien und genauso auch das Staatsbürgerrecht.
Diese Verfassung müsse außerdem garantieren, "dass niemand
wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse,
seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens,
seiner religiösen oder politischen Anschauungen
benachteiligt oder bevorzugt werden darf."
Zu einer Anerkennung Israels
gehörten - so die Muslime - auch, dass Kriegsverbrecher
verurteilt würden, dass Israel sich bei den Menschen denen
es durch seine Kriege Schaden zugefügt habe, entschuldigt
und Schadenersatz zahlt; dass Israel Reparationen an den
Libanon leistet, bis die zerstörte Infrastruktur dort
vollständig wieder aufgebaut ist; dass es den Wiederaufbau
des Gazastreifens zu lässt; dass Israel der
Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet und seine Atomreaktoren
internationaler Kontrolle unterwirft; dass es international
genauso behandelt wird wie andere Staaten, denen vorgeworfen
wird, Atomwaffen anzustreben; dass Israel seine sogenannten
Siedler, die ständig Land, das ihnen nicht gehört,
enteignen, Menschen schikanieren und mutwillig deren Felder
und Ölbäume zerstören, vor Gericht stellt. Mit einem Wort:
Man will ein Israel anerkennen, das sich zu den
Menschenrechten und dem Völkerrecht bekennt.
Das ist schon eine skurrile
Situation, wenn die Muslime, denen man immer Ferne zur
westlichen Demokratie vorwirft, nun den Spieß umdrehen und
die deutsche Politik an die Grundwerte ihrer Verfassung
erinnern, die ja bei Festtagsreden immer so pathetisch
beschworen werden, aber im Fall Israel schlicht verdrängt
werden! Eine Antwort deutscher Behördenvertreter liegt noch
nicht vor. Sie müsste eigentlich, wenn es denn mit rechten
Dingen zugeht, von der Kanzlerin persönlich kommen. Aber da
wird man wohl lange warten können.
Zur
offiziellen Anerkennung Israels
- Yavuz Özoguz - Von immer mehr muslimischen Gemeinden und
Dachverbänden erfahren wir, dass die Behörden enormer Druck
auf sie ausüben, das Existenzrecht Israels öffentlich
anzuerkennen, bevor es irgendwelche Gespräche zur
Problemlösung in Deutschland geben könne. Wir empfehlen
allen jenen Gemeinden und Vereinen, ihre Bereitschaft zur
Anerkennung Israels unter Wahrung der Werte des
Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zu bekunden und
den Behörden ein Schriftstück folgender Art vorzulegen, dass
auch die Gemeinde, die den islamischen Verein dazu drängt,
unterzeichnen soll. >>>
Mail
dazu von Frau Evelyn Hecht-Galinski
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