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Antisemitismus-Vorwurf gegen den Bremer
Weser-Kurier
Wie der ehemalige WK-Redakteur Daniel
Killy seinen früheren Arbeitgeber diffamiert
Arn
Strohmeyer
Ist der
Bremer Weser-Kurier eine antisemitische Zeitung? In diesen
Verdacht hat ein ehemaliges Mitglied der Redaktion die
Monopolzeitung der Hansestadt gebracht. Anlass zu der
Rufschädigung ist seine fristlose Kündigung. Der Betroffene
ist Daniel Killy, bekennt sich zum jüdischen Glauben und ist
ein fanatischer Israel-Anhänger. Der WK hatte ihn im Januar
2014 als Chef vom Dienst eingestellt – eine
verantwortungsvolle Position, die in der Hierarchie gleich
hinter dem Chefredakteur kommt. Im komplizierten Prozess der
Zeitungsherstellung hat der Chef vom Dienst die Redaktion,
die aus mehreren Ressorts besteht, und die
Produktionsabläufe zwischen Redaktion und Technik zu
koordinieren.
Der Leitung
des Weser-Kurier wirft Killy vor, schlicht diesen Job nicht
im Griff gehabt zu haben. Der Vorstandsvorsitzende Eric
Dauphin und der Chefredakteur Moritz Döbler rechtfertigen
die Kündigung, so zitiert sie das Medien-Magazin meedia.de
,er habe statt seine eigentliche Aufgabe zu erfüllen, lieber
in seinem eigenen Büro gesessen und sich mit der
internationalen Politik beschäftigt – vor allem mit Israel
und dem Nahen Osten, muss man ergänzen. Killy betätigte sich
als Mitglied der WK-Redaktion auch weiter als Sprecher der
Hamburger Jüdischen Gemeinde, worin die Verlagsleitung einen
unhaltbaren Interessenkonflikt sah, zumal Killy ganz
offensichtlich auch beide Positionen miteinander vermengte.
Chefredakteur Döbler sah darin den unabhängigen Journalismus
des Blattes gefährdet und untersagte ihm die weitere
Ausübung der Sprecherposition.
Diese
Maßnahme des Chefredakteurs ist durch aus nachvollziehbar,
andere Kollegen mussten in früheren Zeiten auch schon auf
politische Nebentätigkeiten verzichten. Killy sah das
natürlich ganz anders. Er war vor allem der Meinung, seinen
Posten mit einer politischen Mission ausfüllen zu müssen,
wozu wohl für ihn beide Jobs gehörten. Bremen, merkte er
laut meedia.de an, sei eine Hochburg der
Palästinenser-Unterstützer, und der Weser-Kurier versäume es
da, sich mehr für Israel einzusetzen. Das habe er zu ändern
versucht, indem er im Sinne Israels kommentiert habe. Wie
das bei Killy politisch aussieht, hat der Verfasser dieser
Zeilen in einem Artikel geschildert, nachdem Killy einige
Monate seine Mission in Bremen erfüllt hatte. Es seien
daraus einige Absätze zitiert:
Der Bremer
Weser-Kurier hat einen neuen Fachmann für Außenpolitik:
Daniel Killy. Der Mann ist bei der einzigen Tageszeitung in
Bremen Chef vom Dienst und nebenbei erklärt er den Lesern
noch die Weltlage – besonders die Vorgänge im Nahen Osten.
Killy bringt für diese Aufgabe einen soliden
journalistischen Hintergrund mit, war er doch immerhin bei
den Boulevard-Zeitungen Morgenpost und
BILD-Zeitung tätig. In einem Interview des
Internet-Blogs Castollux wird er
vorgestellt als „verantwortlicher Redakteur bei BILD,
er ist jüdischer Deutsch-Amerikaner und Experte für jüdische
Themen und antisemitische Medienphänomene.“ Hinzugefügt sei,
dass er der Sohn des sehr renommierten Germanisten Walter
Killy ist.
In diesem
Interview darf Killy sein schlichtes und sehr einseitiges
Weltbild in Bezug auf den Nahen Osten darstellen: Die
deutschen Printmedien (aber auch ARD und
ZDF) sind grundsätzlich „antiisraelisch“
eingestellt, was dasselbe ist wie „antizionistisch“, was
wiederum ein Synonym für „Deutschlands feschen
Zeitgeist-Antisemitismus“ ist. Selbst die FAZ
und die Süddeutsche sind in Killys Sichtweise
neben den Öffentlich-Rechtlichen „ein sicherer Hafen für
anti-israelische Autoren“. Es gebe zwar – so doziert Killy
weiter – dort keinen antiisraelischen Redaktionskodex, aber
alle bösartigen Attacken auf Israel würden durch einen Wall
des „Pluralismus“ geschützt. Wann immer jemand (wie etwa er
selbst) diese Methode offenlege, werfe man ihm reflexartig
einen „Angriff auf die Pressefreiheit“ vor. (Dieser Vorwurf
Killys bedeutet ja, dass die Pressefreiheit in Deutschland
Antisemiten schützt.) Die Sprache der deutschen Medien sei
„vergiftet“, weil sie einseitig propalästinensisch
berichteten, so der ehemalige Boulevard-Journalist.
Killy fasst
in dem Interview seine Position so zusammen: „Pessimistisch
ausgedrückt: Die Bestie des deutschen Antisemitismus ist
nicht zur Strecke gebracht – sie wurde nur betäubt. Sollte
dieses staatlich verordnete Sedativum seine Wirkung
verlieren, wäre sie wieder quicklebendig. Positiv formuliert
heißt das: Deutschland tut alles, um sicherzustellen, dass
dieses Anästhetikum stets in ausreichender Menge vorhanden
ist.“
Killy sieht
also Antisemiten am Werk, wohin er auch blickt, Die
Einseitigkeit, die er den deutschen Medien in Bezug auf ihre
Darstellung des Nahost-Konflikts (völlig unberechtigt)
vorwirft, praktiziert er selbst in nicht zu übertreffender
Art und Weise. (Dieser Vorwurf des Verfassers dieser Zeilen
ist in seinen Augen vermutlich auch schon wieder
antiisraelisch = antizionistisch = antisemitisch. Wenn er
doch wenigstens diese Begriffe sauber auseinanderhalten
könnte!) Killy ist ein überzeugter zionistischer Ideologe,
der die Welt nur in den Kategorien Schwarz und Weiß, gut und
böse, Engel und Teufel sehen kann. Und dieses Weltbild
vermittelt er in seinen Artikeln und Kommentaren mit einer
Sprache des abgrundtiefen Hasses: Die Palästinenser sind
grundsätzlich „Terroristen“, und „Terroristen“ sind eben
„Mörder“. Mit solchen Bestien kann man natürlich nicht
verhandeln, weil sie völlig friedensunfähig sind. Soweit die
Auszüge aus dem damaligen Artikel.
Diese
Weltanschauung versuchte er missionarisch über das Medium
Weser-Kurier zu verbreiten. Friedensgruppen in der Stadt,
die sich für eine friedliche und auf einem gerechten
Ausgleich beruhende Lösung des Nahost-Konflikts einsetzen
und von Israel die Einhaltung der Menschenrechte und des
Völkerrechts fordern, ohne dabei die Existenz Israels in
irgendeiner Weise in Frage zu stellen, machte er als
„Antisemiten“ und „Nazis“ nieder. Als diese Gruppen im
Sommer 2014 friedlich in der Stadt gegen Israels
Bombardierung des Gazastreifens protestierten (die
furchtbare Bilanz: der Krieg forderte 2128 tote
Palästinenser, davon 81 Prozent Zivilisten, darunter 574
Kinder und 302 Frauen; es gab 723 Verletzte; 462 090
Personen wurden obdachlos, 16 002 Häuser wurden ganz oder
teilweise zerstört), war ihm das kein Wort der Empathie
wert, er hörte auf deutschen Straßen nur angeblich gerufene
Parolen wie „Brenn, Jude brenn!“ oder „Jude, feiges
Schwein!“ oder „Hamas, Hamas Juden ins Gas!“ (Leitartikel
vom 26.7.2014).
Nun mag es
einige solche Schwachköpfe bei den Demonstrationen gegeben
haben, die Regel war es nicht. In Bremen verlief die
Demonstration von über 10 000 Menschen ohne Zwischenfälle,
die Polizei bedankte sich bei den Organisatoren sogar dafür.
Killy schrieb in seinem Leitartikel aber: „Offen wird gegen
Juden gehetzt, werden Juden hierzulande angegriffen. Große
Teile der deutschen ‚Linken‘ oder solche, die sich dafür
halten, marschieren Arm in Arm mit Neonazis und
Gotteskriegern gegen die ‚Zionisten‘ auf. Wer das Wort
‚Zionist‘ in sozialen Netzwerken, Leserbriefen und Foren
durch ‚Jude‘ ersetzt, entdeckt schnell die Sprache des
‚Dritten Reiches‘ hinter den neuen Parolen.“ Es ist bei
Killy eben alles ein und dasselbe: Friedensaktivisten,
Linke, Nazis, Moslems, Palästinenser...
Der sehr
renommierte deutsche Antisemitismus-Forscher Wolfgang Benz
äußerte zu den Demonstrationen: „Ich sehe überhaupt keine
neue Qualität. Ich würde auch gern die Wortwahl
‚antisemitische Ausschreitungen‘ hinterfragen. Es haben sich
zum Teil seltsame Leute zusammengerottet. Einige haben
blödsinnige Parolen gerufen. Das wird von Interessenten mit
großem Widerhall als Wiederaufflammen des Antisemitismus
dargestellt. Ich beobachte die Szene seit 30 Jahren. Seit 30
Jahren wird damit Politik und Stimmung gemacht.“ Benz sieht
die größere Gefahr heute viel mehr in der Feindschaft
gegenüber Muslimen. Die Islamophobie arbeite mit ganz
ähnlichen Argumentationsmustern und Stereotypen wie der
Antisemitismus. Gemeinsam sei diesen Vorurteilen die
Einteilung in Gut und Böse sowie das Phänomen der
Ausgrenzung: „Das Feindbild des Juden wird heute durch das
Feindbild der Muslime ersetzt. Wieder geht es um die
Ausgrenzung einer Minderheit. Es ist höchste Zeit, die
Diskriminierungsmechanismen zu verstehen und schließlich zu
verhindern.“ Pegida lässt grüßen.
Daniel Killy
sah das in seinem Leitartikel ganz anders. Es sah
ausschließlich antisemitische Exzesse am Werk, die die Werte
der deutschen Demokratie und des Westens in Frage stellten.
Werte, die Israel gegenüber den Palästinensern jeden Tag mit
Füßen tritt. Die Forderung nach Werten wie Einhaltung des
Völkerrechts, der Menschenrechte oder der politischen
Freiheit und Selbstbestimmung für ein ganzes Volk (die
Palästinenser) sucht man bei Killy vergebens. Als der Autor
dieser Zeilen mit dem israelischen Friedensaktivisten Reuven
Moskowitz, einem Holocaust-Überlebenden, in der Redaktion
des Weser-Kurier Daniel Killy gegenüber saß (damals liefen
gerade die auf Druck der USA aufgenommenen
„Friedensgespräche“ zwischen Israel und den Palästinensern)
lautete die erste Frage von Killy: „Wie kann Israel mit
Mördern verhandeln?“ Da musste der betagte Israeli erstmal
schlucken und um Fassung ringen, bevor er antworten konnte.
Die Gleichung ist klar: Palästinenser sind „Antisemiten“
gleich „Nazis“ gleich „Mörder“.
Der frühere
langjährige SPD-Abgeordnete des Bremer Parlaments
(Bürgerschaft), Dr. Detlef Griesche, musste sich gegen
Killys Vorwurf wehren, ein „gewendeter brauner Arsch“ zu
sein. Kein Wunder, dass viele Bürger gegen diesen
fanatischen Ideologen in Leserbriefen und Protesten bei der
Verlagsleitung Sturm liefen und als „Hetzer“ bezeichneten,
der die Palästinenser dämonisiere. Auch der Autor dieser
Zeilen gehört zu den von Killy als „Nazi“ Denunzierten.
Obwohl er durch zahlreiche aufarbeitende Bücher – sogar eins
über seinen eigenen Nazi-Vater – und unzählige Artikel zum
Thema Nationalsozialismus seine Distanz zu dieser Ideologe
unter Beweis gestellt hat, Killy hält den „Nazi“-Vorwurf
aufrecht.
Der
Antisemitismus-Vorwurf gegen den Weser-Kurier ist völlig
absurd, auch wenn Killy für diese Zeitung sicher ein sehr
schwieriger Fall war, von dem der Abschied nicht schwer
gefallen ist. Diese Zeitung, die sich in erster Linie der
Berichterstattung über die Region verpflichtet fühlt, hält
sich bei Berichten über das Thema Nahost eher zurück. Wenn
berichtet wird, geschieht es im Sinne der deutschen
Mainstream-Medien, die eher auf Israels Seite stehen und
auch dessen politische Sprache benutzen. Dafür sorgt vor
allem der Israel-Korrespondent des Blattes, Ulrich Sahm,
ebenfalls ein fanatischer Israel-Anhänger, der ganz auf der
Linie Killys liegt. Sahm ist wohl der umstrittenste deutsche
Korrespondent in Israel, den der Fernsehsender ntv wegen
seiner Berichterstattung vor die Tür gesetzt hat. Vom
Deutschen Presserat erhielt er eine „Missbilligung“, weil er
einem Buchautor „Antisemitismus“ vorgeworfen hatte. Der
hatte aber nur aus dem Alten Testament zitiert.
So sind nun
auch die Ex-Kollegen von Daniel Killy über den
Antisemitismus-Vorwurf empört. Die Vorsitzende des
Betriebsrates, Ruth Gerbracht, erklärte laut meedia.de, sie
sei entsetzt über diesen Vorwurf, Killy beschädige die
Zeitung insgesamt. Sie kenne zwar nicht die genauen
Kündigungsgründe, könne sich aber nicht vorstellen, dass er
wegen seiner Kommentierung oder wegen seines jüdischen
Ehrenamtes entlassen worden sei. Ein anderes
Redaktionsmitglied sagte dem Autor dieses Artikels, Killy
habe sein Arbeitsgebiet als Chef vom Dienst einfach nicht
beherrscht, habe seinen Job deshalb schlecht gemacht, er sei
ein völliger Flop gewesen. Das sähen auch die anderen
Kollegen so.
Killy selbst
stellt sich nun als Märtyrer dar und behauptet, die
Redaktion verschleiere den wahren Grund seines
Rausschmisses, bei dem er immerhin noch weich gelandet ist:
Es gab einen Deal vor dem Arbeitsgericht – er erhielt eine
Abfindung und ein positives Zeugnis. Der Gefeuerte wirft dem
Weser-Kurier nun auf der Seite von israelnationalnews.com
antisemitische Motive als Grund für seine Entlassung vor.
Natürlich weist die Verlagsleitung solche Vorwürfe weit von
sich. Der Autor dieses Artikel muss seinem alten
Arbeitgeber - er hat 27 Jahre dort als politischer
Redakteur gearbeitet – Recht geben. Das Haus hat seine
liberalen Grundsätze immer hoch gehalten. Die
Nahost-Berichterstattung, wie sie heute dort betrieben wird,
ist zwar sehr kritikwürdig, aber der Vorwurf des
Antisemitismus ist schlichtweg unsinnig.
21.11.2015 |