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            Stopp the Wall
            Internationale Konferenz , 5. Juni 2004 
			in Köln 
            Die Eröffnungsrede von Ellen Rohlfs als Vertreterin von Gush Shalom
            
 Als aktives Mitglied von Gush Shalom darf ich Sie mit Shalom 
			begrüßen.
 Als jemand der seit 40 Jahren Freunde an vielen Orten in Palästina 
			hat, darf ich Sie auch mit dem arabischen Friedensgruß AS.S.ALAMU 
			ALEIKUM ! begrüßen.
 .....
 
 Ich möchte mit etwas Ungewöhnlichem beginnen: In meiner Kindheit 
			lauschten wir noch den Grimmschen Märchen - auch dem vom 
			Rumpelstilzchen. In ihm kommt folgender Vers vor: „Ach wie gut, dass 
			niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß’.“ Aber genau damit 
			hatte der verschlagene, böse Kobold einem heimlich Lauschenden 
			seinen richtigen Namen verraten – und es war Schluss mit dem Zauber, 
			Spuk und den Ungeheuerlichkeiten.
 In diesem Märchen wird deutlich, wie wichtig es oft ist, den Namen 
			einer Person, oder auch den richtigen Namen von Dingen zu kennen, 
			ja, die „Dinge beim rechten Namen“ zu nennen - selbst dann, wenn die 
			mit ihnen zusammenhängenden Ungeheuerlichkeiten leider nicht so 
			schnell verschwinden wie im Märchen.
 
 Ich möchte einige solcher „Dinge“, die mit dem Nahostkonflikt 
			zusammen hängen und zum Teil sogar sehr aktuell sind -- beim rechten 
			Namen nennen – das hat auch etwas mit Wahrheit zu tun.
 Besatzung heißt Unterdrückung, heißt Gewalt. Enteignung von Land ist 
			Diebstahl.
 Die Wasserverteilung zwischen den beiden Ethnien ist ein Beispiel 
			von unglaublicher Ungerechtigkeit.
 Verschiedene Gesetze für verschiedene Ethnien wie in der Türkei , 
			Israel und anderswo ist Rassismus.
 Checkpoints sind weniger Kontrollpunkte als Orte der Demütigung und 
			Schikanen.
 Was unter dem Codewort Sicherheit für die eine Seite läuft , 
			bedeutet militärische Überfälle mit gezieltem Töten und Zerstören 
			von Wohnhäusern für die andere Seite – also größte Unsicherheit.
 Wer in Is. von „reinen Waffen“ spricht – redet nicht von 
			Spielzeugwaffen – unter den mehr als 2500 pal. Toten sind ca 573 
			Kinder...
 „ Frieden für Galiläa! bedeutete 1982 Krieg für den Libanon - 
			einschließlich der Massaker in Sabra und Shatila.
 Die „Operation Regenbogen“ war für die Menschen in Rafah keine 
			Aktion der Versöhnung, sondern bedeutet für sie Angst, Zerstörung, 
			Hunger, Tausende wurden obdachlos und 60 fanden den Tod - also eine 
			Katastrophe. (Das Wort „Regenbogen“, das bibl. Symbol für Frieden 
			und Versöhnung, derart zu missbrauchen, ist pervers.)
 Solche und ähnliche Euphemismen eignen sich gut, um nicht nur die 
			eigene Bevölkerung, sondern die ganze Welt zu täuschen.
 Was als „Ill-treatment“/ „üble Behandlung“ bezeichnet wird, bedeutet 
			für Gefangene schlicht Folter. ( Erst als man kürzlich die 
			Behandlung irakischer Gefangenen Schwarz auf Weiß oder gar farbig 
			hatte, war von Folter die Rede – dass in isr. Gefängnissen seit über 
			30 Jahren nicht nur „physischer Druck“ ausgeübt, sondern mit 25 
			verschiedenen Techniken gefoltert wird, kann u.a. in 
			B’tselemberichten nachgelesen werden.
 Die „Anwesend-Abwesenden“ sind Vertriebene innerhalb Israels, deren 
			Land „legal“ enteignet/ gestohlen werden konnte.
 Der us.-isr. „Krieg gegen den Terrorismus“ erweist sich schon jetzt 
			als sein Gegenteil: er ist Brutstätte für weltweiten Terror auf 
			unbegrenzte Zeit - und lässt natürlich Hassgefühle gegen die USA und 
			Israel anwachsen.
 
 Nun zur in deutschen Medien mit „Sicherheitsanlage“ umschriebenen 
			Mauer .
 Mit dieser Mauer, die ich im vergangenen Jahr an mehreren Stellen 
			mit Entsetzen selbst gesehen habe – geht es aber um mehr . Sie hat 
			inzwischen viele Namen : was offiziell ein „Sicherheitszaun“ sein 
			soll, ist zunächst eine „illegale Grenze“, für die in ihrer Nähe 
			Lebenden eine „eiserne Mauer der Angst“ und eine „Annexionsmauer“, 
			„Apartheidmauer“, eine „neue Klagemauer“ über der nicht Gottes Geist 
			schwebt, sondern, wenn überhaupt, dann der Geist eines bösen Dämons. 
			Diese Mauer ist kein Werk fortschrittlich denkender Menschen des 21. 
			Jhdts, es ist mit einem mittelalterlichen Terminus „Teufelswerk“, 
			das nur zerstören, stehlen, zerreißen, zur Verzweiflung bringen, 
			vertreiben, aushungern, töten will und ein noch größeres Chaos 
			anrichtet, als sowieso schon besteht – dieses Machwerk wird auf 
			Dauer nicht zur Sicherheit Israels beitragen, sondern wie eine 
			tickende Bombe beide Völker in eine Katastrophe führen ...
 
 Vergessen wir nicht, dass die eben nur an 12 Punkten und deshalb nur 
			sehr knapp skizzierte nahöstliche Tragödie die Fortsetzung der 
			europ. bes. der deutschen Vernichtungsgeschichte am jüdischen Volk 
			ist. Seit 56 Jahren leidet nun ein anderes Volk, das nichts mit 
			dieser europ. Geschichte zu tun hat, an der „fehlgeleiteten Rache“ 
			der damaligen Opfer. Wir in Europa hätten deshalb viele Gründe, um 
			diese Tragödie zwischen beiden Völkern beenden zu helfen. Lassen wir 
			uns nicht irritieren von Leuten, die sich nur Sorge um ein 
			fragwürdiges Image eines Staates machen oder die uns mit der 
			Antisemitismus-Keule oder Ähnlichem drohen wollen, die aber keine 
			Ahnung haben, was sich vor Ort wirklich abspielt.
 
 
 
 Wenn wir uns um die Menschen dieser Region auf beiden Seiten des 
			monströsen, abscheulichsten Bauwerks sorgen, also echt „honestly 
			concerned“ sind – um israelische wie palästinensische Menschen - , 
			lassen Sie uns überlegen, wie wir heute und hier
 1. als verantwortlich Denkende - unsere ominöse Geschichte mit 
			bedenkende - Deutsche und verantwortlich Handelnde die Gruppen in 
			Israel und Palästina unterstützen können, die gewaltlos und mutig 
			gegen dieses Beton-Stacheldraht-Graben-Monstrum und gegen viele 
			andere Menschenrechtsverletzungen ankämpfen und
 2. wie wir unsere Regierung mobilisieren und sensibilisieren können, 
			dass sie in unser aller Namen aber auch in dem jüdischer und 
			israelischer Friedensgruppen - alles in ihrer Macht Stehende tut, 
			und mehr Mut zeigt, sich gegen die ja auch selbst-zerstörerische 
			isr. Politik zu stellen, damit der Weiterbau dieser Apartheidmauer 
			gestoppt und sie möglichst wieder abgerissen wird. Lasst uns auch 
			protestieren gegen die Lieferung weiterer U-Boote in das nahöstliche 
			Spannungsgebiet.
 3. wie wir beim Brückenbau zwischen beiden Völkern helfen können, 
			damit nicht noch weitere Generationen mit Angst- ,Hass-, 
			Rachegefühlen aufwachsen, mit abscheulichen Gewaltakten konfrontiert 
			werden oder keinen anderen Ausweg aus dem Dilemma finden, als ein 
			Selbstmordattentat zu begehen. Es ist auf beiden Seiten schon viel 
			zu viel Blut geflossen.
 4. was können wir tun, um unsere Medien dahin zu bringen, objektiver 
			und umfassender zu berichten, auch was israelische und 
			internationale Friedens- und Menschenrechtsgruppen täglich 
			unermüdlich gegen diese Politik der Zerstörung unter großen Opfern 
			Bewundernswertes leisten.
 
 
 Ein letzter Gedanke:
 
 Dass unser Nachdenken, Zornigsein, Reden und Tun hier auch mit 
			Kritik an der Regierungspolitik Israels zu tun hat, soll nicht 
			geleugnet werden - mit Antisemitismus hat dies nichts zu tun – wir – 
			und das sage ich bewusst auch als Mitarbeiterin von Gush Shalom wir 
			arbeiten im Sinne von und mit jüdischen und israelischen Freunden 
			und Friedensgruppen. Es geht uns - um die Dinge auch hier beim 
			rechten Namen zu nennen! - nicht um „political correctness“ - 
			sondern um Menschenrechte, um Menschlichkeit, um Gerechtigkeit, 
			Sicherheit und Frieden für beide Völker, für Israelis und 
			Palästinenser – in zwei Staaten nebeneinander. Das Existenzrecht 
			Israels wird überhaupt nicht in Frage gestellt. Ein 
			palästinensischer Staat muss aber in den restlichen 22% Palästinas - 
			also neben Israel - auch lebensfähig und unabhängig existieren 
			können Genau dies letzte soll ich im Auftrag von Gush Shalom in 
			Israel noch besonders betonen, und dabei möchte ich auf die neueste 
			kleine Broschüre „Wahrheit gegen Wahrheit“, eine Gush Shalom 
			Dokumentation von Uri Avnery, aufmerksam machen. Sie liegt auf dem 
			Büchertisch.
 Danke, toda, shukran!!
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