Wenn es
umgekehrt wäre …
Ellen
Rohlfs, nach einem Bericht von Stopthewall Nov. 2007
Das kleine Dorf Fasayil im
nördlichen Jordantal baute in diesem Sommer mit Hilfe
internationaler Freiwilliger, besonders aus Brighton in
England, für seine 115 Kinder eine Grundschule. Sie
bauten nach traditioneller Bauweise mit an der Sonne
getrockneten Lehmziegeln, die die Kinder selbst mit
formten.
Die Bewohner hatten erkannt,
wie nötig Schulbildung ist, dass aber die nächste Schule
für die Kinder nur schwer zu erreichen ist.
Auf Grund der Besatzung
wird auch die wirtschaftliche Lage der
palästinensischen Bewohner des Jordantals immer
verheerender. Sie wollen aber nicht, dass ihre Kinder
einmal nur als Tagelöhner oder „Wasserträger“ in den
nahen jüdischen Siedlungen ihr Brot verdienen sollen.
Nun erhielt das Dorf am 17.
Oktober von der Militär-“zivil“-Verwaltung eine
Verfügung: bis 29. November soll die Schule und ein
Wohnhaus abgerissen werden, denn sie seien ohne
Genehmigung gebaut worden. Doch seit 40 Jahren gab es im
Jordantal für Palästinenser keine Baugenehmigung, die
übrigens eine Unmenge kosten würde, wie mir Freunde im
Raum Bethlehem einmal erzählten – genau das Geld, das
sie für die 2. Etage benötigten, die sie damals für die
Familie des Sohnes bauen wollten.
So soll die Bevölkerung
gezwungen werden, das Jordantal zu verlassen, wo sie
seit Generationen von Viehzucht und
landwirtschaftlichem Anbau gelebt hat. Ich erinnere
mich noch an eine Fahrt durchs Jordantal im März 1967
als dort die Zitrusbäume unglaublich duftend blühten.
Seit 40 Jahren ist das Jordantal von über 30
jüdischen Siedlungen und israelischem Militär illegal
besetzt.
Was hier vor sich geht,
nennt der israelische Historiker Ilan Pappe ethnische
Säuberung, was 1948 in großem Ausmaß nicht nur in den
Teilen Palästinas geschah, wo der UN-Resolution und dem
Teilungsplan nach der jüdische Staat Israel entstehen
sollte, und was damals die Vertreibung von
750 000 Palästinensern zur
Folge hatte. Es ist auf arabisch die Nakbah, die
Katastrophe.
Das Datum der angekündigten
Zerstörung der Schule ist – zynischer geht es nicht -
genau auf den 60. Jahrestag des Uno-Teilungsplanes
gelegt worden, an dem die Palästinenser weltweit
trauernd an den Verlust ihrer Heimat denken.
Man stelle sich nur vor, wenn es
umgekehrt wäre, wenn eine jüdische Schule – sagen wir
mal in Teheran - einen Abrissbefehl zu einem ihrer
jüdischen Gedenktage bekommen würde, aus
Sicherheitsgründen oder weil genau hier eine neue
Umgehungsstraße gebaut werden muss.
Wie würden die jüdischen
Gemeinden in Israel und rund um den Globus reagieren?
Denn diese Nachricht würde schnell und weltweit durch
alle Medien gegangen sein. Ein Aufschrei wäre zu hören:
„Seht den wachsenden Antisemitismus in der islamischen
Welt! Nun werden schon jüdische Schulen zerstört wie das
in den 30er Jahren wo anders geschehen war! Empörung
würde sich breit machen, womöglich würde er zum
Casus Belli, auf den die USA/ Israel schon lange
gewartet hat..
Wer aber nimmt die
angekündigte Zerstörung einer palästinensischen Schule
wahr ? In welchen Medien Europas und der USA wird
darüber berichtet werden - außer im englischen Brighton,
wo es die besondere Partnerschaft zu diesem kleinen und
armen Dorf im Jordantal gibt?
In welchen Medien wird
dieser Zerstörungsakt als Verletzung der Menschenrechte
und der Genfer Konvention dargestellt? Und dass hier
den 155 Kindern die Zukunftsperspektive brutal genommen
wird, dass hier womöglich der Keim zu einem
verzweifelten Selbstmordakt gelegt wird, statt ein Samen
für Frieden – „Seeds for Peace“* – für eine gemeinsame
Zukunft, nach der man hoffentlich beim bevorstehenden
Treffen in Annapolis ernsthaft zu suchen sich bemühen
wird.
Leider lässt der fast
gleiche Zeitpunkt der Zerstörung der Schule mit dem
Treffen in Annapolis nichts Gutes ahnen – eine Geste des
guten Willens von Seiten der israelischen Regierung ist
es auf jeden Fall nicht.
*Nach dem Oslo-Abkommen
von Peres gegründete israelisch-arabische
Jugendorganisation
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