Dankesrede von Ellen
Rohlfs, anlässlich der Aufnahme als Ehrenmitglied in die
Erich-Maria-Remarque-Gesellschaft am 30. Oktober 2008 in
Osnabrück im Friedenssaal
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde der
Erich-Maria-Remarque-Gesellschaft und besonders liebe Rachel
und lieber Uri – wenn heute auch leider über 3000km Luftlinie
entfernt …
Nun bleibt mir nur noch, die
passenden Worte zu finden, um meinen besonderen Dank
auszudrücken für eine Ehre, die mir heute und hier zu teil
wird, und mit der ich nie gerechnet hatte – und die ich immer
noch anzweifle, ob sie mir wirklich zusteht. Habe ich doch -
meiner Meinung nach – nur das getan, was nötig, was notwendig
war und ist, was eigentlich viele Deutsche tun sollten, die aus
der deutschen Geschichte die richtigen Konsequenzen gezogen und
gelernt haben . Doch bevor ich darauf näher eingehe, was ich als
meine Aufgabe ansehe, noch etwas zu dem Ort, an dem wir uns
befinden.
Mir ist sehr bewusst, dass dieser
Raum von einer unglaublichen Geschichtsträchtigkeit ist, es ist
ein Ort wie wenige in Deutschland – und zwar ganz und gar in
positivem Sinn. Hier wurde vor fast auf den Tag genau vor 360
Jahren nach 30 Jahren Krieg der Westfälische Frieden mit den
Schweden geschlossen. Zu recht wird er der „Friedenssaal“
genannt.
Dass ich nun in einem so besonderen
Rahmen, den Platz der Geehrten als neues Ehrenmitglied der
Erich-Maria-Remarque-Gesellschaft einnehmen darf , ist etwas,
das ich nicht hoch genug schätzen kann – mein Dank gilt
deshalb der Stadt Osnabrück und der Erich-Maria-Remarque
Gesellschaft, die hier in Osnabrück, Remarques Geburtsort, eine
besondere Rolle spielt, in dem sie Remarques Werk und vor allem
das, was dahinter oder besser darin steckt, lebendig hält. Und
das in einer Zeit, die es ganz besonders nötig hat, daran
erinnert zu werden, sich weltweit für Frieden, besonders
für einen Frieden nach 60 Jahren Krieg in Israel-Palästina zu
engagieren. Es geht auch dort vor allem um die „Kultur des
Friedens und um die Frage der Humanität.
Auch wenn Uri Avnery durch Prof.
westphal schon vieles zu mir/ über mich gesagt hat – wofür ich
ihm von Herzen danke – erlauben Sie mir noch etwas zu ergänzen
und zu betonen :Was war mir bei meinem Engagement für Frieden
besonders wichtig: wenn ich jahrzehntelang in VHS und kirchl.
Gemeinden Diavorträge hielt, wenn ich kritische informative
Artikel aus der isr. und internat. Presse übersetzte, wenn ich
eine eigene Photoausstellung „Palästina in Vergangenheit und
Gegenwart“ in sieben Städten zeigen , wenn ich
Kunstausstellungen israel. und pal. Künstler, nach Leer und
Oldenburg holen durfte, wenn ich einige Jahre mit der
Sanierung eines Kindergartens im Gazastreifen beschäftigt war –
mir war vor allem wichtig, deutlich zu machen, dass es sich
hier um eine u n fassbare Tragödie zweier Völker handelt, die
eng mit der monströsen deutschen u n d europ. Geschichte
verknüpft ist und dass wir deshalb also beiden Völkern
unendlich viel schuldig sind – es ist zu einfach, nur von Opfern
und Tätern, den damaligen und den heutigen zu reden. Die
heutigen Opfer – das pal. Volk - hatte nie etwas mit den
Tätern und deren Taten von damals gemein.
Für mich sind auf beiden Seiten
ebenbürtige, gleichwertige Menschen, Menschen, denen
selbstverständlich die gleichen Rechte, die Menschenrechte
zugestanden werden müssen.
Bei meinen mehr als 20 Reisen
nach Is-Pal. ging es mir immer um die menschlichen Kontakte, um
Kontakte zu beiden Seiten, um Kontakte mit denen, die sich um
Versöhnung und Verständigung bemühten, um Menschenrechts- und
Friedensgruppen, wie die Frauen in Schwarz, die Ärzte für
Menschenrechte, die Rabbiner für Menschenrechte und besonders
Gush Shalom. An vielen Aktivitäten dieser Gruppen konnte ich
teilnehmen, und dann hier von dieser großartigen humanitären
Arbeit berichten und erzählen – aber natürlich auch die
Hintergründe ihrer humanitären Arbeit benennen: die täglichen
groben Verletzungen der palästinensischen Menschenrechte seit 60
Jahren durch isr. Militär, die isr. Regierung, die Siedler …
So entstanden nach vielen
Beobachtungen, Begegnungen, ständigen Kontakten und vertiefender
kritischer isr. Literatur, Berichten der isr.
Menschenrechtsorganisationen – fast wie von selbst – drei
eigene Bücher, wobei das letzte vor allem für unsere Politiker
gedacht war, denn ihnen scheint nicht klar zu sein, dass sie die
unermessliche deutsche Schuld gegenüber dem jüd. Volk auf dem
Rücken eines a n d e r e n Volkes, des palästinensischen,
abtragen wollen, indem sie die Augen vor dem Unrecht, und dem
Leid, das diesem Volk angetan wird, verschließen. Damit machen
sie sich/ wir uns neu schuldig.
Es ist der Punkt, an dem ich nicht
mitmachen und nicht mehr schweigen kann, dem ich etwas anderes
deutlich entgegen setzen muss: meine letzte Broschüre, die
nicht für den Verkauf bestimmt ist, hat deshalb auch den Titel:
„Ich schreie auf – ich klage an“
1.Mit Hilfe i s r a e l . Stimmen,
die ich übersetze, versuche ich aufzuklären – auch unsere
Politiker, denn unsere Medien berichten meistens nur sehr
einseitig -
2. bemühe ich mich Rassismus jeder
Färbung bei uns zu bekämpfen, auch den christl. Antijudaismus
von der Wurzel her – und zwar im Gespräch und
Brief/Emailwechsel mit Theologen der beiden großen christl.
Konfessionen– bis jetzt allerdings mit wenig Erfolg.
3. versuche ich seit ein paar
Jahren gegen die Anwendung der teuflischsten aller Waffen, des
depleted Uraniums, DU, zu kämpfen – im Augenblick läuft deshalb
eine Unterschriftenaktion von Pax Christi. Denn hier geht es
nur noch um „Massenmord“ an der zivilen Bevölkerung in
Kriegsgebieten ( Afghanistan, Irak, Bosnien und dem Libenon) auf
Generationen hinaus - von „Heldentum“ derjenigen, die diese
Munition und Waffe verwenden, wie dieses auch Remarque schon in
Frage stellt, kann überhaupt nicht die Rede sein – eher von
Kriegsverbrechen hoch zehn.
Darum meine große Bitte: Könnten
Sie diese Unterschriftenaktion mit Ihrer Unterschrift
unterstützen?
Das hört sich nun wer weiß wie an
--- auf 30 Jahre verteilt – hatte alles seine Zeit.
Irgendwann wurde mir auch klar, dass wir – und eigentlich vor
allem auch unsere Regierung - gerade die Gruppen in Israel
unterstützen sollten, die genau dasselbe wie ich wollen:
Versöhnung und Frieden durch gegenseitige Anerkennung des Leids
und der Traumata , der Menschlichkeit -- und Toleranz und
Gerechtigkeit und Freiheit für alle.
Ein inzwischen weltweit bekanntes
Wort hilft mir, mit meinem Nicht-begreifen-können, meiner
Fassungslosigkeit, meinem entsetzen und meiner Traurigkeit,
Frustration und Wut und Zorn über die immer schlimmer werdende,
ja katastrophale Situation in den besetzten Gebieten, bes. im
Gazastreifen umzugehen:
„Wenn viele kleine Leute an
vielen kleinen Orten viele kleine Schritte tun,
dann können sie das Gesicht der
Welt verändern „
Ich empfinde mich als eines dieser
kleinen „Leute“ – oder wie Uri Avnery zuweilen sagt „wie ein
kleines Zahnrädchen, das ein größeres antreibt , das wieder
größere antreibt – bis hoffentlich dann irgendwann bald das
Friedensrad in Schwung kommt.
Und nun frage ich mich, die ich
mich wie so ein winziges Zahnrädchen im Getriebe des
Nahostkonfliktes, als eines der sehr kleinen „Leute“ empfinde,
wie komme ich dazu, heute solch eine besondere Ehre in solch
bedeutendem Rahmen mit einer Laudatio eines weltbekannten und zu
recht vielfach ausgezeichneten Friedensaktivisten zu bekommen?
Jetzt kann ich nur noch eines
sagen: von ganzem Herzen Dank der Erich –Maria-Remarque
Gesellschaft , dass sie mich für würdig genug findet, mich zu
den andern verdienstvollen internationalen Ehrenmitgliedern in
ihre elitäre Mitte zu nehmen !!
Und ein herzliches Toda raba an
Uri und Rachel nach Tel Aviv hin !
und Shukran meinen
palästinensischen Freunden, in der Nähe und Ferne, die meine
Arbeit auch unterstützen und anerkannten z.B. durch ein
Rosenbäumchen in Kafr Qassem in Israel, das seit einigen
Jahren meinen Namen trägt. Leider konnten sie nicht kommen –
einige von ihnen sind als Ärzte auf dem Weg nach Gaza und
Ramallah
und Salam und Shalom und Frieden
uns allen! Danke
Wenn man ursprünglich im
englisch veröffentlichte Artikel aus Palästina oder Israel liest,
sieht man meistens unter dem Artikel einen Namen stehen:
(Aus dem Englischen übersetzt: Ellen Rohlfs).