Ellen
Rohlfs - Offener Brief vom 1.August 2009
An die
fragwürdige Gruppe der Herren, die die Rechtsanwältin Felicia
Langer verleumden und diffamieren, nachdem sie zu Recht das
Bundesverdienstkreuz 1. Klasse erhalten hat.
Es ist unglaublich, wie Sie mit
einer ehrenhaften, untadeligen, für die Menschenrechte
engagierten Frau umgehen, die 23 Jahre lang in Israel als
Juristin nicht nur Erfahrungen mit der israelischen Justiz
sondern auch mit den Praktiken der Besatzung gemacht hat und
sich deshalb für unterdrückte, diskriminierte, gefangene und
gefolterte Palästinenser mit juristischen Fachwissen, mit
Menschlichkeit, der sich aus dem jüdischen Ethos und den
persönlichen Erfahrungen aus dem Holocaust nährte, einsetzte.
Was wollen Sie denn mit dieser
Kampagne, die einem Rufmord gleicht, erreichen?
Glauben Sie wirklich, dass Sie
damit Israel einen Dienst tun, dass Sie damit dem jüdischen Volk
helfen und den Antisemitismus bekämpfen? Sie erreichen damit
genau das Gegenteil.
Machen Sie doch endlich die Augen
auf! Legen Sie die Scheuklappen ab! Befreien Sie sich von den
Klischees und dem Hass gegen Andersdenkende
Sie scheinen nicht zu wissen oder
wollen gar nicht wissen, was in Israel und in den besetzten
Gebieten, was im Gazastreifen tatsächlich vor sich geht – leben
Sie denn auf dem Mond?
Wenn Sie davon wirklich etwas
wüssten – es gibt genügend kritische Literatur ,und ein
Aufenthalt vor Ort, auch hinter der Mauer wäre sinnvoll – und
sie einen Funken Menschlichkeit hätten und wirklich und
tatsächlich um Israel besorgt wären – wirklich honestly
concerned wären– dann würden Sie sich in anderer Weise
engagieren, statt andere wegen ihres verantwortungsbewussten
Engagement versuchen, mundtot zu machen. Felicia Langer ist
nicht ihr erstes und einziges Opfer.
Anscheinend ist Ihnen völlig
entgangen, dass Israel mit seiner faschistischen Regierung,
nicht nur gegenüber dem palästinensischen Volk Verbrechen gegen
die Menschlichkeit – womöglich Schlimmeres - begangen hat,
sondern auf dem Weg ist, sich selbst zu zerstören und zwar nach
Michael Warschawski „im Höllentempo“. Und er ist keineswegs
allein mit dieser Aussage. Die Sorge um die Selbstvernichtung
teilen viele Israelis und Juden in aller Welt.
Felicia Langer ist also nicht die
einzige Jüdin, die die israelische Politik aus Sorge um die
Menschen, alle Menschen, in Israel und den
palästinensischen Gebieten kritisiert. Sie befindet sich in
guter Gesellschaft. Z.B in der der Menschenrechtsgruppen in
Israel, die seit langem die selbst-zerstörerischen Elemente in
der israelischen Politik erkannt haben, wie die Physicians for
Human Rights ( Dr. Ruchama Marton), die Rabbis for Human Rights
(Arik Asherman), B’tselem, Public Committee against Torture,
Machsom Watch (Ronni Hamerman), Yesh Din, ICAHD ( Jeff Halper) ,
Gush Shalom (Uri Avnery), New Profile ( Rela Mazali), Bat Shalom
(Gila Swirski), Anarchisten gegen die Mauer, Yesh Gvul, Kämpfer
für den Frieden, Refusenics, Breaking the Silence, das
Alternative Information Center, ACRI, ICCR, ILHCR, Ta’ajush,
Women in Black ( Paula Abrams Hourani), WOFPP (Hava Keller) und
eine Reihe von Einzelpersönlichkeiten, die zum Teil schon
gestorben sind wie Erich Fried, Arna Mer-Khanis, Haifa, Simcha
Flapan, Jehoshua Leibowitz, Alisa Fuss, Berlin, Israel Shahak,
Yehudi Menuhin, Tanya Reinhart, Victoria Buch, Baruch Kimmerling,
Hans und Toska Lebrecht, …
Und Nurit Peled-Elhanan, Debora
Reich, Susan Nathan, Tikva Parnass, Jeremy Milgrom, Yossi Sarid,
Avi Shlaim und Daniel Barenboim, Noam Chomsky, Amos Gvirtz,
Reuven Moskowitz, Ronni Kasril, SA, Neve Gordon, Yitzak Laor,
Ezra Nawai, Hajo Meier, Evelyn Hecht-Galinski, John Rose, Henry
Siegman, Ran HaCohen, Alfred Grosser, Tony Juds, Brian Klug,
Richard Falk, Abraham Melzer, Rolf Verleger und viele andere
Und die Gruppen „European Jews for
a Just Peace“, „Die jüdische Stimme“, „Not in my Name“ , Tikkun
mit Rabbi Lerner (USA), „Jewish Voice for Peace“, Reut Sadaka,
….
Die Journalisten Gideon Levy, Amira
Hass und Akiva Eldar, B. Michael, die Historiker Ilan Pappe,
Idith Zertal, Adi Ophir, Norman Finkelstein, Yakov Rabkin,
Michael Neuman, Uri Davis, Shulamit Alonis, Sara Roy, Abraham
Burg, Hagar Matar, - und weltweit mehr als 7000 andere (
die ein Rechtsradikaler in eine Liste gesetzt hat.)
Sollen diese jüdischen Kritiker der
israelischen Politik alle Antisemiten oder Selbsthasser sein ?
Das ist doch lächerlich. Sie verhalten sich gegenüber Israel als
denkende Menschen mit Gewissen, die aus dem Holocaust die
richtige Lehre gezogen haben, ohne ihn zu instrumentalisieren –
genau wie Felicia Langer – nur dass ihre Stimmen bei uns kaum
oder selten zu hören - aber im Internet nachzulesen sind.
Nachdem die Bundeskanzlerin in der
Knesset eine zionistische Rede gehalten hatte, schrieb
Dr.Margalit (ICAHD, Meretz) am 2,.4.08 einen offenen Brief an
sie: „Der wirkliche Antisemit ist der, der angesichts der
Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten schweigt!“
Gehen Sie in sich und denken Sie
mit Hilfe von Warschawskis Buch darüber nach, wie Sie helfen
können, Israel vom Weg der Selbstzerstörung abzubringen – und
helfen Sie der jüdischen Ethik eines Martin Buber wieder zu
ihrem Recht, damit Israel vielleicht doch einmal „Licht unter
den Völkern“ genannt werden kann. Dann hätten Sie viel zum
Frieden in der Region beigetragen – Bis jetzt haben Sie nur
Unfrieden und Hass verbreitet.
Und entschuldigen Sie sich bei Frau
Langer für Ihre unsäglichen, abscheulichen Verleumdungen und
Falschaussagen --- Sie hat für die Menschlichkeit und das
Judentum auf jeden Fall mehr getan als Sie alle mit einander.
In der Hoffnung, dass dieser offene
Brief zu einem Ende dieser äußerst unerfreulichen Diskussion
führt und manchem die Augen für die grausame Realität in Nahost
öffnet und ein Umdenken initiiert
verabschiede ich mich von Ihnen
Ellen Rohlfs,
Trägerin des
Bundesverdienstkreuzes, Mitglied von Gush Shalom, Übersetzerin
von u.a.Uri Avnerys wöchentlichen Artikeln und seit 45 Jahren
mit dem Nahostkonflikt im Kontext der europäischen Geschichte
befasst --- eben weil dieser mit unserer, obszönen deutschen
Geschichte zu tun hat.