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Der
Zentralrat der Juden vermisst Solidarität
Abraham Melzer - August 2014
Dieter Graumann vom Zentralrat der Juden hat sich wieder gemeldet, als
„bewusster und selbstbewusster“ Jude. Ich finde „selbstbewusste" Juden
genauso widerlich wie selbstbewusste Deutsche oder selbstbewusste
Israelis. Es wäre uns allen lieber er hätten sich als kritischer und
selbstkritischer Jude geäußert. Wenn er das aber nicht kann, dann hätte
ich mir gewünscht, dass er schweigt.
Er behauptet auf deutschen Straßen sei „gegrölt“ worden, dass Juden
„vergast, verbrannt und geschlachtet“ werden sollen. Wo hat er das
gehört? Ich frage mich was er damit bezweckt. Ich will nicht abstreiten,
dass es den einen oder anderen Antisemiten noch in Deutschland und
anderswo gibt, aber sind diese Ewiggestrigen tatsächlich eine Gefahr für
uns Juden? Ich lebe seit mehr als 50 Jahren in diesem Land und es sind
mir schon alle möglichen und unmöglichen Vorurteile gegenüber Juden
begegnet. Echten Antisemitismus, damit meine ich Hass nur weil Jude bin
und vielleicht auch noch die Absicht mich deshalb zu „vergasen,
verbrennen oder gar schlachten“, ist mir niemals begegnet.
Muss Graumann, als Präsident des Zentralrats der Juden, nicht
vorsichtiger sein mit seiner Wortwahl und nicht noch mehr Öl ins Feuer
gießen? Will er die Mitglieder seiner jüdischen Gemeinden so
verunsichern, dass sie tatsächlich die Koffer packen und nach Israel
auswandern, wo sie als „bewusste und selbstbewusste“ Juden leben können,
immerhin den arabischen Bürgern überlegen. Wenn er tatsächlich glaubt,
dass hier Juden „vergast, verbrannt und geschlachtet“ werden sollen,
dann soll er schnellstens ein solches Land verlassen. Ich jedenfalls
würde es tun. Wenn Frau Knobloch tatsächlich ihre Seele in Israel hat,
dann soll sie doch nach Israel auswandern, denn man kann ihr doch nicht
zumuten ohne Seele zu leben. Andererseits stelle ich immer wieder fest,
dass sie ganz gut auch ohne Seele auskommt. Dort wo andere Menschen eine
Seele haben, hat sie und ihr Nachfolger Graumann, offensichtlich einen
Davidstern.
Er tut so, als ginge gerade das Novemberpogrom von 1938 in die
Verlängerung, die Öfen in Auschwitz schon wieder brennen würden und wir
kurz vor einem neuen Holocaust stünden. Dabei werden Palästinenser in
Gaza ermordet und nicht Juden in Berlin. Er identifiziert sich
hundertprozentig mit Israel, gibt sich aber scheinheilig empört, wenn
man ihn ernst nimmt und ihn mit Israel identifiziert.
Er bezeichnet sich als „stolzer Jude“. Worauf ist er denn stolz? Er ist
von Geburt Jude, wie wir alle auch. Wir können nichts dafür. Genauso wie
die Kinder in Gaza nichts dafür können, dass sie in Gaza geboren wurden.
Das ist noch kein Grund zum Stolz sein. Anders war es, als Robert
Weltsch während der Judenpogrome der Nazis die Juden aufgerufen hat:
Tragt ihn mit Stolz, den Judenstern. Er meinte aber ganz was anderes. Er
wollte sagen: Schämt euch nicht. Denn genauso wie ich keinen Grund habe
auf meine Herkunft stolz zu sein, habe ich auch keinen Grund mich dafür
zu schämen. Stolz und Scham sind individuell und betreffen eigene
Leistungen oder Verfehlungen. Natürlich verlangte eine solch kollektive
Verfehlung wie die Ermordung von sechs Millionen Juden auch eine
kollektive Scham.
Ich behaupte, dass Graumann leichtsinnig und leichtfertig die Juden in
Deutschland erschreckt und verunsichert hat. Das ist unverantwortliche
Hetze. Er beklagt sich, dass es keine Welle der Solidarität angesichts
der Welle von Antisemitismus gibt. Ich lebe auch in Deutschland, so wie
er, und ich sehe nirgends eine Welle des Antisemitismus. Es gibt diese
Welle offenbar nur in seinem Kopf und womöglich ist es nur ein
Wunschdenken seiner Vorgesetzten in Jerusalem, die damit eine Welle der
Einwanderung nach Israel verursachen wollen.
Graumann beklagt das Fehlen von Solidarität. Solidarität mit wem? Es
drängt sich zwingend die Frage auf, welche Art von Solidarität er
eigentlich vermisst? Ist es vielleicht eine Solidarität mit Israel und
seinem Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser in Gaza? Jeder sieht
doch, dass Israel physische und strukturelle Gewalt gegen eine
Zivilbevölkerung ausübt, die sich kaum wehren kann und Israel behauptet
dabei noch, dass es sich „nur“ verteidigt. Wenn so Verteidigung
aussieht, dann möchte ich nicht wissen wie Angriff sein könnte. Ist denn
tatsächlich jedes Mittel recht, um ein Ziel zu erreichen? Graumann
unterstützt diese Verteidigungslüge. Wie kann man sich mit einem solchen
Israel, das unschuldige Frauen und Kinder tötet und Hunderttausende in
die Flucht zwingt, solidarisieren?
Es sieht leider danach aus, als würde dieser Appell an die menschliche
Dummheit auch weiter in Gebrauch bleiben. Wie lange noch? Wann werden
die Menschen endlich Mut haben zu sagen: Es reicht. Man muss wirklich
kein Antisemit sein, um Israels kriminelle Politik zu kritisieren und
seltsamer Weise sind es gerade die bekannten Antisemiten wie Wilders in
Holland und Le Pen in Frankreich, die Israels Politik unterstützen.
Offensichtlich hassen sie die Moslems noch mehr als die Juden.
Die Palästinenser, die von den Stiefeln der israelischen Besatzer
getreten und unterdrückt werden, haben nun in Gaza wieder einmal
revoltiert. Es ist ja nicht das erste Mal und es wird sicher auch nicht
das letzte Mal sein. Nicht sie haben diesen Krieg begonnen. Dieser Krieg
ist ihnen aufgezwungen worden. Er hat schon vor mehr als
hundertundfünfzig Jahren begonnen, als die ersten Zionisten begannen das
Land zu besiedeln und es zu „judaisieren“. Dennoch hat es mehr als
fünfzig Jahre gedauert bis es zum Konflikt kam. Der Widerstand der
Palästinenser begann erst, als sie merkten, dass es den Juden nicht nur
um eigene Siedlungen geht, sondern letztendlich um die politische
Machtübernahme und die Vertreibung der Ureinwohner, der Palästinenser.
Spätestens nach der Balfurdeklaration von 1917 haben sie erkannt, dass
es den zionistischen Siedlern um viel mehr ging, nämlich, um einen
jüdischen Staat in dem die Palästinenser keinen Platzt hatten. Das
Hauptproblem ist auch nicht der momentane Krieg gegen Gaza. Das
Hauptproblem und der Grund für den Unfrieden ist die ungerechtfertigte
und völkerrechtswidrige Besatzung des Restlandes, dass den
Palästinensern übrig blieb und worauf sie endlich ihren eigenen Staat,
der ihnen von der UN zugesagt wurde, errichten wollen.
Graumann und seine Freunde werfen der Hamas vor, sie würde sich hinter
der Zivilbevölkerung verstecken und Israel hätte deshalb keine andere
Wahl als diese Zivilbevölkerung, auch wenn es Kinder sind, zu töten.
Unabhängig davon, dass das eine freche, zynische Lüge ist, stellt sich
die Frage wo sich die Kämpfer der Hamas verstecken sollen. Die
israelischen Soldaten verstecken sich hinter Panzer oder kämpfen von
oben, wo man sie nicht treffen kann. Die Kämpfer der Hamas verstecken
sich hinter ihrer Bevölkerung, wie sich Churchil im Zweiten Weltkrieg
hinter seiner Bevölkerung versteckt hat. Er ließ es zu, dass man die
Kinder aus London aufs Land evakuiert hat. Wohin sollen aber die Kinder
aus Gaza evakuiert werden? Stalin hat der Zivilbevölkerung von
Stalingrad verboten die Stadt zu verlassen. In Algerien haben sich die
Widerstandskämpfer in den Häuser der Zivilbevölkerung versteckt. Wo
sonst? Und die Rebellen von Mao Tse Tung versteckten sich innerhalb der
Zivilbevölkerung wie, so wörtlich Mao, Fische im Wasser. Die Juden haben
auch in Privathäuser, Krankenhäuser, Schulen und Synagogen ihre
illegalen Waffen vor der englischen Besatzungsarmee versteckt und nahmen
in Kauf, dass unschuldige deswegen verhaftet oder gar getötet wurden.
Warum tut man so, als ob das eine palästinensische Erfindung und
palästinensische Unverantwortlichkeit sei? Weil die Öffentlichkeit
überall auf der Welt immer noch mit zweierlei Maß urteilt. Was allen
anderen erlaubt ist, ist den Palästinensern offensichtlich verboten.
Die aussichtslose Lage in der sich Palästinenser und Israelis befinden
ist das Ergebnis der israelischen Rücksichtslosigkeit und Brutalität mit
der sie das gesamte palästinensische Volk unterdrücken. Eines der
Elemente dieser Unterdrückung ist die kompromisslose Belagerung von
Gaza, die der Bevölkerung nicht erlaubt und ermöglicht wie freie
Menschen zu leben. Schon seit mehr als hundert Jahren erklären die
Palästinenser, dass sie sich mit dieser Lage nniemals abfinden werden.
Das Tunnelsystem, der zu so vielen Toten Palästinensern und inzwischen
immerhin zu mehr als sechzig tote israelische Soldaten geführt hat, ist
kein Kriegsverbrechen, sondern eines der Wege zum Widerstand. Widerstand
gegen eine Besatzungsmacht ist aber im Völkerrecht verankert. Die Hamas
leistet Widerstand, wie seinerzeit die französische Resistenz oder die
russischen oder italienischen Partisanen. Die chauvinistische und
offensichtlich blind zionistische Jüdin Anetta Kahane schreibt aber in
der Rundscghau vom 04.08.2014, dass die Hamas „eine Bande von verrohter
islamischer Mörder“ sei. Was war denn dann der „Irgun“?
Israel sitzt in der Falle, in einer Sackgasse, in die Israel bewusst
selbst hineingetappt ist und nicht mehr herausfindet. Und nun kann
Israel nur noch Gewalt anwenden und wenn es nicht reicht, dann noch mehr
Gewalt. Und Herr Graumann ist auch noch stolz darauf und behauptet, dass
jeder, der es nicht gut findet, dass Israels moralischste Armee der
Welt, Frauen und Kinder in Massen tötet und dagegen auch noch
protestiert, ein Antisemit sei. Wie lange wollen wir uns diesen Unsinn
noch anhören? Wann werden er und seine Freunde endlich aufwachen und
merken, dass fast die ganze Welt diese Art der Verteidigung nicht gut
findet? Graumann und der Zentralrat der Juden werden vielleicht nie
aufwachen, weil sie schon längst, wie viele, sehr viele in Israel auch,
die Antwort dafür schon parat haben: Die ganze Welt ist gegen uns.
Der Kommandeur der Givati Brigade hat seine Soldaten aufgerufen Gott zu
vertrauen und die Palästinenser zu „vertilgen“. Zu vertilgen? Das
bedeutet, dass dieser Tagesbefehl ein Befehl zum Völkermord war. Wo war
Herr Graumann? Warum hat er nicht dagegen protestiert?
Und wen meinte seine Vorgängerin Charlotte Knobloch, wenn Sie behauptet,
dass die israelische Armee stellvertretend für die freie Welt kämpft und
„deren Werte gegen den barbarischen Terror verteidigt“? Hat denn nicht
schon Theodor Herzl, der Begründer des Zionismus, gemeint, dass der
Judenstaat ein „Bollwerk gegen die Barbarei“ sein würde? Dabei hat
ausgerechnet ein israelischer Religionsphilosoph, der berühmte Jeshajahu
Leibowitz behauptet, nachdem die Israelis nicht mehr bereit waren die
1967 eroberte Gebiete an die Palästinenser zurückzugeben, dass diese
Israelis Judeo-Nazis seien. Leibowitz war offensichtlich auch der letzte
große Prophet, den die Juden hatten. Er hat all das, was wir heute
erleben, vorausgesagt. Da verteidigen also Barbaren ihr Land gegen
Barbaren? Und welche Barbaren sind die Verteidiger und welche sind die
Angreifer? Schrieb nicht H.M. Broder vor einigen Jahren in der Jüdischen
Allgemeinen Zeitung, das die Israelis die „Täter“ seien und er fügte
hinzu: Aber es macht Spaß Täter zu sein, weil Täter länger leben.
Inzwischen ist aber auch den meisten Tätern der Spaß vergangen
angesichts der aussichtslosen Lage in der sie sich befinden. Wer da noch
Spaß hat, wie vielleicht Broder, ist zu bedauern.
Graumann hat niemals protestiert, als israelische Politiker und Militärs
von der israelischen Armee als von der „moralischsten Armee der Welt“
sprachen. Hat nicht die SS auch von der Reinheit ihrer Waffen
gesprochen? Eine Armee kann nicht moralisch sein. Das wäre ein
Widerspruch in sich selbst. Es gibt keine reinen Waffen. Wie kann denn
eine Waffe, mit der man Menschen tötet, rein sein? Wie kann denn eine
Armee, die gegen Kinder und Frauen kämpft, moralisch sein? Diese
moralischste Armee hat schon seit fast fünfzig Jahren nicht mehr gegen
eine andere Armee gekämpft, sondern hauptsächlich gegen Zivilisten und
schlecht organisierten Widerstandskämpfer, die sie nicht müde werden
Terroristen zu nennen. Gideon Levy nannte deshalb die israelischen
Luftwaffe-Piloten Kriegsverbrecher und wurde deswegen in Ashkelon fast
gelyncht.
Graumann hat bestimmt gegen Selbstmordattentate protestiert und diese
als unmenschlich bezeichnet. Zu Recht. Hat er auch dagegen protestiert,
dass ein feiger israelischer Pilot, der mitnichten sein Leben riskiert
hat, eine tausend Kilo Bombe auf ein Wohngebiet abgeworfen hat, nur weil
sich dort ein „mutmaßlicher Terrorist“ versteckt hielt? Bei einer
solchen Lage der Fakten hätte doch ein halbwegs anständiger deutscher
Richter, nicht einmal ein Haftbefehl ausgestellt.
Graumann soll doch endlich aufhören so selbstgerecht und so heuchlerisch
zu sein. Wir Juden wollen normal und in Ruhe leben und genießen die
Solidarität einer Bevölkerung, die uns längst akzeptiert und zu der wir
längst Vertrauen haben. Es ist zynisch und dumm diese Bevölkerung zu
diffamieren und ihr Antisemitismus vorzuwerfen, nur weil sie nicht
bereit ist den Wahnsinn der israelischen Regierung zu unterstützen.
Wobei ich aber diese letzte Aussage doch sehr einschränken muss, denn
sie ist nicht ganz richtig. Immer noch unterstützen große Teile der
deutschen Öffentlichkeit blind, taub und stumm die kriminelle Politik
Israels. Die Gründe dazu sind schlechtes Gewissen und falsch
verstandenen Lehren aus dem Holocaust.
Uns reicht es vollkommen, wenn Kirchen und feige politische Eliten sich
„vorbildlich positioniert“ haben, wie es Graumann betonte. Diese reisen
dann nach Jerusalem, als ob es Canossa wäre und beschwören die deutsche
Solidarität mit den Juden. Und natürlich nehmen sie immer wieder ihre
Hofjuden mit, weil sie so dumm sind zu glauben, dass diese ihnen
irgendwelche Türen öffnen können. Und wenn ihnen mal in Israel eine
Kritik an den dortigen Zuständen, wie zB in Hebron, versehentlich
ausrutscht und sie deswegen von Israelis und jüdischen Zionisten
angegriffen werden, dann wissen sie nichts besseres, als sich beim
Zentralrat der Juden oder bei der israelischen Botschaft zu
entschuldigen. Das finde ich als Jude widerlich.
Die Kritik gegen Israel wird in der ganzen Welt immer lauter. Nur
Graumann schweigt und jammert selbstgerecht und verlogen, dass keiner
auf Seite der Juden ist. Es wäre klüger und längst notwendig, dass
Graumann „die Juden“ aus diesem Konflikt heraushält, denn es geht um den
Staat Israel und nicht um die Juden und es geht weniger um die Existenz
des Staates Israel als um seine verheerende Politik. Es reicht uns, wenn
der israelische Botschafter hin und wieder seine Kompetenzen
überschreitet und sich in innerdeutsche Angelegenheiten einmischt und
die eine oder andere Partei kritisiert. Es reicht uns, wenn der
Botschafter im Namen aller Juden spricht und dabei spricht er nicht
einmal im Namen aller Israelis. Der Zentralrat vertritt die Juden in
Deutschland und nicht den Staat Israel und Graumann soll es ein für alle
Mal begreifen. Er erweist mit seiner Einmischung den Juden einen
Bärendienst. Juden werden mit Israelis immer wieder in einem Topf
geworfen und für die Politik Israels in Haft genommen. Und wenn das bei
Demos hin und wieder passiert, dann schreit Graumann verlogen und
heuchlerisch: Antisemitismus. Dabei wird er, aber auch seine Vorgängerin
Charlotte Knobloch und der ehemalige Mitglied des Zentralrat Michel
Friedmann und unzählige Jüdinnen und Juden nicht müde zu betonen, dass
Israel ihre geistige und moralische Heimat sei. Wenn das so ist, dann
sollen sie doch alle nach Israel auswandern. Keiner hindert sie daran.
Wenn sie aber trotz allem hier bleiben, weil es ihnen offensichtlich
hier besser gefällt, dann sollen sie doch endlich aufhören sich mit
einem kriegerischen und aggressiven Israel unkritisch und fast religiös
gläubig zu identifizieren. Tun sie es doch, dann sollten sie nicht so
naiv und selbstgerecht sein, wenn sie in solchen Zeiten wie diesen von
Opfern der israelischen Aggression angegriffen werden.
Es bleibt dem Zentralrat aber die BILD-Zeitung, die blind und aufrecht
sich mit Israel solidarisiert. Wie kann man dann behaupten, dass es
keine Solidarität mit den Juden gibt? Will der Zentralrat auch die
Menschen auf den Straßen dazu bewegen, Israel zu unterstützen? Die
Menschen auf der Straße sind aber nicht so blind, naiv und dumm. Sie
werden sich zu Recht von einem aggressiven Staat wie Israel abwenden.
Wenn aber Graumann Solidarität mit den Juden erwartet, dann erwarten die
Bürger von Graumann auch Solidarität mit ihrem Protest gegen Unrecht,
Gewalt und Unmenschlichkeit.
Ich habe als Jude früher gegen den unmenschlichen Krieg der Amerikaner
in Vietnam protestiert und bin deswegen auf die Straße gegangen. Nicht
einmal zusammen mit Leuten wie Joshka Fischer, denen das heute peinlich
ist. Ich habe auch gegen die Apartheid in Süd-Afrika demonstriert. Und
selbstverständlich habe ich mit den Weißen, und darunter viele Juden,
die in den USA für die Gleichberechtigung der Schwarzen demonstriert und
oft genug ihr Leben riskiert haben. Ich würde mich als Verräter an
meinen Idealen und meiner Erziehung betrachten, wenn ich die
Palästinenser heute im Stich lassen würde. Deshalb schäme ich mich auch
nicht zu rufen: Ich bin ein Palästinenser.