Vor zwei Wochen versuchten
zwei Mitglieder der Gruppe Palästina Forum
Kontakt aufzunehmen mit dem Kulturzentrum
Klapperfeld in Frankfurt zwecks
Feststellung, ob man dort die Ausstellung
zur Administrativhaft in Israel ausrichten
könnte. Hier die Stellungnahme des
Kulturzentrum und die Antwort von Abraham
Melzer.
Stellungnahme des
Kulturzentrum
Vor zwei Wochen waren zwei Vertreterinnen
von euch bei uns im selbstverwalteten
Kulturzentrum Klapperfeld auf dem Plenum mit
einer Anfrage. Diesbezüglich wollen wir euch
nun mitteilen, dass wir die Ausstellung des
Vereins Handala E.V. zur Administrativhaft
in Israel nicht im selbstverwalteten
Kulturzentrum ehemaliges Polizeigefängnis
Klapperfeld zeigen wollen. Dieser
Entscheidung liegt eine Diskussion im Plenum
vom 25.02.2014 zugrunde, deren Argumentation
wir euch hier darstellen wollen.
Auseinandersetzungen mit den Formen
staatlicher Repression zu führen ist für uns
im Klapperfeld eine Thematik, die uns für
unsere politische Tätigkeit an diesem Ort
sehr naheliegt. Daher finden wir eine
Auseinandersetzung mit dem Thema
Administrativhaft grundsätzlich interessant.
Für die Auseinandersetzung mit der
Ausstellung des Vereins Handala zur
Administrativhaft in Israel fehlte uns
allerdings eine Kenntnis der
Ausstellungsinhalte. Dieser Umstand ist aber
nicht der Grund für unsere Ablehnung eurer
Anfrage.
Offen gesagt sind wir nicht bereit weder mit
Handala E.V. noch mit dem Palästina Forum
FFM eine Ausstellung zur Administrativhaft
in Israel und ein damit verbundenes
Begleitprogramm in den Räumen des
Klapperfeld durchzuführen. Dies aus
folgenden Gründen:
Die Positionierungen beider Gruppen zum
Nahostkonflikt finden wir problematisch und
unvereinbar mit unseren grundlegenden
Einstellungen zu politischen Zielen und
Zwecken unserer Arbeit im selbstverwalteten
Kulturzentrum Klapperfeld.
Die Situation der als Palästinenser_innen
lebenden Menschen wird von beiden Gruppen
ausschliesslich als Resultat der Politik des
Staates Israel verhandelt. Eine historische
Einordnung der Bedingungen der Existenz des
Staates Israel findet aus dieser Perspektive
nicht statt. Zudem erkennen wir, in der
Weise wie sich von Seiten beider Gruppen
beider auf den Staat Israel und sein
Verhältnis zur Situation der
Palästinenser_innen bezogen wird, Denkmuster
welche antisemitische Stereotype beinhalten.
Auch wenn Handala E.V. keine expliziten
Aussagen zur israelischen Politik tätigt, in
denen antisemitische Denkmuster auftreten,
finden wir bei Handala E.V. implizite Bezüge
auf antisemitische Projektionen gegenüber
Israel. Handala E.V. bezieht seinen Namen
von der Comicfigur des Jungen Handala, der
von dem palästinensischen Cartoonist Naji
Al-Ali entworfen wurde. Handala E.V.
schreibt dazu „'Handala' ...ist ein Sympbol
für die palästinensische Machtlosigkeit
gegen die Besatzung Israels.“
Wir haben uns Comics von Al-Ali angesehen,
die auf www.handala.org zu finden sind und
stellen fest, die Comicfigur Handala stellt
sich vor allem als Botschafter einer Deutung
des Geschehens in Israel und Palästina dar,
die auf antisemitischen Stereotype
zurückgreift.
Einige Beispiele dieser Cartoons und ein
vergleichender Blick auf die Geschichte
antisemitischer Karikaturen – machen dies
eindeutig: Mit Davidsternen markierte
Figuren werden ausschliesslich mit hakigen
Nasen porträtiert. In anderen Bildern wird
die Durchsetzung einer UN-Resolution als
Fußballspiel dargestellt, doch das Erreichen
des Ziels, der Torschuss ist verhindert
einmal durch eine Mauer, einmal durch ein
Spinnennetz in deren Mitte sich jeweils ein
Davidstern befindet. In einem weiteren Bild
wird die selbe UN-Resolution als Cremetube
dargestellt, die Comicfigur Handala tritt
auf die Tube und stellt dar: Aus der Tube
kriecht eine Schlange, die mit Davidsternen
markiert ist. Müssen wir dazu wirklich noch
etwas sagen? Die Symbolisierung von Juden
als Ungeziefer, ist ein klassisches Bild aus
der Geschichte des Antisemitismus; die Rede
von der Macht der Juden oder in diesem Fall
gleichgesetzt – Israels über die Politik der
Vereinten Nationen ist eine Idee, die dem
Wahnsinn derer entspringt, die sich
antisemitisch die Welt deuten.
Auch wenn sich die Bilder selbst auf der
Homepage von Handala E.V. nicht
wiederfinden, halten wir deren Bezug auf die
Figur Handala für problematisch. Eine
Auseinandesetzung mit dem Antisemitismus in
den Comics scheint nicht stattzufinden bzw.
keine Relevanz für Handala E.V. zu haben.
Ebenso problematisch finden wir eine
einseitige Thematisierung der Situation der
Palästinenser_innen und des Konflikts im
Nahen Osten in den Veranstaltungen des
Vereins Handala E.V. Hier erkennen wir
ausschliesslich eine Thematisierung der
Politik Israels. Eine Auseinandersetzung mit
den anderen politischen Kräften welche die
Situation der Palästinenser_innen bestimmen,
scheint nicht in der Perspektive des Vereins
Handala zu liegen. Was ist eigentlich mit
der Situation linker oder sonstwie
emanzipatorisch eingestellter Menschen die
unter der Herrschaft der Hamas-Milizen
leben? Was ist mit der Situation der
Menschen in den Flüchtlingslagern in
Jordanien, denen dort grundlegende Rechte
vorenthalten werden? Gehört die
Auseinandersetzung mit der Situation dieser
Menschen nicht zur Sache einer
Propalästinensischen Gruppierung in
Deutschland?
Auch beim Palästina Forum Nahost müssen wir
eine Nähe zu antisemitischen
Weltanschauungen feststellen. Das Palästina
Forum lässt auf seiner Homepage
unkommentiert Aussagen Dritter über einen
Vergleich des Staates Israel mit dem
rassistischen Apartheidsystem Südafrika
stehen: „'Auch wenn Südafrika, im Gegensatz
zu Israel, nie geplant hatte, die schwarze
Bevölkerung aus dem Land zu vertreiben, so
war es doch ein rigides, grausames und
effizientes System der Rassentrennung und
Diskriminierung eines anderen Volkes.
Ähnlich, vielleicht aber raffinierter und
hinterlistiger, ist das israelische System.'
(aus dem Vorwort von Abraham Melzer,
Jüdische Stimme für einen gerechten
Frieden)“.
Den Vorwurf sich antisemitischer Stereotype
zu bedienen muss sich schliesslich auch ein
jüdischer Publizist gefallen lassen. Hier
wird nicht nur die Apartheid in Südafrika
verharmlost. Es wird auch der Politik
Israels ein bösartiger Charakter
zugeschrieben. Müssen wir denn noch
expliziter auf die Nähe dieser
Charakterisierung zu antisemitischen
Projektionen verweisen? Für uns ist das
eindeutig: Eine Nichtkommentierung solcher
Aussagen von Seiten des Palästina Forum
Nahost ist auch ein Kommentar aus dem wir
nur eine stillschweigende Zustimmung zu
diesen Aussagen lesen können.
Wir könnten unsere Beispiele noch
fortsetzen. Wir denken allerdings, dass
diese Beispiele als symptomatisch für die in
den beiden Gruppen vorherrschende
Weltanschauungen gelesen werden können.
Bezeichnend hierfür bleibt für uns auch die
Äusserung einer Vertreterin des Palästina
Forum Nahost in unserem Plenum, mit welcher
sie die israelischen Behörden in Bezug auf
die Adminstrativhaft mit der deutschen SS
gleichsetzte.
Wenn Antisemitismus so leichtfertig in die
eigene Sicht auf die Geschehnisse auf der
Welt – insbesondere in Israel und Palästina
Eingang finden kann, und eine
Auseinandersetzung damit offenbar nicht
stattfindet, sehen wir keinen Grund den
beiden Gruppen Vertrauen in ihr
Selbstverständnis zu geben, das mit unseren
grundlegenden Einstellungen zu politischen
Zielen und Zwecken unserer Arbeit im
Klapperfeld vereinbar wäre. Für uns gehört
dazu die Bereitschaft zur Reflexion auch des
eigenen Selbstverständnisses in Bezug auf
herrschaftsaffirmative Ideologien, wie u.a.
Antisemitismus, Homophobie und Rassismus.
Diese wäre für uns eine Grundlage einer
sachlichen Auseinandersetzung mit der
Thematik Adminstrativhaft in Israel, zu
natürlich auch konträre Positionen gehören.
Beim Palästina Forum Nahost und bei Handala
E.V. hat so scheint es uns solche Reflexion
keine wirkliche Relevanz.
Unser Eindruck schließt nicht aus, dass wir
uns täuschten. Aber wir haben unsere Gründe
dargelegt und die halten wir für
stichhaltig. Dennoch bleiben wir nicht ohne
Hoffnung, dass unsere Kritik an den
Einstellungen, die wir in beiden Gruppen
ausmachen, zumindest gelesen wird,
vielleicht sogar Diskussionen innerhalb der
Gruppen anregen kann.
Das Plenum der Initiative Faites Votre Jeu!
-
Faites votre jeu! | Klapperfeldstraße 5 |
60313 Frankfurt
Infotelefon: 0163 9401683 | E-Mail:
faitesvotrejeu@yahoo.com | Web:
www.faitesvotrejeu.tk
Antwort von
Abraham Melzer
- Sehr geehrte Frau Artur,
da Sie mich in Ihrem Pamphlet namentlich
erwähnen, möchte ich auch direkt antworten.
Schade nur, dass ich mich wieder mit
„antideutschen“ Argumenten auseinandersetzen
muss, die absurder und primitiver nicht sein
können. Ich bin durchaus bereit mir Vorwürfe
anzuhören, wenn diese berechtigt sind und
sachlich vorgetragen werden. Ich lege aber
keinen Wert darauf von Leuten belehrt und
kritisiert zu werden, die nicht wissen wovon
sie reden und schreiben. Es wäre schon
nützlicher gewesen, wenn Sie Ihre
lächerliche Diffamierung mit Fakten und
sachlichen Argumenten belegt hätten, statt
mir eine Nähe zu „antisemitischen
Stereotypen“ vorzuwerfen, die Sie mit keinem
Wort und keinem Beispiel belegen konnten.
Dass in Südafrika ein Apartheidsystem
herrschte ist wohl unbestritten und dass in
Palästina ein grausames und effizientes
System der Unterdrückung und Diskriminierung
der Palästinenser herrscht, weiß inzwischen
jedes Kind. Israel kann das selbst mit
seinem gewaltigen Propagandaapparat nicht
verheimlichen. Dass Sie aber in der
Tatsache, dass ich beide Systeme vergleiche
eine „antisemitische Stereotype“ sehen, ist
weniger mein Problem als Ihres, denn gerade
das zeigt mir, dass bei Ihnen und
ihresgleichen überhaupt keine Bereitschaft
und wahrscheinlich auch keine Fähigkeit zur
Reflexion vorhanden sind. Sie beharren immer
wieder auf Positionen, die aus dem Lehrbuch
der israelischen Propaganda stammen, statt
die Augen zu öffnen und zu sehen wie die
Lage wirklich ist.
Ausgerechnet heute, am 13.3.2014, schreibt
Haaretz im Beitrag der Redaktion, dass die
Araber in Israel systematisch benachteiligt
werden. Die öffentlichen Ausgaben für einen
arabischen Bürger sind weniger als die
Hälfte dessen, was man für einen jüdischen
Bürger ausgibt. Die arabischen Gemeinden
erheben 60% weniger Steuern, als jüdische
Gemeinden, weil ihnen die Einnahme aus
gewerblich genutzten Flächen fehlt, da die
Regierung ihnen keine Gewerbeflächen
genehmigt. Das ist nur ein Beispiel für
Apartheid – es gibt noch viele weitere
Beispiele, die man sehen kann, wenn man
sehen will.
Eine Änderung zum Positiven kann im
Nahostkonflikt erst dann erfolgen, wenn das
Unrecht eingesehen worden ist, welches man
dem palästinensischen Volk getan hat, wenn
Leute wie Sie endlich einsehen und
anerkennen, dass die Palästinenser anstelle
der Deutschen den Preis für den jüdischen
Holocaust bezahlt haben. Die
Wiedergutmachung, die Deutschland bezahlt
hat kann nicht wieder gut machen, dass das
Lebensglück der Israelis dadurch erkauft
wurde, dass ein anderes Volk, die
Palästinenser, totunglücklich wurden. Und
ich bin es leid mich mit Menschen
auseinanderzusetzen, die niemals in
Palästina waren und niemals mit Opfer und
Täter gesprochen haben und ihr Wissen nur
aus der überaus reichlich vorhandenen
zionistischen Propaganda beziehen und das
mit einer ziemlich verkorksten Ideologie
vermischen, die zu nichts Gutem führt und
nicht einmal lächerlich, sondern nur noch
traurig ist.
Die Welt um Israel ändert sich täglich und
auch Israel ändert sich, aber die blinden
und tauben Freunde Israels wollen es nicht
wahrhaben. Für sie ist Israel das ewige
Opfer, auch wenn es längst schon Täter
geworden ist.
Auch Sie scheinen zu jenen Leuten zu
gehören, die besser zu wissen meinen, wovon
Sie eigentlich nicht die geringste Ahnung
haben. Sie geben zu, dass Ihnen eine
„Kenntnis der Ausstellung fehlt“, gleichwohl
maßen Sie sich an ein Urteil abzugeben, über
die Ausstellung, über die Gruppen, die sie
ausrichten wollen und nicht zuletzt über
mich. Sie können sich vorstellen, dass ich
nicht sehr amused bin darüber, dass Sie mich
zum Kronzeugen für Antisemitismus machen und
auch darüber, dass Sie den Palästina Forum
ebenfalls in Ihre Antisemitismus Fantasien
einbeziehen.
Sie beklagen sich, dass wir die Situation
der „als Palästinenser/innen lebenden
Menschen“ als Resultat der Politik des
Staates Israel betrachten. Es wundert mich,
warum Sie nicht in der Lage sind von
Palästinenser/innen zu sprechen. Es sind
demnach keine Palästinenser, sondern nur
„als Palästinenser“ lebende Menschen. Das
erinnert sehr an den berühmten Ausspruch der
zionistischsten aller israelischen
Ministerpräsidenten, Golda Meir, die
behauptet hat: Ich kenne keine
Palästinenser. Hier ist schon Ihre Sprache
die Verräterin Ihrer Gedanken, als ob es in
Wahrheit gar keine Palästinenser/innen gäbe
und diese nur eine Erfindung der Antisemiten
seien.
Ich beschäftige mich schon mein Leben lang
mit dem Konflikt zwischen Araber und
Israelis, ich bin in diesem Konflikt
hineingeboren, und da ist es vielleicht
möglich, dass mir entgangen ist, wer für die
Situation der Palästinenser verantwortlich
ist, obwohl mir in der Schule in Israel und
später in der Armee sehr deutlich und
gründlich beigebracht wurde, dass nur die
Palästinenser allein schuldig sind, denn sie
sind ja „freiwillig“ geflohen, während wir
sie doch gebeten haben zu bleiben. Ich habe
später erfahren, dass die Israelis für die
Nakba und die Situation der Palästinenser
verantwortlich sind. Sie aber wollen sagen,
dass die Palästinenser selbst schuld sind,
so wie Antisemiten uns weismachen wollen,
dass die Juden selber verantwortlich für den
Antisemitismus sind.
Ich erkenne es an, dass Sie sich gegen
Antisemitismus und Antisemiten engagieren.
Auch ich mag sie nicht. Aber noch weniger
mag ich Philosemiten wie Sie, die Juden
lieben, weil sie Juden sind und andere
Semiten hassen, weil sie keine Juden sind.
Ich bin Jude und dazu auch noch Israeli
(obwohl ich schon längst auf meine
israelische Staatsbürgerschaft verzichtet
habe), ich habe sogar in der israelischen
Armee gedient und weiß was ich weiß, was
auch meine ehemaligen Kameraden wissen und
wofür sich immer mehr Israelis schämen, auch
ich. Wir haben es nicht nötig von Menschen
wie Ihnen weißgewaschen zu werden, die nicht
dabei waren, als wir nachts arabische
Kinder, Frauen und Alte aus ihren Häusern
vertrieben und auf Lastwagen verladen haben,
um sie mehrere Kilometer entfernt wieder
abzuladen, damit sie zu Fuß zurückgehen.
Sinn der Aktion, nach Aussage der
verantwortlichen Kommandeure war sehr
simpel: Ihnen das Leben bitter zu machen,
damit sie bald „von selbst“ abhauen. Ihre
Schuld, die man ihnen vorwirft, ist, dass
sie nicht abgehauen sind.
Sie werfen uns Heuchelei vor, weil wir uns
angeblich nicht um die Situation anderer
Palästinenser kümmern, die womöglich von der
Hamas verfolgt werden oder solche, denen in
Flüchtlingslager in Jordanien grundlegende
Rechte vorenthalten werden. Als ob Sie und
Ihre Freunde sich dafür wirklich
interessieren. Wann haben Sie sich um deren
Schicksal gekümmert? Und was, wenn deren
Schicksal auch eine Folge der Vertreibung
und Verfolgung durch die Israelis ist?
Am meisten amüsiert es mich, dass Sie mir
den Vergleich mit der Apartheid übel nehmen,
Sie sehen in einem solchen Vergleich eine
Nähe zu „antisemitischen Weltanschauungen“.
Für Sie, wie für viele Philosemiten Ihrer
Art, ist Kritik an Israel bzw. am Zionismus
gleich mit „antisemitischer Weltanschauung“
verbunden. Dabei bezweifele ich, ob Sie
überhaupt wissen, was Antisemitismus ist und
was es bedeutet. Es ist schon absurd und
fast auch lustig, dass Sie mir beibringen
wollen, was Antisemitismus ist, nachdem mehr
als die Hälfte meiner Familie Opfer des
Antisemitismus geworden ist.
Über Antisemitismus sind viele Bücher
geschrieben worden aber eigentlich kann man
es in einem Satz erklären: Antisemitismus
ist Judenhass; wenn man Juden hasst, nur
weil sie Juden sind. Aus keinem anderen
Grund. Antisemitismus hat nichts mit Kritik
an der Politik des Staates Israel zu tun und
schon gar nicht mit der Kritik an der von
Israel praktizierten administrativen Haft.
Auch Kritik am Zionismus hat nichts mit
Antisemitismus zu tun und diejenigen, die
das behaupten bezwecken nur eines: die
Kritiker der israelischen Apartheidpolitik,
ob Juden oder Nichtjuden, als Antisemiten zu
diffamieren, was sie von der Notwendigkeit
befreit sich mit ihren Argumenten
auseinanderzusetzen. Bis 1966 lebten die im
Staatsgebiet von Israel gebliebenen Araber
unter Kriegsrecht. Sie durften ihre Dörfer
nicht ohne Erlaubnis verlassen, obwohl sie
israelische Staatsbürger waren. Sie hatten
nur nicht die vollen Rechte israelischer
Staatsbürger. Das hat sich zwar inzwischen
verändert, aber noch haben die Araber in
Israel nicht die vollen Rechte, zumindest in
der Praxis nicht.
Zionismus ist eine Ideologie, ähnlich wie
Nazismus, Kommunismus, Faschismus oder
Sozialismus, die ja auch nur Ideologien
sind, mit deren Hilfe man Menschen verführt
und Gehirne wäscht. Man kann dagegen sein
und man kann auch dafür sein. Es geht immer
um die Ideologie und nicht um die Menschen,
gleichwohl werden Menschen, die solche
Ideologien bewundern, von Gegnern bekämpft.
Wer also gegen den Zionismus ist, wie ich
und meine Freunde und noch viele Israelis
und Juden überall auf der Welt, ist nicht
zwangsläufig ein Antisemit, genauso wie
jeder, der den Nazismus bekämpft hat, nicht
zwangsläufig ein Feind aller Deutschen war
und ein Antikommunist nicht zwangsläufig ein
Feind des russischen Volkes bzw. aller
Russen war.
Was haben Sie denn schon für eine Ahnung wie
viele verschiedene Gruppierungen es unter
den Juden gibt? Als der Zionismus Ende des
19ten Jahrhundert entstanden ist, war nicht
einmal ein Prozent der europäischen Juden
gewillt dieser Ideologie zu folgen. Die
Juden in München haben verhindert, dass
Herzl den ersten Kongress in München
durchführen konnte, weil sie fast alle
nichts vom Zionismus wissen wollten. Erst
die Verfolgung der Juden in Osteuropa und
später in Mittel- und Westeuropa durch die
Nazis, hat viele Juden in die Arme der
Zionisten getrieben, obwohl mehr noch von
den Zionisten nichts wissen wollten und nach
Nord- und Südamerika ausgewandert sind.
Sie sollten also zur Kenntnis nehmen, dass
Zionismus nicht Judentum bedeutet und
Judentum nicht Zionismus.
„Wovon man nicht sprechen kann, darüber
sollte man schweigen“, schrieb einst der
Philosoph Wittgenstein. Mir scheint es, dass
Sie vom Konflikt im Nahenosten lieber
schweigen sollten und auch über Vergleiche
mit der Apartheid in Südafrika. Oder kennen
Sie die Worte von Erzbischof Desmond Tutu,
der sich ebenfalls für die Rechte der
Palästinenser eingesetzt hat. Ihm werden Sie
hoffentlich nicht vorwerfen, dass er
Antisemit sei bzw. „antisemitischen
Weltanschauungen“ verfallen ist und noch
weniger, dass er die Apartheid nicht kennt.
Er schreibt: „Mein Besuch im Heiligen Land
hat mich zutiefst erschüttert; es erinnerte
mich so sehr an das, was uns Schwarzen in
Südafrika zugestoßen war. Ich sah die
Demütigung der Palästinenser an den
Checkpoints und Straßensperren, die leiden
mussten wie wir, als uns junge weiße
Polizisten der Bewegungsfreiheit beraubt
hatten.“
Ich habe die Apartheid erlebt auf der Seite
der israelischen Armee, der nach Meinung der
israelischen Führung „moralischsten Armee
der Welt“, und muss sagen, dass sie brutal
und gnadenlos war.
Sie sind empört darüber, dass die
„Administrativhaft“ mit der SS verglichen
wurde. Was war denn die „Schutzhaft“, in die
die SS tausende von unschuldigen Juden,
Kommunisten und Homosexuellen genommen hat,
anders, als das, was die Israelis
„Administrativhaft“ nennen? Wie kann man
eine Einrichtung verteidigen und
verharmlosen, die inzwischen mehr als
zehntausend Menschen in Haft hält,
zwölfjährige Kinder, Erwachsene, die nichts
getan haben außer sich gegen die brutale und
gnadenlose Besatzung zu wehren und alte
Männer, die zum Teil schon seit über zwanzig
Jahren auf eine Verhandlung vor Gericht
warten?
Sie haben allerdings Recht, wenn Sie
Vergleiche mit der SS verurteilen.
Vergleiche sind gar nicht notwendig. Die
Taten der Israelis sprechen für sich und
sind allemal zu verurteilen, auch ohne
Vergleich. Man muss aber bereit sein diese
Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen und sich
mit ihnen vorurteilsfrei
auseinanderzusetzen. Wie kann man das aber
bewerkstelligen, wenn Ihnen die Inhalte der
Ausstellung unbekannt sind und Sie nicht
einmal bereit sind diese zur Kenntnis zu
nehmen, weil die Veranstalter angeblich
„antisemitischen Stereotypen“ anhaften und
sie deshalb die „historische Einordnung der
Bedingungen der Existenz des Staates Israel“
nicht genügend zu würdigen wissen. Findet
denn bei Ihnen und bei Ihren Freunden eine
relevante historische Einordnung der
Situation der Palästinenser statt? Wohl
kaum.
Wer soll denn an der misslichen Lage der
Palästinenser schuld sein? Ist es nicht so,
dass die Juden wegen des europäischen und
besonders des deutschen Judenhasses, nicht
zu Unrecht hungrig und gierig nach einem
eigenen Land waren? Ist es nicht so, dass
sie schon in dem ersten Zionistenkongress,
1897 in Basel, beschlossen haben Palästina
in Besitz zu nehmen, obwohl es auch
Alternativen gab und nicht alle Delegierten
mit Palästina einverstanden waren? Haben sie
nicht schon damals den Slogan ausgerufen und
verbreitet: Ein Land ohne Volk für ein Volk
ohne Land? Ein Slogan, der später von den
Nazis übernommen wurde.
Aber das Land war nicht unbewohnt, sondern
mit mehr als achthunderttausend
Palästinensern bevölkert, die in Städten wie
Jerusalem, Jaffa, Tiberias, Jericho,
Ramallah, Acco, Haifa u.a. und in mehr als
vierhundert Dörfer gewohnt haben und eine
gut entwickelte Infrastruktur besassen. Dann
kamen die Juden, die von der Landbevölkerung
gastfreundlich und friedlich aufgenommen und
angenommen wurden, erklärten sich zu „Gottes
auserwähltes Volk“, dem das Land vor
dreitausend Jahren von Gott persönlich
übergeben worden ist, und die Palästinenser,
die seit Generationen dort lebten, zu
Fremden im eigenen Land. Und es gelang ihnen
innerhalb eines halben Jahrhunderts mehr als
dreiviertel der Urbewohner zu vertreiben und
einen jüdischen Staat zu gründen. Die UN hat
1947 beschlossen ihnen, den Juden, 52% von
Palästina zu „schenken“, obwohl sie in der
Minderheit waren, und der palästinensischen
Mehrheit nur 48%, die 1967 noch auf 22%
reduziert wurden. Dabei gehörte das Land
nicht den Vereinten Nationen und wenn die
Europäer und Amerikaner ein schlechtes
Gewissen hatten, weil sie die Ermordung von
sechs Millionen Juden zugelassen hatten,
dann hätten sie doch etwas Land von ihrem
Territorium abgeben können. Es ist sehr
leicht und tut überhaupt nicht weh Land zu
verschenken, was einem nicht gehört. Das
sind nur Fakten und wer sie nennt ist noch
nicht einmal ein Antizionist, sondern einer,
der die geschichtlichen Fakten kennt. Im
Gegensatz zu Ihnen.
Und da wundern Sie sich noch, warum die
Palästinenser darüber nicht amused sind?
Würden Sie bereit sein Ihre Heimat an ein
anderes Volk zu verschenken, einem Volk dem
Sie und Ihr Volk nichts getan haben?
Und wie kommen Sie dazu Israelis, die dieses
Unrecht bedauern und beklagen und die die
zionistische Expansion Israels und seine
ungerechte und völkerrechtswidrige Politik
kritisieren, zu verurteilen? Würden Sie auch
heute noch behaupten, dass Thomas Mann, sein
Bruder Heinrich und viele bekannte und
unbekannte Deutsche, die sich gegen die
Nazis erhoben und gegen ihre Politik
protestiert haben, selbsthassende Deutsche
waren, wie es die Nazis getan haben? Die
Nazis waren zwar Deutsche, aber nicht alle
Deutsche waren Nazis.
Thomas Mann und alle anderen haben die Nazis
gehasst, so wie ich und viele andere
Israelis und Juden die Zionisten verachten.
Zionisten sind zwar auch Juden, aber nicht
alle Juden sind Zionisten und deshalb ist es
absurd zu behaupten, Antizionismus sei
Antisemitismus. Antizionismus ist und bleibt
Antizionismus, nicht mehr und nicht weniger.
Und es ist nicht unmoralisch und schon gar
nicht verboten, Ideologien zu hassen, zumal
wenn man moralische Gründe dafür hat, wie es
auch nicht verboten ist sie zu lieben, auch
wenn man keine Gründe hat, sondern nur von
Nationalismus und Fremdenhass zerfressen
ist.
Natürlich sieht die rechte, zionistische,
israelische Regierung im zivilen Protest
gegen ihre Politik keinen Akt der
Meinungsäußerung, sondern ein Verbrechen und
eine Beteiligung an den Boykottaufrufe gegen
israelische Waren steht inzwischen in Israel
unter Strafandrohung. Aber wenn der Boykott
Südafrikas schließlich zum Zusammenbruch der
Apartheidpolitik, nicht Südafrikas, geführt
hat, dann darf man auch hoffen, dass der
Boykott israelischer Waren und Einrichtungen
über kurz oder lang zum Zusammenbruch der
zionistischen Apartheidpolitik führen wird,
nicht Israels. Oder wie lange soll man
zusehen und schweigen, wenn Menschen, die
seit Jahrzehnten und Jahrhunderten auf ihrem
Land und in ihrem Haus wohnten, plötzlich
feststellen müssen, dass ihr Land „judaisiert“
wurde und sie ohne die mindeste
Entschädigung alles verlassen müssen?
Die arge Not der Menschen in Palästina, die
dort in der Tat als Palästinenser leben und
nicht als Juden, zwingt zum Widerstand gegen
die inhumane Politik der Zionisten, die über
das Land herrschen.
Ihre Reaktion verrät mir freilich, dass es
in unserem freien Land, in dem vor dem
Grundgesetz die Würde jedes Menschen
unantastbar ist, immer noch Menschen gibt,
die glauben, dass die Würde mancher Menschen
gleicher bzw. anderer Menschen wertloser
ist.
Ja, Sie haben Recht, wenn Sie feststellen,
dass der Politik Israels ein bösartiger
Charakter zugeschrieben oder gar unterstellt
wird. Die Politik des Staates Israel ist
rassistisch, nationalistisch, ungerecht und
in der Tat auch bösartig, zumindest
gegenüber den Palästinensern. Sie wollen es
nicht sehen, weil sie eine Antisemiten sind,
die die Juden und Israelis liebt und die
anderen Semiten weniger. Solche Antisemiten
nennt man Philosemiten. Tatsache ist aber,
dass Israel mit dieser Politik immer mehr
Freunde verliert, seit einigen Jahren auch
immer mehr jüdische Freunde und israelische
Bürger. Vielleicht ist es das, was Sie und
ihresgleichen bezwecken, wenn sie eine
solche grausame und unanständige Politik
verteidigen, wohlwissend oder ahnend oder
hoffend, dass es sich am Ende wie ein
Bumerang gegen Israel selbst wenden wird.
Ein letztes, vielleicht überflüssiges, Wort
zu den Handala Karikaturen. Wenn in den
Karikaturen oft der Davidstern auftaucht,
dann ist das nicht unbedingt ein Zeichen für
Antisemitismus, sondern liegt in der Natur
der Sache. Der Davidstern symbolisiert im
Nahostkonflikt nicht die Gesamtheit der
Juden, sondern den Staat Israel, der ja
nicht zufällig den Davidstern auf seiner
Fahne hat. Es ist Israel, welches mit aller
Macht versucht Zionismus und Juden
gleichzusetzen, auch wenn viele Juden gar
keinen Wert darauf legen und die
Palästinenser, die Israel inzwischen längst
anerkannt haben, müssen Israel nicht auch
noch als „jüdischen“ Staat anerkennen. Sie,
die Palästinenser, kämpfen gegen Israel und
nicht gegen die Juden.
In den vielen Karikaturen gegen die Nazis
kommt auch immer wieder das Hakenkreuz vor.
Auch da ging es nicht um Deutschland und
noch weniger um das Hakenkreuz, welches ein
altes indisches Symbol ist, sondern um die
Nazis, die ebenfalls das Hakenkreuz auf
ihrer Fahne hatten.
Es sind nicht die Palästinenser, die die
Welt antisemitisch deuten, sondern Menschen
wie Sie, die die Niederträchtigkeit und
Chuzpeh haben, berechtigte politische
Karikaturen mit den Karikaturen des Stürmers
zu vergleichen. Bei den Nazis ging es um
Rassenwahn und bei Handala geht es um
Befreiung, um den Kampf des schwachen und
unterlegenen palästinensischen Volkes um
Freiheit und Unabhängigkeit. Und es ist
üblich in Karikaturen zu übertreiben. Das
hat Grosz in seinen Karikaturen gegen die
Nazis auch getan. Und wenn es um die Macht
der Israelis geht, wobei es immer um Israel
geht und nicht um die Juden, dann entspringt
diese Vorstellung nicht dem „Wahnsinn derer,
die sich die Welt antisemitisch deuten“,
sondern derer, die unter der Macht der
Israelis tatsächlich leiden und sterben.
Leute wie Sie sind es, die sich die Welt
antisemitisch deuten, die im Kampf eines
Volkes um seine Freiheit, Unabhängigkeit und
um sein Land eine Judenphobie sieht bzw.
sehen will. Die Palästinenser haben vor
tausend Jahren auch um ihr Land gekämpft.
Damals waren es Christen, die es erobert
haben und sie v erdrängen wollten.
Es ist schon merkwürdig, dass ausgerechnet
diejenigen, die für die Veröffentlichung der
Muhammed Karikaturen eingetreten waren,
jetzt plötzlich vor Karikaturen warnen oder
sogar vor ihnen Angst haben. Dafür spricht
auch die Tatsache, dass der Erfinder und
Zeichner dieser Figur 1987 in London
ermordet wurde.
Die Figur Handala symbolisiert den
Freiheitskampf der Palästinenser und hat
nichts mit Antisemitismus zu tun und deshalb
haben Vereine wie Handala E.V. oder
Palästina Forum es nicht nötig sich mit dem
Antisemitismus auseinanderzusetzen, der für
sie nicht relevant ist. Vielleicht sollten
Sie sich noch intensiver mit dem
Antisemitismus beschäftigen, um zu erkennen,
dass nicht alles was gegen Israel spricht
und handelt auch tatsächlich antisemitisch
ist. Man muss wirklich nicht Antisemit sein,
um Israels Politik zu kritisieren und
Tatsache ist, dass ausgerechnet viele
Antisemiten in Deutschland, Frankreich,
Holland und anderswo Israel gar nicht
kritisieren, sondern bewundern. Denn der
Feind meines Feindes ist mein Freund und
Israel ist inzwischen auf solche Freunde
angewiesen, denn die nicht antisemitischen
Freunde Israels werden immer rarer.
Ich bezweifle allerdings ob Sie in der Lage
sind das alles zu reflektieren, die Pfade
der zionistischen Propaganda zu verlassen
und eigenständig nachzuforschen wie es
wirklich war. Und ich frage mich wann Sie
einsehen werden, dass ich allemal mehr
Rechte und Kompetenzen habe mein früheres
Land und die Armee, in der ich gedient habe,
zu kritisieren, als Sie das Recht haben
alles mit banalen und absurden Argumenten zu
verharmlosen.
Sie werden mir deshalb nicht
übel nehmen, wenn ich über Ihren Vorwurf ein
Antisemit zu sein nicht einmal lache und es
nicht einmal ignoriere.
Abraham Melzer - Jude und Antizionist
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