Leserbriefe
von Israel Shahak
Einige meiner in
hebräischen Zeitungen veröffentlichten Leserbriefe
Ein Exzeß an
Demagogie
Haarez,
Freitagsbeilage für Kultur und Literatur, 13. Dezember 1991
Im zweiten Teil seiner
Rezension von Tom Segevs Buch (Es gab keine Kollaboration, Kultur und
Literatur, 29. November) unterliefen Professor Jakov Schavit zwei
wichtige Verallgemeinerungen. Zunächst einmal behauptet er, daß "in den
dreißiger Jahren die zionistische Bewegung überhaupt noch nicht die
Macht hatte, die Emigration der Juden nach einem anderen Ort [als
Palästina] zu verhindern. Die Wörter "überhaupt noch nicht die Macht"
läßt einen Verdacht aufkommen. Ist es möglich, daß nur die formell vom
Völkerbund anerkannte jüdische Bewegung, die von einem mehr als jeder
andere Jude international verehrten Mann [Chaim Weizmann] angeführt
wurde, tatsächlich "überhaupt keine Macht" hatte? In zumindest einem
bekannten Falle hatte die zionistische Bewegung in der Tat keine Macht,
die Emigration von Juden in aufnahmewillige Länder zu verhindern. Ich
spreche von der Konferenz von Evian Ende 1938. Bei dieser Konferenz
drückten einige Staaten ihre Bereitschaft aus, Juden aus Deutschland
aufzunehmen, doch die zionistische Bewegung legte ein wirksames Veto
ein. Die ganze Geschichte ist ausführlich in einem Enthüllungsbuch von
S. B. Beit-Zvi "Der Post-Uganda-Zionismus in der Feuerprobe des
Holocaust", Bronfman, 1978 [in Hebräisch] beschrieben. Beit-Zvi beweist
zwingend, daß im fraglichen Falle die zionistische Bewegung genug Macht
hatte, um die Emigration der deutschen Juden in andere Ländern als
Palästina zu verhindern. Diese Macht war natürlich noch begrenzt und
hing in ihrer Größe von den Umständen ab. Dies bedeutet, daß jeder
entsprechende Fall einzeln untersucht werden sollte, um fehlerhafte
Verallgemeinerungen wie Schavits "absolut keine Macht" zu vermeiden.
Schavits zweite
Verallgemeinerung liegt darin, daß "der Aufstieg Hitlers zur Macht" ein
tödlicher Schlag für "die Stellung des jüdischen Volkes [in Europa]"
bedeutete und "es deshalb nur logisch war, daß nicht wenige der
zionistischen Führer Vorteile für den Zionismus aus dieser Lage
herausschlagen wollten, indem man den jüdischen Drang zur Emigration
nach Palästina förderte und die Briten zwang, die Gründe der Emigration
besser zu verstehen". Schavit sieht offensichtlich nichts Falsches in
der von ihm beschriebenen Tatsache. Sie scheint für ihn nichts mehr als
eine gute Gelegenheit zu sein, die Macht der zionistischen Bewegung zu
vergrößern! Unter diesen Umständen ist es für Schavit nur logisch, daß
die Juden lediglich als "Menschenmaterial" zur Erhöhung der Macht des
Zionismus und nicht als menschliche Wesen [behandelt wurden], deren Leid
eigenes Gewicht hat.
Ein spanisches
Beispiel
Hadaschot,
Freitagsbeilage, 14. Februar 1992
In ihrem Artikel über "den
neuen Distriktrichter Amnon Straschnov" (Hadaschot-Beilage, 24. Januar)
versäumt es Amira Segev, die entscheidende Frage zu stellen, wie
Straschnov zunächst Richter wurde. Die Antwort besteht darin, daß ein
Komitee, das teils aus Repräsentanten der politischen Autoritäten und
teils aus Vertretern der hohen unter strengster Geheimhaltung agierenden
Gerichtsbarkeit besteht, ihm dieses Amt aus unbekannten Gründen
übertrug. Da sich in diesem Jahr die Vertreibung der Juden aus Spanien
zum fünfhundertsten Male jährt und bei dieser Gelegenheit viel über
Spanien geschrieben wird, ist es nicht ganz unerheblich,
herauszustellen, daß die spanischen Inquisitoren in ihre Ämter auf genau
dieselbe Art und Weise wie heute die Richter im Staate Israel eingesetzt
wurden: durch ein geheimes Komitee, das zum Teil aus Repräsentanten des
Königshauses und zum Teil aus den Inquisitoren selbst bestand. Nebenbei
bemerkt, unter diesen Inquisitoren gab es einige brillante juristische
Köpfe, die in nichts unseren Richtern nachstanden.
Aber die Analogie zwischen dem
heutigen Staat Israel und dem Spanien von Isabella und Ferdinand dem
Katholischen endet hier nicht. Ähnelt z.B. die Vorstellung des
"Transfers" aller Araber aus den besetzten Gebieten, wie sie die
Moledet-Partei und andere [in Israel] fordern, nicht der Austreibung der
Juden durch die spanischen Monarchen? Wegen dieser Ähnlichkeit könnte es
ratsam sein, etwas darüber zu vermitteln, ob das, was für die spanische
Inquisition annehmbar war, nicht auch akzeptabel für das heutige Israel
ist. Vielleicht sind die Verfahren bei der Ernennung der Richter zum
höchsten Gericht in den USA ein klein wenig demokratischer, auch wenn
sie, wie es die Sensationshascherei während der Bestätigung von Clarence
Thomas beweist, ebenfalls entgegengesetzte Folgen haben?
Israelischer
Terrorismus
Hadaschot-Beilage, 8.
Mai 1992
Es ist schade, daß in einem
Artikel über israelische Spionage in Ägypten Jehoschua Meiri
(Hadaschot-Beilage 23. April) zwar die "Lavon-Affäre" behandelt, sie
aber nicht bei ihrem richtigen Namen "Terrorismus" nennt. Hätten die
Ägypter wie wir [in Ägypten] in israelische Postämter, Kinos und
Kulturzentrum Bomben gelegt, würden wir dies dann wie er
"Informationsbeschaffung" oder "Terrorismus" nennen?
Schade ist auch, daß Meiri die
Ziele dieses israelischen Terrorismus überging und nicht in ihren
politischen Zusammenhang stellte. Während der "Lavon-Affäre" hielt die
britische Armee noch große Teile Ägyptens besetzt. Während des
ägyptischen Guerillakriegs und anderer Formen des Volkswiderstands
erwogen die Briten einen Rückzug ihrer Truppen und dabei die Anerkennung
der ägyptischen Souveränität. Der israelische Terrorismus [der "Lavon-Affäre"]
sollte in britischen Augen ägyptischer Terrorismus sein, mit dem sich
die Hoffnung verband, die Briten davon zu überzeugen, in Ägypten "ewig"
zu bleiben, um einmal Schamirs Phrase zu benutzen, die er jetzt auf die
besetzten Gebiete anwendet. Die israelische Regierung betrog sich selbst
in der Annahme, Ägypten könne für immer unter fremder Herrschaft
bleiben. In Wirklichkeit verursachte der israelische Terrorismus jener
Zeit eine dauernde Eskalation des Kriegszustands, der sich noch immer
ausweitet, und zwar aus dem einfachen Grund, weil sich Israel nie mit
der faktischen Unabhängigkeit eines arabischen Staates abgefunden hat.
Die Halacha
unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Mord
Haarez, 14. Mai 1992
In seinem wichtigen Artikel
("Wenn die Straße rebelliert", Haarez, 6. Mai) beschreibt Uzi Benziman
die vorhandene gesetzliche Unterscheidung zwischen Juden und Arabern
(genau zwischen Juden und Nichtjuden) und überdenkt die Folgen. Doch der
Artikel behandelt das Problem nicht erschöpfend. Man könnte die Frage
stellen, welche Juden diese Unterscheidung bis zu welchem Grad
begünstigt. So könnte man z.B. fragen, ob Juden den Mord an einem
Nichtjuden durch einen Juden als ein schweres Verbrechen betrachten, das
eine angemessene Strafe erfordert?
Die Antwort ist klar: Die
Halacha legt das Gebot "Du sollst nicht töten" in derselben Art wie die
weltlichen Juden aus. In der Halacha gibt es einen qualitativen
Unterschied zwischen einem Mord an einem Juden durch einen Juden, einem
Mord an einem Juden durch einen Nichtjuden, einem Mord an einem
Nichtjuden durch einen Juden und den Mord an einem Nichtjuden durch
einen Nichtjuden. Den letzten Fall stuft die Halacha als "durch eine
rabbinische Vorschrift verboten" ein. Dies bedeutet, daß eine
Übertretung dieses Verbots nichts mehr als eine läßliche Sünde ist. Die
Halacha legt auch fest, daß der Mord an einem Nichtjuden durch einen
Juden überhaupt nicht bestraft werden soll. Die Strafe bleibt Gott
vorbehalten.
Die Kabbala zeigt gegenüber den
Nichtjuden eine noch größere Verachtung als die Halacha; sie legt fest,
daß die Seelen der Nichtjuden verabscheuungswürdig und satanisch sind.
Diese Haltung erreicht ihr Extrem im Chabad-Chassidismus.
Nach den beschriebenen
Einstellungen richteten sich nicht wenige Rabbiner und religiöse
Politiker oder gewöhnliche Religiöse oder traditionsbewußte Juden. Da
die weltliche jüdische Öffentlichkeit einer dauernden Gehirnwäsche
seitens der religiösen [Juden] oder "Experten" des Judaismus ausgesetzt
ist, kann sie eine Vergleichbarkeit der neonazistischen Skinheads in
Deutschland mit den Haredim und der Mehrheit der religiösen Juden in
Israel nicht feststellen. In der Realität stehen beide jedoch eng
beieinander.
Wer ist Demokrat im Nahen Osten?
Haarez, 17. Juni 1992
Obgleich ich schon lange für
einen israelischen Rückzug aus den besetzten Gebieten eintrete, wie ihn
Achmad Tibi ("Ein Bürger mit dem Status eines verdächtigen Objekts",
Haarez, 5. Juni) vorschlägt, kann ich mich mit seinem Ausdruck
"erobertes arabisches Territorium", den er in diesem Zusammenhang
benutzt, nicht anfreunden. Nach meiner Sicht gibt es keine arabischen
oder jüdischen oder kurdischen Gebiete. Was existiert, sind die
eroberten oder unterdrückten Völker.
Ich weise auch Tibis Forderung
zurück, daß Israel in den Nahen Osten, so wie er jetzt besteht,
integriert werden sollte. Ich betrachte diese Forderung als
unverträglich mit seinen anderen Forderungen: Demokratie und Gleichheit
für alle israelischen Bürger.
Es ist auch unverträglich mit
seiner Kritik des gesetzlich verbindlichen Konzepts von Israel als
"[ausschließlich] ein Staat der Juden". Ich teile Tibis Kritik voll und
ganz.
Alle arabischen Staaten sind
vom Gesetz her als arabische und/oder moslemische Staaten (oder wie der
Libanon als multireligiöse) Staaten definiert. Es gibt kein arabisches
Land, das allen seinen Bürgern gleiche Rechte gewährt. In keinem
arabischen Land haben die Frauen die gleichen Rechte wie Männer. Tibi
meint, daß eine Heirat zwischen amerikanischen und marokkanischen oder
äthiopischen Juden nur selten stattfindet. Dies trifft zu. Zumindest
gibt es jedoch in Israel kein Gesetz, das solche Eheschließungen
zwischen Menschen, die dies wünschen, verbietet. (Ebensowenig gibt es
solch ein Gesetz in den USA.) Andererseits heiraten moslemische und
christliche Palästinenser nicht selten nach ihrer eigenen Wahl, werden
aber an solchen Eheschließungen gehindert, sei es in Israel oder in
einem arabischen Staat.
Diejenigen, die wirklich
Demokratie und Gleichheit für alle israelischen Bürger wollen, sollten
die fehlende Demokratie und die fehlenden gleichen Rechte in arabischen
Staaten kritisieren. Und diejenigen, die wünschen, daß Israel in den
Nahen Osten integriert wird, sollten sehen, daß solch eine Integration
nur möglich ist, wenn es im Nahen Osten nur demokratische Staaten gibt.
Scharons Imperium
Hadaschot-Beilage,
19. Juni 1992
Ich frage mich, wie es kommt,
daß Ilan Hauser im Interview mit Ronald Fischer über die Invasion in den
Libanon im Jahre 1982 (Hadaschot-Beilage 5. Juni) es fertig brachte,
Scharons Motive für die Invasion zu vergessen, obwohl Scharon seine
Gründe schon öffentlich dargelegt hat. Ende Dezember 1981 brachte die
[hebräische] Presse den Text einer Rede, die Scharon an der Universität
von Tel Aviv halten sollte. Die beste Analyse dieser Rede lieferte Zvi
Timor im Al Hamischmar (24. Dezember 1981).
Ich stimme Timor zu, wenn er
meint, die Invasion im Libanon von Scharon und einigen anderen sei als
erster Schritt beim Ausbau eines israelischen Imperiums vorgesehen
gewesen, das von "Algerien oder Marokko" im Westen bis nach China im
Osten und von Kenia oder sogar Südafrika im Süden bis zur UdSSR im
Norden reichen sollte. Wäre die Invasion militärisch erfolgreich
gewesen, hätte man sie weitergeführt, bis die israelische Armee weit weg
von Israels Grenzen eine schwerere Niederlage als jemals in der
Geschichte des Staates Israel erlitten hätte.
Sollte Scharon je wieder [in
Israel] an die Macht zurückkehren, so wird er selbstverständlich wieder
sein Glück versuchen, ein israelisches Imperium zu errichten. In diesem
Falle wird sein zweites Fiasko viel schlimmer als sein erstes sein.
Mord gemäß der
Halacha
Haarez, 26. Juni 1992
Die kürzliche Ermordung des
ägyptischen Schriftstellers Faraj Foda durch moslemische Fanatiker ist
eine gute Gelegenheit, uns selbst die Frage zu stellen: Was sagt die
jüdische Halacha über ähnliche Fälle?
Maimonides' maßgebliches [halachisches]
Kompendium Mischne Tora, "Buch der Richter", Abschnitt "Häretiker", legt
in Kapitel 3 fest, daß "ein Jude, der nicht an das mündlich überlieferte
Gesetz glaubt, als Häretiker zu betrachten ist und von jedem getötet
werden kann (d.h., daß jeder Jude das Recht hat, ihn zu töten) ... und,
nachdem er hinsichtlich des mündlich überlieferten Gesetzes als
Häretiker bekannt wurde, er niedergeworfen und nicht aufgehoben werden
sollte (d.h., daß sein Tod indirekt herbeigeführt werden sollte und es
verboten ist, sein Leben in Gefahrensituationen zu retten), da er zu
jenen Juden gehört, die entweder [allgemein] Häretiker sind oder sagen,
daß die Tora nicht von Gott offenbart wurde, oder Denunzianten sind. Sie
zu töten erfordert weder Zeugen noch eine vorherige Warnung noch
irgendwelche Richter, da jeder Jude, der einen von ihnen tötet, eine
große Tat vollbringt, indem er ein Hindernis beseitigt".
So lange die Juden unter der
despotischen Herrschaft der Halacha lebten, behandelten sie in der Tat
Verdächtige, Abweichler und Häretiker in der beschriebenen Weise. Heute
wollen nicht nur der Rabbiner Schach, die Schass-Partei und der
Ljubawitscher [Rebbe] , daß wir die gerade beschriebenen Gesetze wieder
in Kraft setzen, nach denen jeder Jude, der einen Häretiker tötet, eine
verdienstvolle Tat begeht. Der Gusch Emunim, die Nationale Religiöse
Partei und auch die Gemäßigten in der religiösen Öffentlichkeit bilden
in dieser Hinsicht auch keine Ausnahme, solange sie der Halacha als
oberste Autorität die Treue halten.
Nur die europäische Aufklärung
befreite uns von dem mörderischen Gesetz der Halacha, und zwar trotz des
Widerstands der meisten damaligen Juden gegen solch eine Befreiung.
Derzeit versuchen einige israelische Juden, das halachische Gesetz
wieder einzuführen, und benutzen ihren "erzieherischen" Einfluß, um die
Menschen entsprechend zu indoktrinieren.
Das Gleichnis gilt
Kol Hair, 10. Juli
1992
Wenn Chaim Baram schreibt, daß
"die Massen der israelischen Araber für die jüdischen Parteien stimmten"
(Kol Hair, 26. Juni), so unterläßt er es, zu erwähnen, daß eine der
Parteien mit einem massiven arabischen Stimmenanteil die Nationale
Religiöse Partei war, die Baram richtig als Partei der extremen Rechten
beschreibt. 4,7 % der israelischen Araber stimmten für die NRP,
verglichen mit nur 2,9 % der Einwohner Tel Avivs. Dieser hohe
Prozentsatz läßt sich nicht durch, sagen wir einmal, die Stimmen der
arabischen Angestellten des [von der NRP kontrollierten]
Religionsministeriums oder der arabischen religiösen Würdenträger
erklären, die von dem Ministerium abhängig sind. Verstehen läßt sich
solch ein Stimmverhalten nur durch den Familienzusammenhalt der Wähler.
Damit beispielsweise ein einziger arabischer Beamten oder Scheich
befördert wird, wäre ein ganzer arabischer Familienclan bereit, auch für
Gusch Emunim zu stimmen und somit die Taten der letzteren zu billigen.
Zählt man die Stimmen für die NRP mit den arabischen Stimmen für den
Likud (8,4 %), die Schass (4,9 %) und die Vereinigte Toraliste (0,6 %)
zusammen, so ergibt sich ein Anteil von 18,6 % der israelischen Araber,
die für die Parteien stimmten, aus denen Schamirs Regierungskoalition
besteht. Diejenigen, die sich selbst als "links" bezeichnen und dabei
die Realitäten in der arabischen Gesellschaft ignorieren, die ein
bedauernswertes Abstimmverhalten wie dieses erzeugen, verhalten sich wie
ein Blinder, der andere Blinde im Gleichnis des Neuen Testaments
wegführt, wobei alle in den Graben fallen.
Gebete auf
verworrenen Wegen
Jeruschalajim, 10.
Juli 1992
Gerne hörte ich von Frau Elisur
(Jael Admoni, Jeruschalajim, 3. Juli), daß die jüdischen Gebete, "falls
sie in Hebron aufgesagt werden, direkt zum Himmel aufsteigen, ohne daß
Überbringer erforderlich sind". Obwohl ich darüber erfreut war, muß ich
jedoch noch einige Fragen stellen, die eine Antwort erfordern. Auf
welchen gewundenen Pfaden steigen die Gebete auf, die Juden an anderen
Orten als Hebron sprechen? Werden die jüdischen Gebete in Jerusalem oder
Bnei-Brak zunächst nach Hebron gesandt, um dann in den Himmel
aufgenommen zu werden, oder sind sie dazu verurteilt, einige Zeit in der
Atmosphäre zu schweben, während Frau Elisurs Gebete bevorzugt
ausgeliefert werden? Oder was geschieht mit den Gebeten des
Ljubawitscher Rebbe in Brooklyn?
Ich bin aber ziemlich verwirrt,
wenn ich versuche, mir vorzustellen, wie verschlungen der Reiseweg in
den Himmel sein muß, betrachtet man die Entfernung von Brooklyn nach
Hebron.
Ich bin auch ziemlich erfreut
über das, was Frau Elisur über die "Überbringer" der Gebete sagt, auch
wenn sie deren Dienste nicht braucht, da sie zufällig in Hebron wohnt.
Ich möchte zum Beispiel nur allzugerne wissen, wer die Gebete des
Rabbiners Schach oder des Rabbiners Kaduri "überbringt", der die
Schass-Partei gegen den Willen von Rabbiner Schach unterstützte. Könnte
es sein, daß Rabbiner Schachs Partei bei den Wahlen eine Niederlage
erlitt, weil die Überbringer seiner Gebete sich als inkompetent
erwiesen, während Rabbiner Kaduris Partei wegen seiner Fähigkeiten
gewann, die richtigen Überbringer seiner Gebete auszusuchen? Ich bekomme
eine Gänsehaut vor Angst, wenn ich die Jahre vor 1967 ins Gedächtnis
zurückrufe, als kein Jude in Hebron lebte und die Gebete aller dieser
frommen Juden den Himmel nur über Boten und nur auf Schleichwegen
erreichen konnten. Mein einziger Trost besteht darin, daß wir hier
trotzdem leben und sogar den Unabhängigkeitskrieg gewinnen konnten,
gleichgültig, wie die Gebete frommer Juden an den Himmel ausgeliefert
wurden. Damals konnten die Juden möglicherweise überleben, auch wenn
Frau Elisur und ihre Mitbürger von Hebron die Dienste einiger
"Überbringer" der Gebete zum Himmel benötigten.
Das iranische Modell
Al Hamischmar, 12.
Juli 1992
Gadi Jaziv ("Die Schass-Partei
disqualifiziert sich selbst", Al Hamischmar, 5. Juli) sagt, er hätte nur
lachen können, als das [israelische] Fernsehen den Exorzismus und die
magischen Beschwörungen zeigte, auf die die Schass [in ihrem Wahlkampf]
zurückgriff. Es ist schade, daß er sich nicht die Mühe machte, die
obskure Weltsicht hinter solchen Praktiken zu verstehen. Vor der
jüdischen Aufklärung lebten alle Juden unter dem Bann der Kabbala, als
sie über den zuvor herrschenden halachischen Judaismus und über die
Versuche triumphierte, einige philosophische Gedanken in den Judaismus
einzuführen. Der Triumph der Kabbala und des gleichzeitigen falschen
Messianismus folgte in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Sie behielt ihre
absolute Macht über die jüdischen Gemeinden bis zum Beginn der jüdischen
Aufklärung bei, die hauptsächlich als ein jüdischer Aufstand gegen die
Macht der Kabbalisten und als eine Zurückweisung der damals erst kurz
zurückliegenden jüdischen Vergangenheit zu verstehen ist.
Ferner lacht Gadi Jaziv über
den kabbalistischen von den sefardischen Juden praktizierten
Aberglauben, wagt es aber nicht, sich über denselben Aberglauben der
aschkenasischen Juden, und hier an erster Stelle der Chassiden, lustig
zu machen. Kann der Grund für diese Auslassung darin bestehen, daß die
[zionistische] Arbeiterbewegung die chassidische Bewegung glorifiziert
hat, statt ihr zu widerstehen?
Die traurige Wahrheit ist, daß
die [zionistische] Arbeiterbewegung schon lange die Ideale der jüdischen
Aufklärung verraten und dabei vergessen hat, daß sie nur wegen der
vorangegangenen Aufklärung bestehen konnte. Sie tat es wegen der
angeblich bequemen Koalition mit den religiösen und Haredi-Parteien.
Somit verhielt sie sich wie die iranische Linke gegen Ende der
Herrschaft des Schahs, und zwar aus ähnlichen Gründen. Ich glaube, der
Hauptgrund dafür war die nur allzu menschliche Abneigung, unsere eigene
unmittelbare Vergangenheit, die durch den Vater oder Großvater eines
jeden von uns personifiziert ist, nicht anzuerkennen.
Die Reaktionäre unterscheiden
sich von den Linkspolitikern nur dadurch, daß sie ihre Vergangenheit
blind glorifizieren, während man von den Letzteren annimmt, daß sie
diese kritisch bewerten. Sofern wir nicht aus der traurigen Erfahrung
der iranischen Linken lernen, werden wir uns vielleicht eines Tages in
derselben Lage wiederfinden.
Maskerade von
ausgestopften Bälgern als menschliche Wesen
Hadaschot-Beilage,
17. Juli 1992
In seinem hervorragenden
Beitrag ("Die 'Golda, verlasse uns nicht'-Neurose", Hadaschot-Beilage,
3. Juli) fragt Doron Rosenblum: "Welche Bedeutung hat dieser zwanghafte
Drang - der sich besonders in der [israelischen] Arbeiterpartei zeigt -
die zurücktretenden Führer aufzufordern, an der Macht zu bleiben?" Ich
glaube, ich kann ihm eine Antwort geben.
Professor Gideon Doron, ehemals
Mitglied des Strategie-Teams, das Rabin während des Wahlkampf beriet,
erklärte (Al Hamischmar, 26. Juni) Amiram Cohen die Strategie der
Arbeiterpartei: "Eines unserer Hauptziele bestand darin, Rabin das Image
des zuverlässigen Nachfolgers von Begin zu geben". In anderen Worten,
Rabin hatte in der Tat selbst nichts zu sagen, konnte sich aber mit der
Hilfe seines "Strategie-Teams" zumindest in die Gestalt Begins
verwandeln. Es stimmt aber auch, daß er sich zu einer anderen Zeit als
Begins politischer Feind verkleidet hätte. Im allgemeinen war Rabins
politische Karriere nichts anderes als ein Spiel, verschiedene Gestalten
zu verkörpern.
Seit dem Rücktritt von Ben
Gurion haben seine Nachfolger aus der [israelischen] Arbeiterpartei
nichts anderes getan, als diese Kunst der Vermummung zu praktizieren.
Alle "Führer" der Arbeiterpartei waren deshalb nichts anderes als
ausgestopfte Bälger. In diesen Bälgern ist Stroh, aber kein Prinzip.
Dies bedeutet, daß sie in der Tat nicht sie selbst, sondern ihre eigenen
Abbilder sind. Der als "Schimon Peres" etikettierte Balg hat dabei alle
Leistungsrekorde geschlagen. Er könnte gleichzeitig in unterschiedlichen
Gestalten vorgezeigt werden: als Geula Cohen, als ein Gläubiger an das
bald in der gesamten Region herzustellende Paradies und als anderes
Gelichter.
Beste Absicht?
Haarez, 28. August
1992
Joel Markus schreibt ("Ein
Wunder ist nicht geschehen", Haarez, 21. August), daß die neue
israelische Regierung die "beste Absicht" bei der Führung der
Friedensgespräche hege. Doch die Vorschläge dieser von ihm geführten
Regierung sind mit denen identisch, die schon Begin [im Jahre 1981]
gemacht hatte; ausgenommen sind einige Änderungen an den Nachteilen für
die Palästinenser, die nach Markus durch die Tatsache erforderlich sind,
daß "sich in den besetzten Gebieten mittlerweile viele jüdische
Siedlungen befinden".
Daraus folgt, daß, falls die
Regierung "die beste Absicht" hat, auch Begins Regierung diese hatte.
Ebenfalls gilt das Umgekehrte: Falls Begin nicht die "beste Absicht"
hatte, hat sie Rabin auch nicht. Rabins "beste Absicht" ist relativ,
vergleicht man sie mit der Verrücktheit von Schamir oder Scharon. Doch
wenn wir uns der knochenbrechenden Befehle erinnern, können wir nur
schließen, daß Arens bessere Absichten [gegenüber den Palästinensern]
als Rabin hatte.
In meiner Sicht besteht kein
grundlegender Unterschied zwischen dem Likud und der Arbeiterpartei.
Beide Parteien sind Teil eines überwucherten, schwerfälligen und
verblödeten Kerns der israelischen Politik. Eine echte Änderung ist in
Israel nur möglich, wenn diese beiden wichtigsten Parteien, die schon
aus den 20er Jahren stammen, schließlich das Ende ihrer Tage erleben.
Ist es noch dieselbe
Arbeiterpartei?
Hadaschot, 11. August
1992
Zu dem Leitartikel von Hanan
Kristal (Hadaschot, 2. August) ein Kommentar von mir, der zeigt, wie die
Anwärter der Arbeiterpartei für Ministerposten und stellvertretende
Minister [in dieser Regierung] an Anzahl diejenigen des Likud [in der
vorherigen Regierung] übertreffen. Diese Tatsache kann nur für den
Naiven eine Überraschung sein, der noch immer glaubt, daß die
Arbeiterpartei, auch wenn sie von Rabin und Peres geführt wird, sich
ändern könnte.
Die Anhänger der
Arbeiterbewegung können zugegebenerweise fähig sein, die Narrheiten von
Scharon oder des Gusch Emunim zurechtzurücken. Eine echte Änderung
erfolgt in Israel aber nur dann, wenn sich diese verfaulende Partei
schließlich ganz auflöst.
Peres' Unterstützung
der Siedler
Haarez, 19. August
1992
Die von Ran Kislev beschriebene
Sache von Sebastia (Haarez, 14. August) war selbst schon gemein genug,
das Nachspiel jedoch noch gemeiner. Ich verweise auf die betrügerischen
Ausreden, nach denen [die Siedlung] Ofra angeblich als ein
"Arbeiterlager" und [die Siedlung] Schilo als "ein archäologisches Camp"
eingerichtet wurde. Verantwortlich für diesen Betrug war damals der
Verteidigungsminister Schimon Peres, der zu jener Zeit die Sache des
Gusch Emunim verfocht. Nebenbei war es Peres, der den Ofra-Siedlern
während ihrer Anfangsphase zu Unterhaltsmitteln verhalf, indem er ihnen
das Monopol gewährte, "Kaschrut"-Marken für die israelische Armee zu
produzieren.
Peres' Führung des
Finanzministeriums von 1988 bis 1990 wich nicht von dieser
Vorgehensweise ab, um die Gunst aller und jeder religiöser Gruppen
einschließlich des Gusch Emunim zu buhlen, indem er sie mit "Sondergeld"
überschüttete. Seine Absicht, der [jüdischen] Religion näher zu kommen
und den Rabbinern zu schmeicheln, wurde damals offen eingestanden.
Während er kürzlich das Amt des Premierministers innehatte, zögerte er
nicht, seinen Schutz auf die religiösen Rechtsbrecher in Givat Charsina
[nahe Hebron] auszuweiten. Ich habe Sorge, daß er diese Praktiken auch
in der Zukunft fortführt.
Woraus besteht eine
Öffentlichkeit?
Hadaschot-Beilage,
21. August 1992
Der israelische Konsul in
Chicago, Jizchak Ben Gad [den Peres feuern will], könnte gar nicht so
unrecht haben, wenn er meint (Hadaschot-Beilage 7. August), daß "die
Öffentlichkeit in Chicago verärgert ist, wenn sie sieht, daß ihr
geliebter Konsul entlassen wird". Und zwar deshalb, weil nach Ben Gads
Verständnis das Wort "Öffentlichkeit" per definitionem nur die
organisierten amerikanischen Juden meint. Für ihn und seine
"Öffentlichkeit" können 97 % und 1,5 % der Amerikaner keine
"Öffentlichkeit" bilden, da sie Nichtjuden bzw. "assimilierte" Juden
sind und deshalb letztere wiederum per definitionem sogar noch unter den
Nichtjuden stehen.
Als israelische Juden sollten
wir uns bewußt sein, daß die organisierten amerikanischen Juden im
Durchschnitt chauvinistischer und rassistischer als die Chauvinisten und
Rassisten in unserer Mitte sind. Das Ziel ihres Rassismus ist "die
gesamte Welt", die nach ihnen unvermeidlich gegen Israel eingestellt
ist, auch wenn Israel mit Geld überschüttet wird. Die organisierten
amerikanischen Juden können alle Nichtjuden ungestraft hassen, da sie in
den USA erfolgreich jede freie Diskussion über Israel und den Judaismus
verhindern, indem sie jeden ihrer Gegner als "Antisemiten" oder als
"selbsthassenden Juden" brandmarken. Ihr Erfolg in dieser Angelegenheit
ähnelt dem Erfolg des Senators McCarthy bei der Unterdrückung der freien
Rede in den USA, wobei die amerikanischen Juden jedoch weitaus
erfolgreicher sind. Auch ist die Art und Weise, wie die amerikanischen
Juden uns unterstützen, etwas eigenartig. Ihre Unterstützung besteht
darin, uns in einen Krieg hineinzuziehen. Sind sie dabei erfolgreich,
vergießen wir unser Blut, während sie beim Anblick unserer Leiden Tränen
auf dem Fernsehbildschirm vergießen. Kein Wunder, versuchen sie doch,
ihre Intoleranz und Scheinheiligkeit durch Übereifer
"wiedergutzumachen".
Organspenden von
Nichtjuden
Kol Hair, 11.
September 1992
Der Artikel von Jair Schedeg,
in dem er ausführlich die Diskussionen zwischen Rabbiner Goren und den
Haredi-Rabbinern hinsichtlich der religiösen Freigabe von
Organtransplantaten beschreibt, ist dazu geeignet, dem Leser die
entscheidende Frage der Diskussion zu vernebeln. Beide Seiten stimmen
voll und ganz darüber überein, daß alle Unterschiede zwischen ihren
entsprechenden Positionen nur für jüdische Patienten gelten. Deshalb
haben die Haredim, die in der Regel gegen die zur Transplantation nötige
Organentnahme aus dem Körper eines Juden sind, keine Einwände gegen eine
Reise nach Europa oder in die USA, um sich dort ein Organ übertragen zu
lassen. Sie setzen voraus, daß solch ein Organ mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit dem Körper eines Nichtjuden entnommen
wurde. Die Rabbiner stimmen dem zu, weil es nur in Israel sehr
wahrscheinlich ist, daß ein für die Transplantation vorgesehenes Organ
aus einem jüdischen Körper stammt. Dies ist das Motiv für die ziemlich
erfolgreiche Antitransplantations-Kampagne der Haredim in Israel.
Mehrere europäische Länder
haben schon auf diese Niederträchtigkeit reagiert, indem sie
Organtransplantationen für Israelis verboten. Hinter diesem Verbot steht
eine Rechtfertigung, daß die meisten Juden, die Transplantate brauchen,
in der Tat versuchen, Organe von Nichtjuden zu erhalten, gleichzeitig
aber prinzipiell eine Organspende an Nichtjuden verweigern. Rabbiner
Goren und die Haredi-Rabbiner stimmen vollständig darin überein, daß der
Körper eines Juden eine andere Qualität als der eines Nichtjuden hat.
Deshalb verdienen es beide Diskussionsparteien, gleichermaßen verurteilt
zu werden.
Der Weg zu absoluter
Korruption
Hadaschot-Beilage,
23. Oktober 1992
Die von Aharon Klein
angeführten Tatsachen (Hadaschot-Beilage, 25. September), die mangelnde
Erfolge des Schabak in den besetzten Gebieten aufzeigen, sollten für
niemand eine Überraschung sein. Der Schabak kann in den besetzten
Gebieten nicht funktionieren, da seine Hauptaufgaben administrativer Art
sind, während die "zivile Verwaltung" nicht mehr als eine Fassade ist.
Ferner hat der Schabak bei der Ausführung dieser Aufgaben absolute
Macht. In seiner Eigenschaft als Geheimpolizei verhält sich der Schabak
in den besetzten Gebieten nicht anders als die Geheimpolizei der schon
dahingegangenen osteuropäischen Regimes oder eines größeren Teils der
bestehenden arabischen Regimes. In allen solchen Ländern bestimmt die
Geheimpolizei das Schicksal jedes einzelnen Menschen.
Hier gilt Lord Actons eiserne
Regel, daß "Macht korrumpiert und absolute Macht absolut korrumpiert",
auch wenn sie schon vor 150 Jahren aufgestellt wurde. Einer der Aspekte
des Weges zur absoluten Korruption, die voll für die Beamten des Schabak
gilt, besagt, daß ihre Leistung sich mit steigender Korruption
vermindert. In einfachen Worten kann man sagen, daß sie im Laufe ihrer
Dienstjahre immer dümmer werden.
Leute, die glauben, daß Actons
eiserne Regel mit allen Konsequenzen nur für die Geheimpolizei der
arabischen Länder, nicht aber auf die jüdische oder umgekehrt zutrifft,
zeigen lediglich, daß sie nicht nur dumm, sondern auch Rassisten sind.
Ein Fall einer
unreinen Adresse
Jeruschalajim, 2.
Oktober 1992
Ich möchte ein wenig diejenigen
[ultra-frommen] Haredi-Juden aufmuntern, die sich beklagen, daß [in
Jerusalem] das städtische Komitee für Straßennamen eine Straße nach
Rabbiner Weiß benannte, obwohl er ein Anti-Zionist war. Es sollte sie
ein bißchen aufmuntern, etwas darüber zu hören, was mit einer Straße
geschah, die in Jerusalem nach Albert Einstein, einem glühenden
Zionisten, aber auch einem Ungläubigen, benannt wurde.
Einige Zeit nach Einsteins Tod
wünschten einige der Einwohner von Jerusalem, eine Straße nach ihm in
dieser unserer Heiligen Stadt zu benennen. Die religiösen Juden wiesen
damals diese Vorstellung als schreckliche Häresie zurück. Man stelle
sich nur vor, so argumentierten sie, was ein religiöser Jude fühlen
würde, müßte er in einer nach einem so schrecklichen Ungläubigen wie
Einstein benannten Straße leben und dabei gezwungen sein, seinen
unreinen Namen als Adresse anzugeben. Nach langwierigen Kontroversen kam
man zu einem in Israel typischen Kompromiß. Eine
"Albert-Einstein-Straße" gibt es zwar auf der Karte von [West-]Jerusalem,
was in der Realität jedoch nur eine Straße zwischen den Gebäuden des
Campus der (nicht weniger ungläubigen) Hebräischen Universität in Givat
Ram ist. Niemand hat jemals dort gelebt und mußte diese Adresse angeben:
so wird es auch in Zukunft bleiben.
Vielleicht kann das Komitee für
Straßenbenennung diese Geschichte als Präzedenzfall nehmen? Warum sollte
das Komitee keine Straße ohne Gebäude in von Haredims bewohnter
Nachbarschaft finden und sie nach Rabbiner Weiß benennen? Seine
Bewunderer können so endgültig zufrieden gestellt werden, so wie sich
ebenso Einsteins Bewunderer mit dem beschriebenen Kompromiß zufrieden
geben mußten.
Der Rassismus von
Arthur Ruppin
Haarez-Beilage, 9.
Oktober 1992
In seinem Artikel "Jemenitische
Juden, die geborenen Hilfsarbeiter" (Haarez-Beilage, 18. September)
spricht Chaim Hanegbi über die rassistischen Verleumdungen, mit denen
Arthur Ruppin die jemenitischen Juden in seinem Tagebuch [1908-1912]
beschreibt. Es gibt jedoch einen viel besseren Beweis für Ruppins
Rassismus, nämlich sein Buch "Soziologie der Juden", das zuerst in
Deutschland vor seiner Ankunft in Palästina [1904] und dann zweimal in
hebräisch (in Odessa 1914 und in Tel Aviv 1934) übersetzt wurde.
Kürzlich behandelte Professor Jakov Schavit die rassistischen Annahmen
in seinem Buch (wenn auch nicht in ausführlicher Tiefe) "Judaismus als
Widerspiegelung des Hellenismus" (Tel Aviv, Am Oved, 1992). Für den
Leser fasse ich in Zitaten oder eigenen Worten kurz zusammen, was
Schavit über Ruppins rassistische Theorien in einem Kapitel seines
Buches mit dem Titel "Die jüdische Rasse, ihr Ursprung und ihre
Eigenschaften nach Ruppin" (S. 354-357) sagt.
Nach Ruppin stammt die jüdische
Rasse aus einer Mischung von Kanaanitern und Philistern. Dies bedeutet,
daß die Juden im Gegensatz zu dem falschen "semitischen Mythos", der die
weiße Farbe der Juden verneint, lilienweiß sind. Schavit vertritt die
etwas humoristische Meinung, daß "Ruppin und auch einige andere Juden
die semitische Bindung trennen mußten, um zu verneinen, daß die Juden
die allgemein der 'semitischen Rasse' zugeschriebenen negativen
Charaktereigenschaften haben, und um 'die Juden' in die rassische Nähe
der 'Araber' zu bringen, mit denen die Grenzen derselben rassischen
Kategorie umschrieben werden. Schavit beschreibt dann weiterhin die
Eigenschaften der "jüdischen Rasse" so, wie sie Ruppin definierte, und
bemerkte dann treffend, daß "ironischerweise Ruppins Portrait der Juden
mit ihrem Bild in der antisemitischen Literatur identisch war". Er
vermutet, daß Ruppin nur deshalb ein Zionist wurde, weil "er stark
befürchtete, daß es in einer Zeit radikaler Änderungen immer schwieriger
für die jüdische "Art" werden würde, ihre Eigenschaften beizubehalten,
ohne sie im Prozeß der Assimilierung zu verlieren. Gerade um solchen
Gefahren vorzubeugen, meinte er, die Juden bräuchten ein eigenes Land".
Durch die Existenz der
jemenitischen Juden wurden natürlich Ruppins Theorie, "die jüdische
Rasse" gehöre zur "weißen Rasse", widerlegt. Er wußte noch nichts von
den [schwarzhäutigen] äthiopischen Juden oder den Juden von Cochin [in
Süd-Indien]. Die "rein spanischen" Juden Palästinas jener Zeit konnten
bei seiner blühenden Phantasie in die "jüdische Rasse" aufgenommen
werden. Bei den jemenitischen Juden war dies selbst bei ausgefallener
Phantasie nicht mehr möglich. Seine Schlußfolgerung war, daß sie
unterdrückt werden müßten.
Sehnsucht nach
Wiedererrichtung des Königreichs Davids und Salomos
Haarez, 30. Oktober
1992
Tom Segevs ausführliche
Rezension (Haarez, 16. Oktober) von Anita Schapiras neuem Buch teilt mit
dem rezensierten Buch ein gängiges, doch nichtsdestoweniger schweres
Mißverständnis. Neben den beiden "ethischen Ansätzen" der zionistischen
Arbeiterbewegung, die sowohl der Autor als auch der Rezensent
besprechen, gab es noch etwas drittes: einen "ethischen Ansatz" oder, um
ihn beim Namen zu nennen, einen Mythos, der der Bewegung nicht weniger
stark als die beiden anderen Leben einhauchte. Dabei handelte es sich um
die Vorstellung, das Königreich Davids und Salomos wieder zu errichten.
Dieser Mythos impliziert, daß die Juden alle Gebiete wieder erobern
sollten, die einst von den [alten] Israeliten beherrscht wurden oder
"innerhalb der Grenzen des [von Gott] versprochenen Landes" gemäß den
Angaben der Bibel lagen. Diese Worte "Wiederherstellung des Königreichs
Davids und Salomos" benutzte auch David Ben Gurion in seiner offiziellen
Erklärung der Ziele des Suez-Kriegs von 1956 in einer Rede, die er am
dritten Kriegstag in der Knesset hielt. Sobald diese Worte in der
Knesset gesprochen waren, erhoben sich alle Mitglieder mit Ausnahme der
vier israelischen kommunistischen Parteimitglieder und sangen die
"Hatikva". In derselben Rede sagte Ben Gurion auch, daß der "Sinai kein
Gebiet Ägyptens ist", was ihn nicht hinderte, gleichzeitig von Ägypten
Frieden zu verlangen.
Auf diese Art und Weise gab Ben
Gurion implizit und in meiner Sicht direkt zu, daß der Suez-Krieg kein
"unvermeidlicher", sondern ein "vermeidbarer" Krieg war, der wegen
messianischer Ziele geführt wurde. Dieses Eingeständnis war weitaus
deutlicher als das von Begin im Jahre 1982. Man kann annehmen, daß ohne
Präsident Eisenhowers Gegnerschaft zu diesem Messianismus die ganze
[israelische] messianische Narrheit, die im Jahre 1967 mit aller Kraft
emporkam, schon im Jahre 1956 begonnen hätte. Nach alledem war der
messianische Druck innerhalb der Arbeiterbewegung zumindest seit 1918
stark und einflußreich.
Was will Gott
wirklich?
Jeruschalajim, 5.
März 1993
Wie Sie meldeten (Jeruschalajim,
19. Februar), erklärte der "größte rabbinische Weise", Rabbiner Schlomo
Salman Auerbach, seinen Studenten, daß sechs aschkenasische
[ultra-fromme] Haredim-Juden aus Jerusalem in einer einzigen Woche
starben, weil "die derzeitige [israelische] Regierung von Ungläubigkeit
durchdrungen sei und dabei die Unterstützung der 'orientalischen'
Haredi-Partei Schass" habe. Wollen wir hier einmal annehmen, daß
Rabbiner Auerbach tatsächlich Gottes Willen und nicht nur das kennt, was
er glaubt zu wissen. Nehmen wir ferner an, Gott sei tatsächlich über die
derzeitige [israelische] Regierung und ihre Unterstützung durch die
Schass so erzürnt, daß er sechs Personen tötet, die mit Politik
überhaupt nichts zu tun haben. Auch wenn diese Annahmen wahr sind, so
stellen sich einige Fragen:
A. Warum war es Gottes Wille,
sechs aschkenasische Haredim wegen des Zorns über "orientalische"
Haredim zu töten?
B. Hätte Gott, um seine
Strafabsicht gegenüber den Mitgliedern der Schass und der weltlichen
Unterstützer der Regierung zu zeigen, nicht besser daran getan,
prominente Unterstützer der Schass oder sechs Hauptanhänger von
Schulamit Aloni [einen besonders von den Haredim gehaßten Minister] in
einer Woche als sechs Feinde der Regierung zu töten?
C. Ist Rabbiner Auerbach
zumindest gewillt, eine einfachere Hypothese in Betracht zu ziehen,
nämlich daß Gott sechs aschkenasische Haredim aus Zorn über ihre Partei
Agudat Israel und nicht über die Schass tötete?
D. Und, um einen Schritt
weiterzugehen, vielleicht tötete Gott sechs aschkenasische Haredim aus
Zorn über die Rabbiner, die zu wissen vorgeben, was Er will, wie etwa
Rabbiner Auerbach und die anderen Rabbiner, die den Anspruch erheben, in
Seinem Namen zu sprechen?
Gehirnwäsche
Hadaschot, 17. März
1993
Im Gegensatz zu den Ansprüchen
beider Seiten, drehte sich die Debatte zwischen dem
Parlaments-Abgeordneten Burg [Arbeiterpartei] und dem
Erziehungsministerium (Hadaschot, 11. März) nicht darum, wie der
Judaismus zu lehren sei, sondern um die Möglichkeiten, Gehirnwäsche zu
betreiben. Beide Seiten wünschen nicht, daß der Zionismus der
Vergangenheit oder der Gegenwart in unseren Schulen gelehrt wird.
Lassen Sie mich zwei Beispiele
anführen. Ein beträchtlicher Teil der Juden in den vergangenen
Generationen wurde durch Überzeugung reformiert; doch darüber wird
nichts in den Lehrplänen gesagt. Oder ein anderes Beispiel: Wird man es
je in unseren Schulen lehren, daß die größten hebräischen Poeten, und
zwar die der spanischen Zeit [1000 - 1200], bisexuell waren und sich die
herrlichen Liebesgedichte, die sie schrieben, an sowohl männliche als
auch weibliche Liebhaber richteten? Erinnern wir uns nur der zwei
herrlichen Verse von Jehuda Halevi:
Als sie die Kleider abgelegt,
war sie nicht unverhüllt,
denn Schönheit, Majestät und
Charme umgaben nun ihr Bild.
Kann dies je in unseren Schulen
gelehrt werden, gleichgültig, wie erregt die Studenten auch beim Lernen
vielleicht sein werden?
Wer darf aus den
"Staatsländereien" Nutzen ziehen?
Haarez, 26. März 1993
Es ist schade, daß Meron
Benvenisti ("Fakten und Repressionen", Haarez, 18. März) nicht die
wichtigste und doch am sorgfältigsten vertuschte Tatsache erwähnt, die
in meiner Sicht der Angelpunkt der [israelischen] Politik in den
besetzten Gebieten ist. Die Siedlungen und das "Staatsland" in den
besetzten Gebieten sind, wie man offen zugibt, nur für die Juden
vorgesehen. Diejenigen, die wie die "Zomet"-Partei die Diskriminierung
durch Nennung der Kriterien für den Militärdienst entschuldigen, müssen
sich daran erinnern lassen, daß z.B. ein Druse, der in der Armee gedient
und vielleicht sogar beim Dienst in den besetzten Gebieten eine hohe
Stellung erreicht hat, noch immer nicht in einer Siedlung leben oder in
irgend einer Weise aus dem "Staatsland" Nutzen ziehen darf. Gleichzeitig
ist dies einem alten Juden erlaubt, der erst gestern aus Brooklyn
einwanderte, nie in der Armee gedient hat und nie dienen wird, sogar
wenn er sich weigert, ein Bürger des Staates Israel zu werden.
Das Recht zur Ansiedlung [in
den besetzten Gebieten] und die mit der Ansiedlung verbundenen
geldlichen Vorteile werden automatisch Konvertiten zum Judaismus
gewährt, gleichgültig, ob sie aus Peru oder von einem Stamm kommen, der
nahe der Grenze von Indien und Burma liegt. Diese Vergünstigungen werden
aber nicht nur allen Palästinensern einschließlich denjenigen, die in
der israelischen Armee dienten, verweigert, sondern auch den Nichtjuden.
Nahezu 70 % des Westjordanlands und etwa 30 % des dicht bevölkerten
Gaza-Streifens sind schon "Nichtjuden-rein" geworden, auch offiziell.
Mit anderen Worten, wir haben
ein Apartheidregime errichtet. In seinen speziellen Charakterzügen ist
es widerwärtiger als all das, was es jemals in Südafrika gegeben hat.
Die Siedlungen sagen alles über das Regime.
Wie die religiösen
Fanatiker in Ägypten
Haarez, 14. Mai 1993
Israel Harel, ein Führer der
religiösen Siedler [im Westjordanland], sagte (Haarez, 7. Mai), die
Taten der unter dem Namen "Der jüdische Untergrund" bekannt gewordenen
Gruppe sei eine "Vergeltung gegen die Araber" und eine "Hilfe für die
Regierung". Wir wollen uns daran erinnern, daß zu ihren Taten, für die
sie vom Gericht ordnungsgemäß verurteilt wurden, der Versuch gehörte,
die Moschee auf dem Tempelberg zu zerstören und auf den Sabbat
eingestellte Zeitbomben unter arabische Busse mit der Absicht zu legen,
sie zu dem Zeitpunkt in die Luft zu jagen, an dem der Sabbat beginnt.
Zu jener Zeit [1984] wurden
solche Busse von vielen Juden und fremden Touristen, aber auch von
Arabern beiderlei Geschlechts und jeden Alters benutzt. Nur bei den
religiösen Juden war es unwahrscheinlich, daß sie solche Busse in dem
Moment benutzen würden, als die Bomben explodieren sollten. Der
vorgesehene Mord an ausländischen Touristen erinnert lebhaft an die
kürzlichen Angriffe auf nach dem Zufallsprinzip ausgewählte ausländische
Touristen durch religiöse Fanatiker in Ägypten.
Solche "Heldentaten" wurden von
den religiösen Siedlern nie aufrichtig verurteilt und werden noch immer
von Harel als "Hilfe für die Regierung" betrachtet. Dies ist eine gute
Gelegenheit, jeden Betroffenen daran zu erinnern, daß solche Versuche,
die zu verurteilen sich einige noch heute weigern, nicht nur auf die
Nichtjuden (geschweige denn nur die Araber), sondern auch auf die
nichtreligiösen Juden abzielen, die ebenfalls als straflos zu tötende
Untermenschen angesehen werden.
Ein Chomeini-Staat
Jeruschalajim, 11.
März 1994
Johai Hakak meldet (4. März),
daß der Rabbiner von Kirjat Arba, Dov Lior, in seiner in der Halle der
Hesder-Jeschiwa von Kiryat Arba gehaltenen Lobrede auf den Mörder
Goldstein sagte, daß, was immer Goldstein auch tat, er es "um des
Himmels Willen tat". Dies bedeutet, daß Kirjat Arba einen Nazi-Rabbiner
hat, der Meinungen von sich gibt, die sich in nichts von denen Adolf
Hitlers unterscheiden. Nach alledem rief auch Hitler die "Vorsehung" zur
Rechtfertigung seiner abscheulichen Ideologie an. Diese Ähnlichkeit
sollten wir im Gedächtnis behalten, wenn wir beim nächsten Mal gegen die
Neo-Nazis in Deutschland protestieren.
Nach meiner Sicht haben
Neo-Nazis durchaus das Recht, ihre abstoßenden Glaubenssätze zu
vertreten. Eine andere Sache ist es jedoch, jüdische Neo-Nazis mit den
Steuern zu unterstützen, die ich als Bürger zahle. Doch Rabbiner Lior
erhält ein Gehalt von der Regierung, und die Hesder-Jeschiwot sind Teil
der israelischen Armee. Beiläufig gesagt, die Merez-Heuchler in der
Regierung haben nichts dagegen einzuwenden, um nicht "den
Friedensprozeß" zu stören.
Dies ist der Grund, warum die
Trennung von Religion und Staat in Israel eine dringende Angelegenheit
ist. Sie ist sogar dringlicher als die Beendigung der Eroberung [der
besetzten Gebiete]. Die Scheinheiligen, die sich vor den Rabbinern wegen
des "Friedensprozesses" beugen, sollten sich sagen lassen, daß dies kein
Weg ist, auf dem man Frieden erreicht. Falls überhaupt, ist dies nur der
Weg, die mögliche Umwandlung von Israel in einen Chomeini-Staat zu
beschleunigen.
Das Schweigen der
israelischen Juden
Haarez-Buchbeilage,
16. März 1994
Der Herausgeber der Beilage,
Michael Handelsalz, versucht in seinem Editorial (Haarez-Buchbeilage,
16. Februar), das Schweigen der israelischen jüdischen Öffentlichkeit
hinsichtlich der Verfolgung von Salman Rushdie durch "die anscheinend
korrekte Annahme, die israelischen Juden hätten wichtigere Probleme", zu
erklären. In der vorherigen Woche behandelte jedoch die gesamte
hebräische Presse ausführlich eines dieser "wichtigeren Probleme",
nämlich die Tatsache, daß ein hochrangiger Offizier der französischen
Armee entlassen wurde, nachdem er einen historischen Beitrag schrieb,
der die Unschuld von Dreyfus anzweifelte.
Es ist wichtig und
gerechtfertigt, auch weiterhin zu behaupten, daß Dreyfus in der Tat
unschuldig war. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, daß Handelsalz
sagen würde, entweder die Juden oder die Franzosen hätten "wichtigere
Probleme zu behandeln" als dieses. Ich meine auch, daß die Kombination
aus dem Getöse in Sachen Dreyfus und der erschallenden Stille in Sachen
Rushdie auf eine widerwärtige Version des jüdischen Chauvinismus
hinausläuft. Sie hat nämlich zwei seltsame Implikationen. Die erste
besteht darin, daß Dreyfus nicht wegen der Beweislage, sondern weil er
zufällig ein Jude war, unschuldig sei, und die Juden immer recht haben.
Die zweite besteht darin, daß angesichts des fehlenden jüdischen
Interesses an Salman Rushdie die Juden sich nicht für die Verteidigung
eines bloßen Nichtjuden starkmachen sollen.
Die Schlußfolgerung aus diesem
Kontrast scheint mir klar zu sein. Israel hat derzeit keinen Schreiber
mit der moralischen Statur eines Emile Zola und keinen Politiker vom
Kaliber eines Clemenceau. Es war Clemenceau, der vor etwa 100 Jahren den
Mut hatte zu sagen, Gerechtigkeit sei für Frankreich wichtiger als die
Ehre der französischen Armee.
Ich kann mir kein einziges
Knesset-Mitglied vorstellen, das über die Ehre der israelischen Armee
das sagen würde, was Clemenceau über die französische Armee sagte.
Handelsalz verteidigte
zugegebenermaßen Rushdie in seinem Editorial. Es ist bedauernswert, daß
es ihm gleichzeitig möglich war, israelische Juden zu rechtfertigen, die
nahezu bis zum letzten Mann gewissenhaft die Schändlichkeit ignorierten,
mit der Rushdie zum Opfer gemacht wurde.
Vier Hauptmerkmale
des Apartheid-Regimes
Haarez, 1. April 1994
Es kann kein Zweifel bestehen,
daß die Tatsachen in Danny Rubinsteins Artikel vom 16. März genau sind.
Allein seinem Artikel fehlt eine abstrakte Beschreibung der Apartheid
als ein Prinzip, nach dem sich die tatsächlichen Praktiken des
israelischen Eroberungsregimes in den besetzten Gebieten richten. Dieses
Prinzip unterscheidet sich stark von denen, die die meisten anderen
Eroberungs- und Kolonialregimes anwendeten. Es garantiert den Siegern
auch, daß das israelische Eroberungsregime nicht anders kann, als den
Siedlern zu dienen.
Das israelische
Eroberungsregime zeichnet sich durch vier Hauptmerkmale aus. Zunächst
gelten die Gesetze nicht für ein bestimmtes Territorium, sondern hängen
davon ab, wer sie anwendet. Israelis, die in den besetzten Gebieten
leben oder sie sogar nur besuchen, unterstehen Gesetzen, die sich völlig
von denen unterscheiden, die für dort lebende Palästinenser bindend
sind. Im Gegensatz dazu unterstanden auch britische Staatsbürger, die in
Indien lebten oder Indien besuchten, denselben Gesetzen wie die Inder,
als Britannien dort herrschte.
Es wird öffentlich zugegeben,
daß sämtliches Staatsland in den besetzten Gebieten nur für jüdische
Siedlungen vorgesehen ist, gleichgültig, welche Staatsbürgerschaft der
potentielle Siedler hat. Kein Teil dieses Landes ist für die Ansiedlung
der Palästinenser vorgesehen, ungeachtet der Tatsache, ob sie in den
besetzten Gebieten leben, sich im Exil befinden, israelische
Staatsbürger sind oder in der israelischen Armee gedient haben.
Den Palästinensern in den
besetzten Gebieten ist es verboten, mehr als die ihnen zugeteilte
Wassermenge (sei es aus den Brunnen oder anderen Quellen) zu
verbrauchen, die entsprechend dem Verbrauch im September 1967 festgelegt
wurde. Dagegen dürfen die in den besetzten Gebieten niedergelassenen
Juden nahezu soviel Wasser verbrauchen, wie sie wünschen.
Jeder Jude kann die besetzten
Gebiete betreten und sich nach eigenem Ermessen in ihnen niederlassen,
mit Ausnahme der seltenen Fälle, in denen Erwägungen der Sicherheit
anderes vorschreiben. Palästinenser haben dieses Recht nicht. Der Staat
Israel ist noch nicht einmal willens, das Recht der
Familienzusammenführung anzuerkennen, hat aber im Gegensatz dazu dieses
Recht benutzt, um sowjetische Juden nach Israel zu locken.
Professor Gabison
irrt
Schischi, 1. April
1994
Ich bedaure, daß Professor Ruth
Gabison , deren Ansichten ich in der Regel respektiere, eine Aussage
machte (Schischi, 18. März), die ich nur als halbe Wahrheit betrachten
kann und die schlechter als eine ganze Lüge ist. Sie schrieb, daß auf
dem Gebiet des Staates Israel "jeder Mensch prinzipiell das Recht auf
freie Bewegung und Niederlassung (abhängig von einigen Gesetzen) habe".
Mindestens 92 % des Gebietes
des Staates Israel sind "Staatsland", das insgesamt entsprechend dem
israelischen Landgesetz gemäß den Vorschriften des Jewish National Fund
verwaltet wird. Diese Vorschriften verbieten nicht nur die Ansiedlung
von arabisch-israelischen Staatsbürgern, sondern auch von allen
Nichtjuden. Das Verbot gilt z.B. für Drusen, die in der Israel
wehrpflichtig sind, sowie für Beduinen und andere Araber, die in der
Armee als Freiwillige dienen dürfen. Dasselbe Verbot trifft dieselbe
Unterscheidung zwischen Ausländern.
Nichtjüdische Bürger
irgendeines ausländischen Staates haben im Gegensatz zu jüdischen
Bürgern desselben Staates kein Recht, auf diesem Land zu siedeln. Auch
Nichtjuden, die Juden während des Holocaust retteten, wird das Recht zur
Ansiedlung auf dem "Staatsland" des jüdischen Staates verweigert. Im
Staat Israel dürfen die Nichtjuden sich lediglich auf 8 % des
israelischen Lands, das sich in Privatbesitz befindet, niederlassen.
Ich möchte die Lage in
Jerusalem als Beispiel anführen. Im jüdischen Viertel der Altstadt [von
Jerusalem], in dem der Staat Land besitzt, wurde das Recht zur
Niederlassung nicht nur dem früheren Einwohner Mohammed Burkan, sondern
auch einem schwedischen Akademiker verweigert, der dort ein Appartement
[vom jüdischen Besitzer] mieten wollte. Im Gegensatz dazu ist eine
jüdische Niederlassung im moslemischen Viertel der Altstadt [von
Jerusalem], im Dorf Silwan und an anderen Stellen [innerhalb der Stadt]
nicht nur gesetzlich erlaubt, sondern wird auch vom Staat gefördert.
Ein grober Bruch der
militärischen Disziplin
Schischi, 22. April
1994
Der Artikel von Mattai Cohen
(Schischi, 15. April) über einen Armeearzt, der einem drusischen Soldat
die medizinische Behandlung verweigerte, nachdem er bemerkte, daß "er
einen arabischen Familiennamen hatte", sollte uns alle daran erinnern,
daß die Karriere des mörderischen Arztes Baruch Goldstein in der
israelischen Armee auch damit begann, Nichtjuden nicht zu behandeln und
daß die Armee keine Konsequenzen aus seiner Weigerung gezogen hatte.
Neben dem Bruch des hippokratischen Eids und der schieren
Unmenschlichkeit solch eines Verhaltens laufen die hier behandelten
Fälle auf eine grobe Nichtbeachtung der ständigen Dienstanweisungen der
Armee und der militärischen Disziplin im allgemeinen hinaus.
Das von Goldstein verantwortete
Massaker hätte verhindert werden können. Die größte Verantwortung dafür,
daß dies nicht verhindert wurde, trägt in meinen Augen das Oberkommando
der Armee im Jahre 1984-1985 und der Verteidigungsminister Rabin. Rabin
und sein Oberkommando hätten Goldstein wegen Befehlsverweigerung vor ein
Kriegsgericht bringen und ihn aus der Armee entlassen müssen. Doch die
israelische Armee und die Person, die sie kommandiert, zeigen dasselbe
heuchlerische und unverantwortliche Verhalten wie damals. Durch ihre
Weigerung, sich mit dem aktuellen Fall eines Armeearztes zu befassen,
der öffentlich angekündigt hatte, daß "er sich weigere, Soldaten mit
einem arabischen Familiennamen medizinische Behandlung zukommen zu
lassen", zeigen sie, daß sie weder etwas gelernt noch vergessen haben.
Es kann hier
geschehen
Kol Hair, 22. April
1994
Ihr Artikel (15. April), in dem
Sie die Aussichten auf einen Bürgerkrieg behandeln, enthält nicht das,
was ich als die wahrscheinlichste Ursache dafür ansehen würde. Die
einzige Alternative, die Sie berücksichtigen, ist ein Bürgerkrieg, der
sich aus der Defensive heraus ergibt, auch wenn die Initiative von
bewaffnetem Widerstand der religiösen Siedler gegen die Regierung kommt.
Doch warum ziehen Sie nicht die Möglichkeit in Betracht, daß religiöse
Fanatiker die Macht mit gewalttätigen Mitteln ergreifen können? Und was
ist mit der in meinen Augen sehr wahrscheinlichen Möglichkeit, daß
einige Bataillone entweder der "Regional-Verteidigung" oder der
Hesder-Talmudschulen eines Sonntags nach Jerusalem kommen, um die
Minister beim wöchentlichen Treffen der Regierung zu verhaften und dann
die Fernsehanstalten und Radiosender besetzen, um so einen "jüdischen
Staat nach der Halacha" zu proklamieren? Wenn Rabin und alle seine
Minister in diesen Kreisen als "Verräter" und die israelische jüdische
Gesellschaft als "Kanaaniter" betrachtet werden, warum sollte man solche
Folgen nicht erwarten können?
Ihr Experte, Meir Pail, war
nicht so ganz auf der Höhe des Wissens, als er nur über die späteren
Bürgerkriege in der jüdischen Geschichte sprach, ohne den ersten im 2.
Buch Mose beschriebenen zu erwähnen. Dieses Buch zeigt, was geschah,
nachdem Mose vom Berg Sinai herabstieg und sah, wie die Juden das
goldene Kalb anbeteten.
Er trat in das Tor des Lagers
und sprach: "Her zu mir, wer dem Herrn angehört!" Da sammelten sich zu
ihm alle Kinder Levi.
Und er sprach zu ihnen: "So
spricht der Herr, der Gott Israels: Gürte ein jeglicher sein Schwert um
seine Lenden und durchgehet hin und zurück von einem Tor zum anderen das
Lager, und erwürge ein jeglicher seinen Bruder, Freund und Nächsten."
Die Kinder Levi taten, wie
ihnen Mose gesagt hatte; und fielen des Tages vom Volk dreitausend Mann.
(2. Mose 32, 26-29)
Dies ist eine sehr jüdische
Geschichte. Und es ist auch ein sehr wahrscheinliches Szenario für das,
was früher oder später auch hier sehr gut geschehen kann.
Der richtige Name ist
"Genozid" und nicht "Sho'a"
Haarez, 29. April
1994
Nachdem ich den Artikel des
Holocaust-Gelehrten Jehuda Bauer (Haarez, 21. April) über Goldstein
gelesen hatte, verstand ich schließlich, warum die Ausrottung der Juden
durch die Nationalsozialisten in meiner Sicht fälschlicherweise formell
"Sho'a" [Kalamität] und nicht einfach "Genozid" oder "Ausrottung"
genannt wurde. Da für Bauer die jüdischen Gebote zur Ausrottung anderer
Völker anscheinend nicht existieren, könnte die Annahme eines anderen
Namens gute Gründe haben. Genau aus diesen Gründen erlaubt sich Bauer,
das Massaker Goldsteins teilweise zu rechtfertigen, wenn er schreibt,
daß "Goldstein sich selbst als Opfer der arabischen Amalekiter gesehen
haben muß". Ich bin nicht sicher, ob die deutschen Nationalsozialisten
tatsächlich ihre eigene Propaganda glaubten, die besagte, daß die
Deutschen "Opfer" der Juden seien. Ich weiß aber, daß ein Mörder kein
Opfer ist. Das Opfer ist derjenige, der ermordet wurde!
Ich weiß auch, und Bauer muß es
wahrscheinlich auch wissen, daß die jüdischen Gebote zur Ausrottung der
Amalekiter und Kanaaniter einen Genozid verlangen. Über die Kanaaniter
sagt die Bibel: "Du sollst nichts leben lassen, was Odem hat." (5. Mose
20, 16). Man muß auch wissen, daß gemäß der Bibel Ausrottungen immer
dann vorzunehmen sind, wenn die Juden stark sind. Der Absatz, der die
Ausrottung der Amalekiter befiehlt, enthält auch die folgenden Worte:
"Wenn nun der Herr, Dein Gott, Dich zur Ruhe bringt von all Deinen
Feinden ... so sollst Du das Gedächtnis der Amalekiter austilgen unter
dem Himmel" (5. Mose 25, 19). Die Ausführung dieses Gebots befiehlt die
Bibel mit folgenden Worten: "So zieh nun hin und schlage die Amalekiter
und verbanne sie mit allem, was sie haben; schone ihrer nicht, sondern
töte Mann und Weib, Kinder und Säuglinge" (1. Samuel 15, 3). Die
israelischen Siege [über alle Nachbarn], die in der Bibel am Ende des
vorangegangenen Kapitels beschrieben sind, dienen als Grundprinzip für
den Befehl zum Völkermord, der dann folgt.
Diese Befehle zum Völkermord
stehen alle [manchmal in etwas anderen Varianten] in allen Listen der
613 Gebote, die [nach dem Talmud] die Juden befolgen müssen. Anders als
bei bestimmten Geboten, die nur zeitweilig gültig sind, bleiben die
genannten für "alle Generationen der Juden" gültig, was bedeutet, daß
sie auch in Zukunft auszuführen sind. Von Jehuda Bauer habe ich noch
nicht ein Wort über den Befehl zur Ausrottung nichtjüdischer Säuglinge
gehört. Auch habe ich von ihm noch keinen Hinweis darauf erhalten, was
er über die mögliche Auswirkung dieses Gebots auf fromme Juden und
deswegen auch auf fromme Christen denkt. Solange ich nichts von ihm
darüber erfahre, bleibe ich bei meiner Ansicht, daß die
Holocaust-Gelehrten, die sich nur auf die Behandlung des Holocaust
alleine beschränken und nicht das Thema der anderen Gebote zum
Völkermord erwähnen, die Schuld an der moralischen und intellektuellen
Korrumpierung ihrer Gelehrsamkeit tragen.
Der Verrat der
[israelischen] Medien und Intellektuellen
Haarez, 2. Mai 1994
Danny Rubinstein (Haarez, 25.
April) legt "die Hamas-Ideologie der Etappen" zu eng aus, zum Teil, weil
das einzig interessante für ihn die Haltung der Palästinenser gegenüber
dem Staate Israel ist. Nach meiner Ansicht sollten wir uns eingehender
mit dem Einfluß der Hamas auf die palästinensische Gesellschaft
beschäftigen.
Wir sollten mehr Interesse an
der Ideologie der Hamas zeigen, nach der alle politischen Rechte nicht
nur den Juden, sondern auch den Christen zu verweigern sind. Es sollte
uns Sorge bereiten, daß Hamas derzeit gegen jede Teilnahme der Christen
an der Politik opponiert. Da im Gaza-Streifen die Christen eine kleine
Minderheit sind, hatten es "die palästinensischen Kompromißler" leicht,
die Rechte dieser Minorität zu ignorieren. Im Westjordanland, wo der
Bevölkerungsanteil der Christen weitaus höher ist, verteidigen alle
PLO-Organisationen einschließlich derer, die - aus welchen Gründen auch
immer - "sozialistisch" genannt werden, die Rechte der palästinensischen
Christen in der Theorie und ignorieren sie in der Praxis. Die Forderung
der Hamas, bei allen Zusammenkünften, die sie mit Vertretern anderer
Organisationen abhält, müsse jeder ein Moslem sein, wurde von diesen
Organisationen schon seit langer Zeit stillschweigend akzeptiert.
Desgleichen verweigert Hamas
die Gewährung irgendwelcher politischer Rechte an Frauen. Im
Gaza-Streifen hatte sie in dieser Hinsicht schon einen totalen Sieg
errungen. Das Ergebnis ist, daß es keine palästinensische Organisation
gibt, an deren Politik Frauen noch teilnehmen können. Im Westjordanland
hat die Hamas insofern nur einen Teilsieg errungen. Dennoch dürfen
Frauen nicht mehr den Zusammenkünften beiwohnen, an denen die Hamas
teilnimmt.
Ich habe hier nicht die
Absicht, irgendwelche politischen Schlußfolgerungen aus diesem Stand der
Dinge zu ziehen. Ich vertrete hier lediglich die Meinung, daß die
israelischen Medien danach trachten, den Friedensprozeß bis zu dem Punkt
zu fördern, indem sie ihre elementare Pflicht zur Meldung der
Neuigkeiten vernachlässigen können, und zwar in diesem Falle die
Nachrichten über Entwicklungen innerhalb der palästinensischen
Gesellschaft. Noch bedauerlicher ist in meiner Sicht der Verrat einiger
[israelischer] Intellektueller, die zwar nach Frieden streben, aber kein
Wort über die vielen Verletzungen der Menschenrechte verlieren, die
während des Friedensprozesses durch die verschiedenen palästinensischen
Organisationen begangen werden. Die schlimmsten Übeltäter sind in meiner
Sicht aber die palästinensischen Intellektuellen, die in Israel leben,
jedoch immer wieder predigen, daß wir "uns in den Nahen Osten
integrieren müssen". Ihr Schweigen über die Verletzungen der Rechte der
palästinensischen Frauen und Christen zeigt klar, daß sie in
Wirklichkeit die Demokratie immer nur dann wollen, wenn sie den
selbstgesteckten Zielen der PLO dienen kann.
Sabra und Schatila
Nr. 2
Jeruschalajim, 10.
Juni 1994
Wie die [israelischen]
Zeitungen letzte Woche meldeten, waren einige Bomben und Raketen, die
die [israelische] Luftwaffe auf das Hisbolla-Camp im Libanon abwarf oder
abfeuerte, mit Zeitzündern ausgestattet. Als jemand, der an der
Untersuchung der israelischen Angriffe auf libanesische Zivilisten im
Jahre 1982 beteiligt war, kann ich die spätere Bestätigung der Vorwürfe
bezeugen, daß Bomben und Raketen mit Zeitzündern, die Israel zu jener
Zeit herstellte und nie abstritt, offensichtlich unter diesen Umständen
gegen medizinische Rettungsdienste und schon Verwundete gedacht waren.
Ich betrachte den Einsatz von Zeitzünderbomben unter solchen Bedingungen
als gleichwertig mit der Bombardierung eines durch den Roten Davidstern
gekennzeichneten Krankenwagens. In meiner Sicht ist die vorsätzliche
Barbarei seitens eines Staates, der bewußt Sanitätspersonal bei der
Rettung von Verwundeten beschießen läßt, noch schlimmer als das Massaker
bei Sabra und Schatila.
Wenn die derzeitigen
libanesischen (und wiederum von Israel nicht bestrittenen) Vorwürfe
hinsichtlich des Einsatzes von Zeitzünderbomben richtig sind - und ich
befürchte, sie sind richtig - kann ich nur daraus schließen, daß Rabin
schlechter ist als Scharon und die Merez-Partei noch schlechter als
Rabin. Und die "Frieden jetzt"-Bewegung ist noch nicht einmal eines
Wortes wert.
Die [zionistische]
Arbeiterbewegung ist nicht sozialdemokratisch
Schischi, 10. Juni
1994
Gabriel Moked glaubt, daß, wenn
er den Histadrut, die [zionistische] Arbeiterbewegung und die
[israelische] Arbeiterpartei "sozialdemokratisch" nennt, diese Begriffe
auch auf sie passen (Schischi, 27. Mai). Lassen Sie mich diese Art von
Demagogie auseinandernehmen. Zunächst einmal besitzt keine echte
sozialdemokratische Partei großes Eigentum mittels eines
"Arbeiter-Wirtschaft" genannten Konzerns. Keine sozialdemokratische
Partei würde eine Wirtschaftspolitik á la Reagan wagen. Schischi soll es
doch einmal ausprobieren. Sie soll doch in ihren wöchentlichen Umfragen
die israelischen Arbeiter fragen, wo sie eine Beschäftigung vorziehen:
in Privatunternehmen oder in Firmen, die zu der Histadrut-eigenen
"Arbeiter-Wirtschaft" gehören. Es wird sich zeigen, daß sie erstere
vorziehen. Solche Leute, die tatsächlich mit den Arbeitern sprechen,
wissen, daß der Histadrut ihr größter Feind und Ausbeuter ist.
Es gibt aber einen noch
wichtigeren Punkt, wo der Histadrut und die [israelische] Arbeiterpartei
im totalen Gegensatz zu sozialdemokratischen Prinzipien stehen - dies
ist die extreme Form des von ihnen übernommenen jüdischen Chauvinismus.
Wir wollen uns erinnern, daß die sozialdemokratischen Parteien seit
ihren Anfängen und noch heute Mitgliedskandidaten ohne nationale oder
religiöse Diskriminierung akzeptierten. Wir wollen uns auch erinnern,
daß sie dieses Prinzip auch auf Juden anwandten und Juden führende
Positionen in einigen solcher Parteien einnahmen, lange bevor sie
ähnliche Stellungen in anderen Partei erhielten. Im Gegensatz dazu wurde
der Histadrut [im Jahre 1920] als eine Organisation gegründet, zu der
nur Juden gehören durften. Und erst nach mehr als 50 Jahren ihres
Bestehens nahm sie arabische Mitglieder auf. Bis zum heutigen Tag
diskriminiert der Histadrut Araber und begünstigt die Mitglieder aus
Siedlerkreisen.
Schlechter ist noch die Lage in der Arbeiterpartei: Sie ist bis auf den
heutigen Tag eine rassistische Partei.
"Diese Missetat soll
euch nicht vergeben werden, bis ihr sterbet"
Haarez,
Freitags-Literaturbeilage, 5. August 1994
Dies ist eine Erwiderung auf
die Kritik von Israel Gutman (22. Juli) und Jehuda Bauer (29. Juli) an
einem von Jossi Grodzinsky verfaßten Artikel mit dem Titel "Der
zionistischen Ausbeutung des Holocausts widerstehen" (15. Juli). Ich
lebte im Warschauer Ghetto bis kurz vor der Zerstörung und dann nahezu
zwei Jahre lang in Bergen-Belsen. Nach der Befreiung sprach ich mit
Hunderten von Überlebenden aus dem Warschauer Ghetto. Wie ich selbst, so
erinnerten sich alle, daß die ersten Nachrichten, die Juden würden
ausgerottet, das Warschauer Ghetto kurz nach dem Juni 1941 aus den
jüdischen Gemeinden der UdSSR und später aus verschiedenen kleineren
Städten Polens erreichten. Die besonders schrecklichen Nachrichten über
die Liquidierung des Ghettos von Lublin erreichten das Warschauer Ghetto
erst vor dem Beginn seiner Zerstörung. Doch nicht eine einzige
organisierte jüdische Körperschaft versuchte während dieser Monate, die
Warschauer Juden davor zu warnen, daß sie bald an der Reihe wären.
Keiner von ihnen rief dazu auf: Rette sich, wer kann!
Meiner Ansicht nach beging man
damit einen schweren Fehler, ebenso diejenigen, die später den Aufstand
im Warschauer Ghetto organisierten. Der Aufstand, der schon kurz nach
der Ausrottung eines Großteils der Juden im Warschauer Ghetto begann,
kann meiner Ansicht nach ihre Führer nicht von dem Versagen entlasten,
die Menschen vor der bevorstehenden Ausrottung zu warnen. Ich erinnere
mich, [im Jahre 1979 in hebräisch] S. B. Beit-Zvis Buch "Der
Post-Uganda-Zionismus vor Gericht - Eine Fehleranalyse der zionistischen
Bewegung während des Holocausts" gelesen zu haben [die englische Version
wurde vom Autor 1991 veröffentlicht]. Das Buch bestätigte meinen
früheren Verdacht. Wenn ich an die Insurgenten im Warschauer Ghetto
denke, sage ich am "Holocaust- und Heldentag" eines jeden Jahres den
Vers Jesaja 22, 14: "Was gilts, ob euch diese Missetat soll vergeben
werden, bis ihr sterbet?" Obwohl sie Zugang zu viel besseren
Informationsquellen als ein durchschnittlicher Jude im Ghetto hatten und
sich als Führer und Vertreter der Juden betrachteten, unterließen sie es
weitgehend, die Juden vor ihrem bevorstehenden Schicksal zu warnen. Dies
war in der Tat eine Missetat.
Desgleichen betrachte ich alle
organisierten Versuche zur Rettung der osteuropäischen Juden und
insbesondere alle bewaffneten Aufstände zur "Rettung der jüdischen Ehre"
im besten Falle als nutzlos. Ich stimme mit Beit-Zvis Ansicht vollkommen
überein, daß die echten jüdischen Helden, die eine Ehrung von uns jetzt
verdienen, die Juden waren, die sich weigerten, "sich organisieren zu
lassen", und sich selbst retteten.
In seiner brillanten
Denkschrift zeigt Beit-Zvi, wie die zionistische Führung jener Zeit
zusammen mit dem "Bund" und "Agudat Israel" ihre elementare Pflicht
verletzte, die Juden Europas zu informieren. Er zeigt auch, wie in den
Jahren 1941/1942 die hebräische Presse Palästinas fortlaufend die
Berichte der sowjetischen und polnischen Regierung und später
Informationen aus anderen Quellen ignorierte, daß die europäischen Juden
ausgerottet würden. Und immer dann, wenn die hebräische Presse in
Palästina solche Nachrichten nicht ganz verschweigen konnte, taten sie
alles, um sie herunterzuspielen, indem sie gelegentlich sogar offizielle
Leugnungen der Nationalsozialisten zitierten. Ich werde nie vergessen,
daß die Führung der zionistischen Bewegung sich damals still verhielt
und andere zum Schweigen vergatterte. Und solche Holocaust-Historiker,
die jetzt die Führung entlasten wollen, handeln noch verwerflicher.
Meiner Ansicht nach hatte
Beit-Zvi recht, wenn er den Schluß zog, daß die Führung der
zionistischen Bewegung kein Interesse an der Rettung der Juden hatte,
sofern sie nicht nach Palästina emigrierten. Die Möglichkeit, Juden zu
retten, indem man sie in andere Länder ausreisen ließ, war zwar nicht in
vollem Umfange gegeben, bestand aber doch. Die zionistische Führung tat
alles, um diese Gelegenheit zu vereiteln. Die Vorfälle um das Schiff
"Patria", das im Dezember 1940 im Hafen von Haifa mit hunderten
illegaler jüdischer Emigranten an Bord ankerte, sind in diesem
Zusammenhang äußerst lehrreich. Die Briten waren dabei, die Passagiere
der "Patria" auf die Insel Mauritius zu deportieren, wo sie sicherlich
nicht in Lebensgefahr gewesen wären. Doch die zionistische Führung legte
eine Mine an Bord mit dem Effekt, daß mehr als 200 Juden beim Untergang
des Schiffes ertranken.
Die zionistische Führung hatte
natürlich nicht vor, sie zu töten - sie wollten nur die Abfahrt des
Schiffes verhindern. Nichtsdestoweniger war der Befehl, die Bombe zu
legen, symptomatisch für eine spontane Gleichgültigkeit gegenüber
Menschenleben. Auf alle Fälle ist es ein totalitärer Zug, anzunehmen,
daß der Zweck die Mittel heilige, auch wenn ein Menschenleben auf dem
Spiel steht. In diesem Sinne war die zionistische Bewegung
Totalitarismus par excellence.
Darum glaube ich, daß sowohl
Beit-Zvi als auch Grodzinsky sich Verdienste erworben haben, indem sie
die totalitären Elemente unserer nationalen Geschichte freilegten, in
der der Holocaust noch immer eine zentrale Bedeutung hat.
Die Ideen der
Chabad-Bewegung sind noch verwerflicher als diejenigen von Kahane
Davar, 11. September
1994
Sie haben schon viel Platz für
ein Interview mit einer Siedlerin in Hebron bereitgestellt, die zu der
vom kürzlich verstorbenen Ljubawitscher Rebbe geführten Chabad-Bewegung
gehört (Davar, 1. September). Deshalb hoffe ich, daß Sie noch Platz für
die Beschreibung der Gedankenwelt jener Bewegung haben werden. Lassen
Sie mich zuerst darauf hinweisen, daß der Massenmörder Goldstein nicht
nur Mitglied bei Kahane, sondern auch bei der Chabad-Bewegung war. Eine
große Delegation aus dieser Bewegung war bei seinem Begräbnis zugegen.
In meiner Sicht sind die Vorstellungen der Chabad-Bewegung noch
verwerflicher als diejenigen von Kahane, jedoch mit der Ausnahme, daß
deren echte Bedeutung von ihren zahlreichen Anhängern in den
israelischen Medien verschleiert wird. Kahane brachte wenigstens seine
Ansichten offen und ohne jede Täuschung vor.
Hier ist zum Beispiel ein Zitat
aus den "Gesammelten Gesprächen" des kürzlich verstorbenen Ljubawitscher
Rebbe. Diese Sammlung wird von seinen Anhängern verbreitet und behandelt
den Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden. "Der Unterschied zwischen
einem Juden und einem Nichtjuden liegt in dem oft wiederholten [talmudischen]
Satz 'Laßt uns eine kategorische Unterscheidung verwenden'. Dies
bedeutet, daß der Unterschied zwischen einem Juden und einem Nichtjuden
nicht gradueller Natur ist. Die jüdische Überlegenheit ist so absolut
wie der Unterschied zwischen verschiedenen Tierarten. Der Leib eines
Juden und der Leib eines Nichtjuden sind zwei unvergleichbare Dinge.
Dies ist der Grund, warum der 'Alte Rebbe' [der Gründer der
Chabad-Bewegung, der 1812 starb] in seinem Buch 'Hatanya' schrieb, daß
die Aussage [von jüdischen Betern] 'Du hast uns unter allen Völkern
auserwählt' sich auf den Unterschied zwischen den Leibern der Juden und
denen der Nichtjuden bezieht. Als Argument brachte er vor, daß eine Wahl
nur zwischen etwas erfolgen kann, was nach dem Erscheinungsbild gleich
ist. Und in der Tat sehen die Leiber der Juden wie die Leiber der
Nichtjuden aus. Der zitierte Satz sagt aber, daß, obwohl die Leiber
gleich aussehen können, der geistige Unterschied zwischen ihren so groß
ist, daß die Leiber der Juden und Nichtjuden, wie ich gerade erläutert
habe, zu gänzlich verschiedenen Arten gehören. Dies ist der Grund, warum
der Talmud in dem Sabbat-Traktat sagt, daß die Halacha [das jüdische
Religionsgesetz] die Leiber der Nichtjuden, 'die keine Bedeutung haben',
in diametral entgegengesetzter Weise wie jüdische Leiber zu behandeln
sind.
"Bisher habe ich den
Unterschied zwischen den Leibern erklärt. Der Unterschied zwischen den
Seelen ist jedoch unvergleichlich größer. Die Seele eines Nichtjuden ist
die Antithese der jüdischen Seele, da erstere aus den verschmutzten
Sphären Satans, die letztere dagegen aus der Heiligkeit stammt" ("Likutei
Sichot" ["Gesammelte Gespräche"], 1965, S. 297). Das Buch "Hatanya", das
in der Tat meint, daß die Seelen aller Nichtjuden aus satanischen
Sphären stammten, sagt auch, daß "man absolut nichts von Wert in der
Seele eines Nichtjuden findet". Und dennoch bleibt es der Leitfaden der
Chabad-Bewegung. Daraus kann ich nur schließen, daß die Vorstellungen
der Chabad-Bewegung über die Nichtjuden sich nicht wesentlich von den
Vorstellung der Nationalsozialisten über die Juden unterscheiden.
Der vernünftigere Teil unserer
Gesellschaft beklagt jetzt den Tod des Professors Leibowitz seligen
Angedenkens, dessen Ableben und Begräbnis die [ultra-fromme] Tagespresse
der Haredim mit keinem einzigen Wort erwähnte. Erinnern wir uns bei
dieser Gelegenheit, daß eine der größten Leistungen von Leibowitz die
Prägung des Begriffes "Judäo-Nazismus" war. Er wandte diesen Begriff
nicht nur auf die Juden an, die als Bewunderer von Hitlers Ideologie
nichts mehr als ein Bündnis mit ihm wünschten, sondern auch auf die
jüdischen Ideologien, die der Ideologie der deutschen
Nationalsozialisten stark ähnelten, auch wenn das Wort "Nichtjuden" bei
den vorher genannten durch das Wort "Juden" bei den letztgenannten
ersetzt wurde. Bei dieser Gelegenheit wollen wir uns auch erinnern, daß
Leibowitz nicht zufällig die Kabbala "die Jauchengrube des Judaismus" zu
nennen pflegte. Obwohl die chassidischen Sekten in der Kabbala wurzeln,
kann man von der Chabad-Bewegung sagen, daß sie den Bodensatz dieser
Jauchengrube bildet, der auch weiterhin alle ihre Anhänger besudelt und
eine Bedrohung für uns alle darstellt.
Die
"Grundsatzerklärung" erkennt nicht die Rechte der Palästinenser an
Davar, 5. Dezember
1994
Es scheint mir, daß Daniel
Ben-Simon (Davar, 28. November) sich jetzt klar darüber werden sollte,
daß die Regierung Rabins und das sie unterstützende israelische
"Friedenslager" noch nie die Absicht hatten, mit den Palästinensern
Frieden zu schließen und tatsächlich auch nie Frieden geschlossen haben.
Was Rabin machte, war ein Abkommen mit einem verlogenen Diktator: Jassir
Arafat. Die "Grundsatzerklärung" von Oslo erkennt noch nicht einmal
irgendwelche palästinensischen Rechte an, sondern nur das Recht der PLO,
d.h. das Recht von Arafat und seinen Opportunisten, die Palästinenser zu
repräsentieren. Die tatsächlichen Abkommen zwischen Israel und der PLO
wurden nicht in Oslo geschlossen, sondern in einer Reihe von
Zusammenkünften der führenden Leute des israelischen Schabak mit von
Arafat bestallten Köpfen seiner diversen Geheimpolizeien. Rabin und
Peres haben nie vorgehabt, die israelische Herrschaft über die besetzten
Gebiete aufzugeben. Sie wollten nur eine Änderung der Form, indem sie
die Gangster der Fatah noch wirksamer die Schmutzarbeit tun ließen, die
zuvor die israelischen Soldaten in den Gassen von Jabliya oder den
Straßen von Nablus verrichteten. Wie Rabin selbst formulierte, wollten
sie selbst diese Dreckarbeit "ohne Eingriff des höchsten [israelischen]
Gerichts und Be Zelem" tun. Dies war es, was geschah.
Daraus folgt, daß Rabins
Unterstützung für die Siedlungen durch Anlegen eines Netzes von
Apartheid-Straßen zwischen ihnen nicht als bloße Taktik ausgelegt werden
kann. Sie ist Teil einer großen Strategie, die auf zwei Fundamenten
steht: der Verstärkung der Apartheid in den besetzten Gebieten und die
Gegnerschaft gegen jede Form palästinensischer Demokratie. Das
israelische "Friedenslager", dessen Hauptbeschäftigung die Verehrung der
Person Arafats ist, verfolgt dieselben Ziele. Dies erklärt auch, warum
es sich von Rabin so wenig unterscheidet. Sowohl Rabin als auch das
"Friedenslager" unterstützen, zumindest stillschweigend, jedes Massaker
an den Palästinensern, wenn es nur von den Gangstern Arafats verübt
wird. Die zwischen Rabin und dem winzigen "Friedensblock" bestehenden
Differenzen sind nur gering, vergleicht man sie mit der von ihnen
geteilten Ansicht, daß die israelischen Interessen es vorschreiben, die
Palästinenser besser durch Arafat als durch Israel massakrieren zu
lassen.
Solche Ziele in der Politik
sind noch unmoralischer als diejenigen des Jizchak Schamir. Und es
besteht keine Chance, daß sie Gestalt annehmen. Arafat ist ein alle
Rekorde brechender Lügner im Nahen Osten, deswegen kann man sich nicht
darauf verlassen, daß er die Versprechungen hält, die er für das
Massaker an den Palästinensern zum Nutzen Israels gab. Er wird sie nur
dann massakrieren, wenn es in seine eigenen Interessen paßt. Sowenig
Peres 1965, als er die Rafi-Partei führte, die Absicht hatte, sein
Versprechen, 'jedem israelischen Arbeiter ein Auto zu geben',
einzulösen, sowenig hat er 1994 den Willen, die besetzten Gebiete zu
entwickeln. Millionen an Dollar, die Peres im August [1994] vom 'Holst-Fonds'
für Arafat erhielt, wurden für den Versuch "investiert", Arafats Feinde
in den palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon umzubringen. Auch
dieser Versuch endete mit einem Fehlschlag.
Der derzeitige "Friedensprozeß"
ist unmoralisch, weil er zum Ziel hat, das Apartheid-Regime in den
besetzten Gebieten zu festigen. Er ist zu einem Fehlschlag verurteilt,
da er auf einem Abkommen mit einem Diktator beruht, der selbst als
Diktator ein Versager ist. Anders als Diktatoren wie Assad ist Arafat
nicht in der Lage, die von ihm unterzeichneten Verträge einzuhalten.
Nichtmoderater
physischer Druck
Haarez, 16. Dezember
1994
Ran Kislev (Haarez, 6.
Dezember) braucht keine Beispiele aus anderen Ländern anzuführen, um zu
beweisen, daß ein Staat Sicherheit haben und ohne Folter überleben kann,
und daß Staaten, die Folter benutzen, nicht ihre Sicherheit verbessern.
Israel hatte einen Premierminister, Menachem Begin, der im Herbst 1977
die Folter abschaffte. Das Verbot der Folter war bis 1982 in Kraft. Die
massive Anwendung der Folter begann 1984 mit der Ernennung Rabins zum
Verteidigungsminister. Ich möchte herausstellen, daß während des Verbots
der Folter der Staat Israel auch weiterhin existierte, die besetzten
Gebiete in Besitz nahm und eine Menge Siedlungen baute.
Herausstellen möchte ich auch,
daß alle Organisationen der PLO eine Zeit lang die Folter anwandten, sei
es bei "Befragungen von Kollaborateuren" oder als gewöhnliche Praxis.
Die Autonomiebehörden im Gaza-Streifen und in Jericho foltern
Verdächtige routinemäßig; die Anwendung der Folter scheint ihnen aber
nicht weitergeholfen zu haben. Viele Israelis, die gegen die Folter -
Entschuldigung, "den kurzzeitig verstärkten moderaten physischen Druck"
- sind, wenn sie der Schabak anwendet, haben nichts dagegen, wenn
Arafats Banditen sie anwenden. Israel hat noch keine Organisation, die
gegen die Folter eintritt, gleichgültig, wer sie anwendet.
Nur zum Nutzen der
Juden
Kol Hair, 6. Januar
1995
Ich bedaure, daß Hillel Cohen
das ausläßt, was ich als die wichtigste Frage in seiner Darstellung
ansehe, nämlich das den Dorfbewohnern von Al-Chader (Kol Hair, 6.
Januar) geraubte Land. Nachdem das konfiszierte Land als zum Staate
Israel gehörig deklariert wurde, steht es offiziell nur für eine
Benutzung durch die Juden zur Verfügung. Nicht nur die Palästinenser
(auch diejenigen unter ihnen, die in der israelischen Armee, der Polizei
und im Schabak dienen) haben kein Recht zur Benutzung solchen Landes.
Die rassistischen Vorschriften des Jewish National Fund, dem solche
Angelegenheiten obliegen, verbietet auch die Verpachtung an oder die
Verwendung durch irgend einen anderen Nichtjuden.
Meiner Ansicht nach übertrifft
dieser institutionalisierte Rassismus an Bedeutung noch den Raub des
Landes von den Palästinensern. Es gibt viele Staaten, die systematisch
Land stahlen. Die USA raubten zum Beispiel indianisches Land und
bildeten dann daraus Staatsland. Nichtsdestoweniger steht solches Land
jetzt US-Bürgern zur Benutzung zur Verfügung. Würde man in den USA einem
Juden verbieten, Staatsland nur aus dem Grunde, weil er Jude ist, zu
erwerben, so würde man dies zu Recht als Antisemitismus interpretieren.
Sofern wir nicht das echte
Problem erkennen - nämlich den rassistischen Charakter der zionistischen
Bewegung und des Staates Israel sowie die Wurzeln dieses Rassismus im
jüdischen Religionsgesetz [Halacha] - werden wir nicht in der Lage sein,
unsere Realität zu verstehen. Und sofern wir diese nicht verstehen
können, werden wir sie auch nicht ändern können.
Ein Fall von
Vorurteilslosigkeit aus dem 11. Jahrhundert
Haarez, 10. Februar
1995
Im Gegensatz zu den mystischen
Vorstellungen von Joram Bronovski (Haarez, 27. Januar) über die
Überlegenheit der hebräischen Sprache und die Unterlegenheit anderer
Sprachen möchte ich die Ansichten des Rabbi Mose Ibn Esra aus seinem
Buch "Die Poetik" zitieren, dem überhaupt ersten Buch über hebräische
Dichtung (es ist übrigens in Arabisch geschrieben). Meine Zitate stammen
aus der hebräischen Übersetzung von Benzion Halper, Schtibel Publishers,
1924.
Im dritten Kapitel seines Buchs
erörtert Ibn Esra die Frage: "Wie kommt es, daß die Poesie natürlichen
Klang in Arabisch und künstlichen Klang in allen anderen Sprachen hat? "
Seine Schlußfolgerung lautet, daß es hierfür drei Gründe gibt. Der erste
Grund ist, daß das Klima der arabischen Halbinsel die Redegewandtheit
förderte, der zweite, daß "die Araber die Kultur der Fürstenhöfe im
Iran, Irak und in Syrien angenommen haben", und der dritte und
wichtigste, daß "die Araber beharrlich alle antiken und modernen Bücher
über Wissenschaft und Kultur, die sie finden konnten, übersetzt und sie
mit Kommentaren versehen hatten und daran gingen, eigene Werke über
diese Themen zu schreiben". Ibn Esra fügt hinzu, daß man den Arabern
insbesondere die Übersetzung von griechischen Büchern anvertrauen könne,
"weil es weithin bekannt ist, daß nicht nur die Griechen in der
Wissenschaft weiter entwickelt als jedes andere Volk waren, sondern daß
die griechische Metaphysik der einzige Weg ist, das Lob späterer
Generationen zu erhalten".
Damit hält Ibn Esra alle
Sprachen für potentiell gleich und stützt seine Behauptung mit einer
Geschichte.
Als ich noch jung war und in
meinem Heimatland Granada lebte, sprach ich mit einem großen
moslemischen Gelehrten, der das islamische Religionsgesetz hervorragend
kannte. Er war mein Patron, dem ich sehr viel verdanke. Während des
Gesprächs bat er mich, ihm die zehn Gebote in Arabisch vorzulesen. Mir
war klar, daß er mir ihre stilistischen Mängel aufzeigen wollte. Deshalb
bat ich ihn, mir vorher die erste Sure des Koran in lateinischer Sprache
vorzulesen. Er konnte lateinisch nicht nur sprechen, sondern war auch
ein unübertroffener Meister dieser Sprache. Als er versuchte, die erste
Sure des Koran ins Lateinische zu übersetzen, schien ihr herrlicher Stil
ins Lächerliche und ihre große Schönheit in Häßlichkeit abzugleiten. Ihm
wurde dann klar, was ich beabsichtigte, und wiederholte nie mehr seine
Bitte.
Wir können nur hoffen, daß man
in unserer Zeit dieser Vorurteilslosigkeit ein wenig nacheifert, die man
damals in Granada oder zumindest unter den Gelehrten am Ende des elften
Jahrhunderts antraf.
Das jüdische Religionsgesetz ist inhuman
Haarez , 31. Dezember
1995
In seinem Artikel ("Wer ist ein
Verfolger", Haarez, 11. Dezember) zitiert Rabbiner Jehuda Hankin den
Vers "Du sollst auch nicht stehen wider deines Nächsten Blut" (3. Mose
19, 16) und versucht, ihn mit dem Gesetz zu vergleichen, das "allen
zivilisierten Staaten gemeinsam ist und allen Bürgern zur Pflicht macht,
das Leben eines jeden anderen Menschen zu retten". Diese Pflicht, so der
Autor, leitet sich nur von den zitierten biblischen Versen ab. Als ob
die elementare Pflicht, menschliches Leben zu retten, nicht schon im
alten Griechenland und Rom bekannt gewesen wäre!
Wir wollen das Problem des
Ursprungs dieser Pflicht verlassen und uns stattdessen auf die Frage
konzentrieren, was das Wort "Mensch" [hebr.: Adam] in diesem jüdischen
Religionsgesetz bedeutet. Ich weiß nicht, ob der Rabbiner das
gutbekannte talmudische Diktum meinte, das als Grundlage für das gesamte
jüdische Religionsgesetz gilt: "Ihr [die Juden] werdet Menschen [Adam]
genannt. Die anderen Völker der Erde (d.h. Nichtjuden) werden aber nicht
Menschen [Adam]" genannt, was die Verwendung des Begriffs "Mensch"
[Adam] nur auf die Juden beschränkt. An einer anderen Stelle in seinem
Artikel, in dem er das Verbot der Tötung von Nichtjuden ['Gojim'] "
erörtert, benutzt er nicht den Ausdruck "Menschen", sondern spricht nur
von "Nichtjuden". Er unterläßt es aber zu sagen, daß das jüdische
Religionsgesetz ein allgemeines und gleiches Verbot hinsichtlich der
Tötung von "Menschen" kennt. Desgleichen erwähnt er nicht, daß, obgleich
den Juden das Töten von Nichtjuden verboten ist, sich dieses Verbot sehr
stark vom Verbot, Juden zu töten, unterscheidet. Im Gegensatz zu dem,
was "einige zivilisierte Staaten gemeinsam haben", darf ein Jude, wenn
er einen Nichtjuden tötet, nach dem jüdischen Religionsgesetz nicht
bestraft werden und wird auch nicht als Mörder betrachtet.
Das jüdische Religionsgesetz
stellte schon im Talmud ausdrücklich fest, daß Juden das Leben eines
Nichtjuden nicht retten dürfen. Was das Leben eines nichtreligiösen
Juden betrifft, so steht im jüdischen Religionsgesetz, daß der fromme
Jude ihn töten sollte, wenn er dazu in der Lage ist. Maimonides schrieb:
"Was jedoch die Nichtjuden, mit den wir uns nicht im Krieg befinden, und
die [jüdischen] Schäfer kleiner Viehherden und ähnliche [jüdische]
Sünder betrifft, so sollten wir nicht absichtlich ihren Tod
herbeiführen. Es ist jedoch verboten, sie zu retten, da geschrieben
steht: 'Du sollst auch nicht stehen wider deines Nächsten Blut', und ein
Nichtjude ist nicht 'Dein Nächster'" (Gesetze betreffend Mord und
Lebensrettung, Kapitel 4, Gesetz 11). Was die jüdischen Sünder angeht,
schrieb Maimonides an etwa derselben Stelle: "Es ist jedoch eine fromme
Pflicht ['Mizwa' in Hebräisch, derselbe Begriff, der zum Beispiel für
die Ausübung von Barmherzigkeit verwendet wird], jüdische Ungläubige und
Götzenanbeter ... zu töten. Wenn die Juden die Macht haben, sie
öffentlich durch Abschlagen des Kopfes mit dem Schwert zu töten, so
sollten sie dies tun." (ebenda, Gesetz 10).
Was die Rettung von Leben
angeht, so wird die Angelegenheit besonders in Bezug auf die Gesetze des
Sabbats behandelt. Wenn die Rettung des Lebens eines Nichtjudens durch
einen frommen Juden es erforderlich macht, den Sabbat zu verletzen, dann
ist solch eine Verletzung streng verboten. Eine solche Verletzung ist
jedoch erlaubt und sogar Pflicht, soll das Leben eines Juden gerettet
werden. Der Weise Rabbi Akiba Eger (gestorben 1837), dessen Anmerkungen
zum wichtigsten Kompendium des jüdischen Religionsgesetzes Schulchan
Aruch in den normalen Ausgaben des Buches erscheinen und somit
sicherlich im "Kolel" der Bar-Ilan-Universität, an der Jigal Amir
studierte, bekannt sind, hat festgelegt, daß es den Juden verboten ist,
ein an einem Sabbat gefährdetes Schiff zu retten, wenn nicht genau
bekannt ist, ob sich Juden auf dem Schiff befinden, da die meisten
Schiffsreisenden Nichtjuden sind.
Eine Erörterung dessen, was die
Juden allein am Sabbat tun sollten, falls eine Wand auf Menschen
eingestürzt ist, findet sich schon im Talmud. Der Talmud legt fest, daß
ein Jude nur dann Steine an einem Sabbat anheben darf, wenn die
Möglichkeit besteht, daß sich ein Jude unter dem Steinhaufen befindet.
Frommen Juden ist es natürlich auch streng verboten, einen Nichtjuden
bei Gefährdung seines Lebens an einem Sabbat ärztliche Hilfe zuteil
kommen zu lassen, es sei denn, durch die Behandlung des Nichtjuden
können auch gefährdete Juden gerettet werden. Ich möchte herausstellen,
daß diese Vorschrift in der heutigen Zeit angewandt und von religiösen,
insbesondere ultra-religiösen ["Haredim"] Juden befolgt wird. Im
Gegensatz zu ihnen versuchen diejenigen, die wir "Gojim" nennen, in den
meisten Fällen, das Leben jedes Menschen zu retten.
Somit ist im Gegensatz zu den
Gesetzen und Bräuchen der meisten zivilisierten Staaten das jüdische
Religionsgesetz ein inhumanes Gesetz ohne Wenn und Aber. Diese
Unmenschlichkeiten werden wieder und wieder in all seinen Büchern, im
Schulchan Aruch und den wichtigsten Kommentatoren wiederholt. Wir
sollten wissen, daß immer dann, wenn die Polizei des nichtjüdischen
Staates nicht eingriff, sich die frommen Juden in der Tat weigerten, das
Leben eines Nichtjuden zu retten und alle nichtreligiösen Juden ohne
Gerichtsverfahren grausam direkt oder durch "Ehrabschneidung" töteten.
Sie töteten nicht nur jüdische "Denunzianten" oder "Verfolger", sowie es
kürzlich behauptet wurde. Sie beachteten das Gebot "Du sollst nicht
töten" überhaupt nicht, wenn sie diejenigen umbrachten, die sie als
jüdische Häretiker betrachteten, und zwar ebensowenig wie die
Inquisition oder die Kreuzzügler an dasselbe Gebot, an das sie ebenfalls
glaubten, hielten, als sie Menschen töteten, die sie als Feinde Gottes
ansahen.
Es gibt jedoch zwei wichtige
Unterschiede zwischen diesen beiden Fällen. Was die katholische
Inquisition tat, ist hauptsächlich aus dem Grunde gut bekannt, weil die
katholischen Aufrührer und Ungläubigen sowie andere christliche Kritiker
dagegen protestierten. Nicht bekannt ist jedoch, was die getan haben,
die man mit dem Begriff "jüdische Inquisition" belegen kann und nicht
weniger grausam handelte als die katholische Inquisition. Der Grund
hierfür liegt darin, daß die Mehrheit der Juden nicht auf die Stimme der
jüdischen Aufrührer und Ungläubigen hörte, sondern es vorzog, den
Rabbinern zu lauschen. Letztere "erklären" das jüdische Religionsgesetz
den weltlichen Juden solange, bis sie in der Lage sind, eine Theokratie
zu errichten, in der sie die weltlichen Juden schlechter behandeln, als
es Chomeini bei weltlichen Iranern tat. Sie werden alle Juden töten
(oder "umerziehen"), die ihnen nicht gehorchen wollen. Hinzu kommt noch,
wie sie mit den Nichtjuden, d.h. in unserem Falle die Palästinenser,
verfahren werden.
Der zweite Unterschied zwischen
uns, den Juden, und den Christen liegt darin, daß die Katholische Kirche
und sicherlich auch die Mehrheit der heute lebenden Christen die Taten
der Inquisition bereut haben. Sie unterstützen, in einigen Fällen
zumeist verbal, die Freiheit der Rede und der Gedanken und die
demokratische Regierung. Haben Sie im Gegensatz dazu schon einmal im
Judaismus von einem orthodoxen Rabbiner oder wenigstens einem
konservativen oder Reform-Rabbiner gehört, der Reue über das zeigte, was
Maimonides über die Nichtjuden sagte? Oder haben Sie schon einmal im
Judaismus von einem Rabbiner gehört, der eine einzelne Aussage des
Talmuds mißbilligt? Die unausweichliche Schlußfolgerung besteht darin,
daß die jüdische religiöse Tradition, zu der auch das Verbot der Rettung
des Lebens eines Nichtjuden und die Pflicht zum Töten der weltlichen
Juden gehört, noch immer eine Gefahr darstellt, da sie über einige Juden
noch immer die Macht haben.
Wie sagte Rabbiner Hankin: Er
gibt keinen Zusammenhang zwischen den zivilen Gesetzen, die jeden Bürger
zur Hilfe eines jeden Menschen verpflichten, dessen Leben in Gefahr ist
(gleichgültig ob jüdisch oder nicht), und dem jüdischen Religionsgesetz,
das diese menschliche Pflicht ausdrücklich nur auf die Juden beschränkt.
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