Antwort des
Niedersächsischen
Kultusministeriums
namens der
Landesregierung
Vorbemerkung der
Abgeordneten -
Die Jüdische Allgemeine
schreibt in ihrer
Ausgabe aus November
2016 auf Seite 3: „In
einer niedersächsischen
Universitätsstadt hat
die örtliche
Bildungsgewerkschaft den
antiisraelischen
Boykottaufruf eines
Lehrers in ihrer
Mitgliederzeitschrift
veröffentlicht. Nach
Protesten und einigem
Hin und Her erfolgte
schließlich eine
Distanzierung des
Kreisverbands." Dabei
geht es um eine
Veröffentlichung eines
Oldenburger Lehrers in
der regionalen
Zeitschrift der
Gewerkschaft Erziehung
und Wissenschaft. Auch
die Jerusalem Post
berichtete bereits
mehrmals über den Fall.
In dem Beitrag der
Zeitschrift PaedOL soll
der Lehrer laut
Medienberichten den
Staat Israel unter
anderem ethnischer
Säuberungen sowie
anderer schwerer
Menschenrechtsverletzungen
bezichtigen.
Medienberichten zufolge
ist er Aktivist bei der
propalästinensischen
Organisation BDS
(Boycott, Divestment and
Sanctions). Laut eigener
Website basiert die
„Internationale
BDS-Kampagne für
Palästina" „auf dem
Aufruf der
palästinensischen
Zivilgesellschaft zu
Boykott,
Desinvestitionen und
Sanktionen gegen Israel,
bis es internationalem
Recht und den
universellen Prinzipien
der Menschenrechte
nachkommt."
Das American Jewish
Committee Berlin, die
Deutsch-Israelische
Gesellschaft Oldenburg
und die frühere
Vorsitzende des
Zentralrats der Juden in
Deutschland Charlotte
Knobloch äußerten sich
kritisch zu der
Veröffentlichung des
Lehrers.
Regierungssprecherin
Anke Pörksen sagte laut
Nordwest-Zeitung vom 3.
November 2016, die
Ereignisse in Oldenburg
würden untersucht.
Vorbemerkung der
Landesregierung
- Das Kultusministerium
nimmt die gegen die
Lehrkraft erhobenen
Vorwürfe sehr ernst.
Diese hatte sich in
einem Artikel einer
GEW-Zeitschrift kritisch
mit der Politik des
Staates Israel
auseinandergesetzt und
insbesondere Einzelfälle
des Umgangs mit dort
lebenden Palästinensern
für unangemessen
erachtet.
Die Landesschulbehörde
hat in Abstimmung mit
dem Kultusministerium
die bekanntgewordenen
Vorwürfe eingehend und
sehr sorgfältig geprüft.
Dabei sind
rechtsstaatliche
Prinzipien wie u. a. die
schutzwürdigen
persönlichen Belange der
Betroffenen und die
Fürsorgepflicht
gegenüber
Landesbediensteten zu
beachten gewesen.
Abwägungen im
Spannungsfeld zwischen
den Pflichten von
Beamten wie dem
Mäßigungsgebot und der
politischen Neutralität
einerseits und der
Meinungsfreiheit
andererseits waren hier
vorzunehmen.
In dem in Rede stehenden
Artikel sind Aussagen
zum Judentum nicht
enthalten. Weiteren
vermeintlich
antisemitischen
Vorwürfen ist, soweit in
ihrer Pauschalität
möglich, nachgegangen
worden.
Die Prüfung hat ergeben,
dass die gegen die
Lehrkraft erhobenen
Vorwürfe sich bislang
als nicht substantiiert
erwiesen haben.
Gleichwohl sind mit der
Lehrkraft angesichts der
politischen Komplexität
und der historischen
Bedeutsamkeit gerade des
Nahostkonflikts
sensibilisierende
Personalgespräche
geführt worden. Dabei
wurde ausdrücklich auf
die beamtenrechtlichen
Pflichten zur Mäßigung
und Zurückhaltung bei
politischer Betätigung
wie zum Bekenntnis zur
freiheitlich
demokratischen
Grundordnung
hingewiesen. Die
Gespräche verliefen nach
Einschätzung der Behörde
sehr sachlich und offen.
Es ist anzumerken, dass
es bisher weder seitens
der Schulleitung bzw.
Schulverwaltung noch
seitens der Schüler- und
Elternschaft Beschwerden
gegeben hat, die
betreffende Lehrkraft
habe sich politisch
unangemessen geäußert
oder verhalten. Die
Lehrkraft wird durch die
Kolleginnen und Kollegen
der Schule geschätzt.
Auch das Engagement der
Lehrkraft für die
Graswurzelbewegung BDS
(Boycott, Divestment und
Sanctions) ist in die
Prüfung einbezogen
worden. Für die
Recherche der Frage,
inwiefern die
BDS-Kampagne als
antisemitisch
charakterisiert werden
kann, wurden
verschiedene
wissenschaftliche
Studien und
journalistische Artikel,
sowie öffentlich
zugängliche
Stellungnahmen und
Verlautbarungen der
deutschen und
internationalen
Webpräsenz der
BDS-Kampagne
herangezogen. Zudem
wurde Kontakt mit dem
Auswärtigen Amt, der
Bundeszentrale für
Politische Bildung und
dem Niedersächsischen
Verfassungsschutz
aufgenommen, um deren
Meinungsbilder in
Erfahrung zu bringen,
mit den eigenen
Erkenntnissen
abzugleichen und sich so
ein differenziertes
eigenes Bild zu machen
können.
Nach dieser Recherche
ergibt sich ein
vielschichtiges Bild zur
BDS-Kampagne. Deren
heterogene
Anhängerschaft könne
nicht pauschal als
antisemitisch bezeichnet
werden, gleichwohl trage
diese teilweise äußerst
problematische bzw.
kontroverse Züge. Diese
Einschätzung teilt die
Landesregierung mit dem
Auswärtigen Amt, der
Bundeszentrale für
Politische Bildung und
dem Niedersächsischen
Verfassungsschutz. Auch
die Bundesregierung hat
im Rahmen der
Beantwortung einer
Kleinen Anfrage mehrerer
der Abgeordneten der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN (BT-Drs.18/4173)
verdeutlicht, dass ihr
keine Erkenntnisse
vorliegen, die eine
Beobachtung der
BDS-Kampagne durch das
Bundesamt für
Verfassungsschutz
ermöglichten.
Die BDS-Kampagne wurde
2005 von 170
palästinensischen
Nichtregierungsorganisationen
initiiert und weist eine
breite internationale
Unterstützungsstruktur
auf. Es handelt sich um
eine Bewegung mit sehr
heterogenem Charakter.
Sowohl auf der
internationalen als auch
der deutschen Webpräsenz
wird zu einem gegen
Israel gerichteten
akademischen,
kulturellen und
ökonomischen Boykott
(Verbraucher-Boykott)
aufgerufen. Im Zentrum
der Kampagne steht ein
2005 im Namen der
palästinensischen
Zivilgesellschaft
formulierter
Boykottaufruf. Der
Aufruf kritisiert scharf
und einseitig die
israelische Besatzungs-
und Siedlungspolitik.
Aufgerufen wird zu
gewaltlosen
Strafmaßnahmen gegen
Israel.
Die Einschätzung der
BDS-Kampagne ist
vielschichtig. Die
Friedrich Naumann
Stiftung bezeichnet die
BDS-Kampagne in einer im
Oktober 2015
veröffentlichten Studie
„Boykott des Friedens:
Die BDS-Bewegung und der
Westen" als eine
„ideologisch geprägte
und auf überzogene
Rhetorik und Symbolik
setzende Bewegung", die
eine äußerst einseitige,
gegen Israel gerichtete
Interpretation im
israelisch-palästinensischen
Konflikt betreibe und
eine absolute Aufteilung
in Gut und Böse
vornehme.
Lidia Averbukh,
Israelexpertin der
unabhängigen Stiftung
Wissenschaft und Politik
in Berlin, warnt einem
HAZ-Bericht zufolge vor
„undifferenzierten
Wertungen der
umstrittenen BDS
Gruppierung". Das sei
„ein Pool von
verschiedenen
Auffassungen, die
divergieren". Es gebe
„Gruppen die das
Existenzrecht Israels
anzweifeln und Gruppen,
die sich gegen die
Okkupation der West Bank
wenden". Um
Antisemitismus zu
identifizieren müsse man
sich jeden Fall sehr
genau anschauen.
Prof. Dr. Samuel
Salzborn,
Antisemitismus- und
Rechtsextremismusforscher
an der Universität
Göttingen, stellt in
einem 2013 in der
Zeitschrift „Kirche und
Israel" veröffentlichten
Beitrag „Israelkritik
oder Antisemitismus?
Kriterien für eine
Unterscheidung" fest,
dass die BDS-Kampagne
das Ziel verfolge,
„Israel international zu
diskreditieren und zu
delegitimieren". Die
Kampagne sei nicht um
Kritik bemüht, sondern
„ihrer Intention nach
antisemitisch".
Bezugspunkt solcher und
anderer Einschätzungen
der BDS-Kampagne als
antisemitisch ist das
Konzept eines
„antizionistischen" oder
„israelbezogenen
Antisemitismus", der auf
die Ablehnung des
Existenzrechts des
Staates Israel bezogen
ist.
Eine solche Einschätzung
der BDS-Kampagne ist
allerdings nicht
unumstritten, sondern
wird äußerst kontrovers
diskutiert. Es ist zu
beachten, dass es keine
allgemein geteilte
Definition des Begriffes
Antisemitismus und
seiner unterschiedlichen
Ausprägungen gibt. In
dem 2011 vorgelegten
Bericht „Antisemitismus
in Deutschland" des
unabhängigen
Expertenkreises
Antisemitismus, der vom
Bundesministerium des
Inneren eingerichtet
wurde, wird etwa betont:
„Nicht jede einseitige
oder undifferenzierte
Kritik an Israel ist
(...) antisemitisch."
1. Zu welchem Ergebnis
ist die Landesregierung
bei der Überprüfung
gelangt?
Es wird auf die
Vorbemerkung verwiesen.
2. Welche Konsequenzen
zieht die
Landesregierung aus dem
Vorgang, insbesondere in
Bezug auf den
Oldenburger Lehrer?
Es wird auf die
Vorbemerkung verwiesen.
3. Teilt die
Landesregierung die
Auffassung des
Grünen-Bundestagabgeordneten
Volker Beck, und hält
sie den BDS für
antisemitisch?
- Die Landesregierung
kommentiert
grundsätzlich keine
Äußerungen von
Abgeordneten. Im Übrigen
wird auf die
Vorbemerkung verwiesen.
Quelle