Vortrag ausgefallen: Erfolg für
einen "Privatmann" oder sein
Eigentor?
-
Prof. Dr. Rolf Verleger
- Für den 15. Mai 2013 war ich
zu einem Vortrag an der
deutschsprachigen
Andrássy-Universität in Budapest
eingeladen. Der Titel:
"Weltkrieg um Palästina: Von
Lord Balfour bis John Kerry".
Dabei ging es um die Entstehung
der Balfour-Deklaration aus
britischen Weltmachtinteressen
und um die Diskussionslinien im
Judentum zur damaligen Zeit.
Dies geschah im Rahmen einer
Kolloquiumsreihe der Fakultät
für Internationale Beziehungen.
Am
10. Mai 2013 meldete sich ein
Herr Ilan Mor telefonisch beim
Rektor der Universität. Er
sprach sich scharf gegen meine
Person aus: Ich wolle die
Vernichtung Israels, mit mir
könne man nicht diskutieren etc.
Daher möge der Rektor bitte
diesen Vortrag absagen.
Ansonsten könnte er, der Herr
Ilan Mor, ernsthaft verstimmt
sein. Aber er rufe hier nur als
Privatmann an.
In
seinem Berufsleben ist Herr Ilan
Mor der Botschafter Israels in
Ungarn. (In dieser Eigenschaft
hatte ihn übrigens die
Universität vor einigen Wochen
zu einem Vortrag im Rahmen der
Kolloquiumsreihe eingeladen.)
Die
Andrássy-Univesität wird unter
anderem mit Geldern aus
Deutschland finanziert. Der
Rektor liest deutsche Zeitungen
und weiß, wie sie über Ungarn
berichten. Er wollte nicht eine
weitere Vorlage für den Vorwurf
liefern, in Ungarn herrsche der
Antisemitismus. Daher hielt er
es für opportun, den Vortrag
abzusagen.
Was ist
der Effekt dieser Intervention
des Privatmanns Herrn Ilan Mor?
A)
Mein Vortragstext wurde an die
interessierten Lehrenden und die
studentischen Teilnehmer
verschickt. Sie haben ihn jetzt
und können sich ein eigenes Bild
machen.
B)
Der Rektor verbrachte die
ausgefallene Vortragszeit mit
mir, dem Dekan der Fakultät und
einigen Kollegen beim
Abendessen. Wir hatten angeregte
Gespräche. Ich schenkte ihm mein
Buch "Israels Irrweg. Eine
jüdische Sicht."
C)
Alle Beteiligten haben einen
nachhaltigen Eindruck davon
erhalten, wie es manche
israelischen Privatmänner mit
der Meinungsfreiheit halten.
Ich möchte noch an zwei
gleichartige Ereignisse
erinnern:
1)
Anfang Februar 2012 sollte am
Brooklyn College (New York
City) eine
Diskussionsveranstaltung zu BDS
(Boykott, Kapitalabzug und
Sanktionen) gegen Israel
stattfinden, mit Omar Barghouti
und Judith Butler.
Es meldeten sich
"Israelfreunde" und forderten,
die Veranstaltung solle abgesagt
werden oder zumindest
"ausgewogen" sein. Die
Collegepräsidentin hielt dem
Druck stand und verteidigte das
Recht auf freie Rede und
Debatte. Unterstützt wurde sie
durch den New Yorker
Bürgermeister Michael Bloomberg.
Er sagte den Kritikern "If you
want to go to a university where
the government decides what kind
of subjects are fit for
discussion, I suggest you apply
to a school in North Korea."
http://www.nytimes.com/2013/02/07/nyregion/bloomberg-defends-brooklyn-colleges-right-to-bds-talk.html?_r=0
2) Zwei Tage vor
meinem Vortrag erklärte es das
Verwaltungsgericht Freiburg für
rechtswidrig, dass die
Universität Freiburg im Dezember
2012 ihre Räume einer
Veranstaltung über die
medizinische Versorgung der
Einwohner Gasas nicht zur
Verfügung gestellt hatte. Laut
Urteil stelle eine Universität
schon nach ihrem
Selbstverständnis eine Stätte
der geistigen Auseinandersetzung
und somit auch ein Forum für
kritische und parteiliche
Stellungnahmen dar.
http://vgfreiburg.de/servlet/PB/menu/1284217/index.html?ROOT=1192792
Übrigens schrieb mir am 10. Mai
– als der "Privatmann" den
Rektor anrief - aus heiterem
Himmel jemand:
"I can only pity you for your
bullshit opinions and beliefs.
... Get lost, asshole"
und dann nochmal (da ich
Wiederworte gab) am 11. Mai:
"you are nothing but a
self-hating Jew who cannot
understand that Jews are just
like every other people who have
a state. … Lick the every
Germans' assholes, but it won't
help you."
Als ich diese Person dann auf
die Widersprüche Ihrer
Argumentation hinwies, da konnte
sie am 12. Mai plötzlich deutsch
("Deine Meinungen sind zum
kotzen" etc.)
Die
e-mail – Adresse dieses anonymus
ist
dapper98@hotmail.com. Für
Hinweise auf seine Identität
wäre ich dankbar. Er kommt
vermutlich aus dem Umfeld des
Vereins "honestly concerned
e.V.", dessen Vorsitzender in
einem Brief an den Rektor der
Andrássy-Universität über mich
herumpöbelte, am 10. Mai, im
Gleichklang mit dem Anruf des
Privatmanns Mor. Mit besten
Grüßen Rolf Verleger