Das Haus von Bassam
Abu Aker
Vorbemerkung von Dorothy Naor, New
Profile: die eindringliche, lebendige Beschreibung hier unten ist
nur ein weiteres Ereignis im normalen Leben der Palästinenser Heute
morgen wurde , übrigens beifällig erwähnt, dass während des letzten
Überfalls der IDF in Nablus 20 ( meistens gesuchte?)
Palästinenser getötet wurden.
Der Armeesprecher
war ganz stolz auf diesen Erfolg. Wann wird Israel stolz sein, dass
es das Leben für Menschen - für Palästinenser und Israelis ( egal
welchen Glaubens) gleich schön macht? All sein Stolz liegt heute
auf seinen Eroberungen - Eroberungen von Land, das Bauern gehört ,
Eroberung von Städten , auf Zerstören und Morden.
Ich bin nicht
stolz, heute eine israelische Jüdin zu sein. Ich gehe mit gesenktem
Kopf. Palästinenser, einige von ihnen kenne ich gar nicht, helfen
mir, mit freundlichen Worten der Anerkennung, dass wir kommen und
ihnen in ihrer Stunde der Not helfen . Trotzdem bleiben meine Augen
unten; denn nichts von all dem verbessert ihre Situation, die
ständig schlechter wird.
Dorothy , 27.6.04
„Es war etwa
halb zwei in der Nacht, am Freitag den 25. Juni 2004. Von der
Finsternis ihrer Herzen und der Nacht eingehüllt, kamen sie: diese
Soldaten einer modernen Zeit, um Häuser von Aktivisten, die
angeblich Terroristen oder zukünftige Terroristen gegen den Staat
Israel sein sollen, zu zerstören.
Es ist in der
Assaff-Straße in Bethlehem. Es ist das Makhloof-Gebäude. Die Wohnung
gehört Bassam Abu-Aker und seiner Familie. Politische Betätigung:
bei der Jihad-Organisation, in der politischen Abteilung. Er war
aktiv bei der Al-Ehsan-Gesellschaft, die eine Gemeindeklinik ist.
Bassam ist 40 Jahre
alt, war mein Klassenkamerad, wurde im Flüchtlingslager Aida geboren
und wuchs dort auf.
Viele Jahre
Verwaltungshaft – man nennt es auch Preventiv-Gefangenschaft, ohne
je wegen etwas verurteilt worden zu sein. Auf Grund der ständigen
Schikanen durch die israelische Regierung zog er um nach Bethlehem,
wo er ein Haus mietete, dann eine Wohnung kaufte.
Bassam kam vor
kurzem wieder ins Gefängnis. Vor etwa einem Monat wurde er im Haus
seiner Schwiegereltern verhaftet, nachdem es eine große Operation
gab, in der Soldaten des Besatzungsstaates das Haus zum großen Teil
demolierte, obwohl es keinerlei Widerstand gab.
Wie seine Familie
berichtet, war Bassam seit seiner letzten Haft weder wegen
irgendetwas angeklagt noch verurteilt worden. Die israelischen
Soldaten schlossen das Gebiet rundum ab und kamen in seine Wohnung,
die er vor zwei Jahren auf Kredit gekauft hat, den er noch abzahlen
muss. Einer der Soldaten fragte seine Frau, für wie lange er
verurteilt sei. Seine Frau antwortete: er ist nicht verurteilt
worden. Der Soldat sagte: Ihr habt ein paar Minuten Zeit, um das
Nötigste in die Wohnung der Nachbarn zu stellen. Sie bat die
Nachbarn um Hilfe, um die Kinder und ein paar Möbel zu retten.
Die Soldaten
befahlen dann, dass alle das Gebäude verlassen, befestigten danach
Explosivstoffe an die verschiedensten Stellen der Wohnung, bedeckten
die Lampen mit einem Stück Tuch . Dann gab es einen großen Knall,
der die Stille der Nacht zerriss. Es folgten Tränen und Angst, die
größer wird und weiterwächst wie eine wilde Pflanze.
Die Explosion wurde
noch im Aidalager gehört, das 3km weit weg liegt. Die Uhren in der
Nachbarwohnung blieben um 3 Uhr 51 stehen. Das Morgengrauen hatte
noch nicht begonnen. Mit schwerem Herzen und unter der Bürde von
Angst und Nichtverstehen blieben die Bewohner des Gebäudes zurück.
Es ist das Nicht-begreifen-können dieser Politik der andauernden
kollektiven Strafe.
Die drei Wohnungen
waren zu einer einzigen demolierten großen Wohnung geworden. die
sie trennenden Wände waren nur noch Schutt. Die Stoffreste über den
Lampen, und die eisernen Gitter vor dem Fenster waren zig Meter weit
weggeflogen. Die Bücher von Bassams Kindern lagen unter dem Schutt
im Schlafzimmer, die Schultaschen waren auseinandergerissen, das
Lächeln auf den jungen Gesichtern erlöscht. Saja, die 12 jährige
Tochter und ihre 2 Jahre ältere Schwester, die gewöhnlich ins
Alrowwad Kulturzentrum kamen, solange sie im Lager lebten, haben ihr
fröhliches Lachen verloren. Bassams Mutter setzte sich auf die Reste
eines Stuhls, den eines der Enkelkinder brachte, und kämpfte mit den
Tränen. Sie schaute um sich nach den Spuren von Barbarei der sog.
einzigen Demokratie im Nahen Osten.
Bilal, der älteste
Sohn (13), suchte in den Trümmern nach seinen Schulbüchern. Seine
Frau hatte sich vollkommen unter Kontrolle. Sie hatte in all den
Jahren ihrer Verheiratung den israelischen Besatzungssoldaten so oft
gegenüber gestanden, sie war Zeuge, wie die Soldaten durch die Türe,
durch die zerstörte Tür oder auch durch die demolierte Wand ihres
Hauses kamen, manchmal klopften sie an die Tür, manchmal schlugen
sie sie ein.
Die Nachbarn waren
wie ein großes Fragezeichen: „Warum? Wir sind die Nachbarn. Warum
wird unsere Wohnung mitzerstört? Wenn es nur Bassam ist, der
vermeintliche Terrorist? Ist das die Gerechtigkeit der einzigen
Demokratie des Nahen Ostens. Ist es das, was sie jedem schlafenden
Bewusstsein in dieser Welt verkaufen wollen?
Seine Brüder waren
auch da und zeigten jedem, der kam, die besonderen Leistungen einer
Armee siegreicher Soldaten gegen unwichtige Personen. Was den
Nachbarn geschehen war, schien sie mehr zu belasten, als das was der
Familie ihres Bruders geschehen ist. Sie baten jeden
Verantwortlichen, der kam, er möge sich erst mal um die Not der
Nachbarn kümmern und dann erst um die Familie des Bruders.
Sie sagten mir: Sag
der Welt, wie israelische Gerechtigkeit aussieht. Welches Gesetz
erlaubt kollektive Bestrafung, gar gegen jemand, der weder für etwas
angeklagt, noch verurteilt wurde?
Ich ging durch den
Raum, der einmal mehrere Zimmer hatte: wo einmal Wände standen, gab
es keine mehr, wo es schöne Balkone gab – nun waren sie weg. Ich
schaute zu den umliegenden Gebäuden, deren Fensterscheiben
zerbrochen waren, obwohl sie zig Meter weit weg standen. Ich schaute
in den Garten rund herum – statt Blumen lagen überall Steine herum
und die Eisengitter. Ich sah die Spuren der Barbarei vermengt mit
der Mühe derjenigen, die hier aufgebaut hatten, und die Spuren
spielender Kinder, deren Erinnerungen nun nacheinander sterben und
in den wolkenlosen Himmel steigen, wo die Sonne glüht und die Hitze
alles auflöst, und nur für die unsichtbar ist, die kein Herz
haben...
Siehst du etwas,
wenn du in den Himmel siehst, wenn du nach Palästina kommst? Oder
denkst du an die Schönheit des Landes, an die Gastfreundschaft
seiner Menschen, die fast alles verloren haben, die aber die
Großmütigkeit haben, das Bisschen, was sie haben, auch noch
anzubieten?
Wenn Ihr nach
Palästina kommt, schließt eure Augen, atmet die Luft ein, lauscht
mit euren Ohren und seht mit dem Herzen – vielleicht – wenn Ihr
lange genug bleibt, seht ihr das, was die Augen nicht sehen, dann
werdet ihr hören, was eure Ohren nicht hören und ihr werdet fühlen,
was die Herzen nicht mehr fühlen können.
Willkommen im
besetzten Palästina!
( Seit Beginn dieses Jahres sind 65
Leute aus dem Aida-Flüchtlingslager verhaftet worden - die Hälfte
ist unter 20 Jahre alt) Abdelfattah Abu-srour, PhD Direktor des
Alrowwad Kultur- und Theaterspielzentrums, Bethlehem,
Flüchtlingslager Aida. (aus Al-Awda-News,
enrique.ferro(at)fernaen.mailshell.com , 26.6.04)
(Aus dem
Englischen und ein wenig gekürzt: Ellen Rohlfs) |