Amira Hass hat in Ha'aretz (24. Oktober) über einen
Jungen aus Jericho berichtet, der im Alter von zwölf Jahren und neun Monaten
ins Gefängnis wanderte, weil er voller Naivität in das Räderwerk des
israelisch-palästinensischen Konflikts geriet.
R.G. (nur so stellt ihn Amira Hass vor) meldete sich am 29. September 2003
bei der "Container"-Straßensperre an der Straße von Jericho nach Bethlehem bei
den israelischen Soldaten. Er gab an, er habe für Hamas Waffen von Jericho
nach Bethlehem geschmuggelt. Seither sitzt er in Haft. Was an seiner
Geschichte stimmte und was nicht, ist schwer auszumachen. Amira Hass schreibt,
das Kind sei einen Tag und eine Nacht lang ohne Pause und ohne Schlaf von
israelischen Vernehmern verhört worden. Es habe dabei angegeben, es habe sich
den Soldaten gestellt, weil ihm Hamas für den Waffentransport hundert Schekel
(also etwa 19 Euro) versprochen habe, ein Vermögen für einen noch nicht
Dreizehnjährigen in den verarmten palästinensischen Gebieten.
Aber nach vollbrachter Aktion habe man sich geweigert, zu zahlen. Um sich
zu rächen, habe sich R.G. den Israelis gestellt. Doch die Vernehmer entlockten
ihm eine ganze Latte von weiteren "Geständnissen": Daß er im Mai 2003 mit
einer Pistole auf ein vorbeifahrendes israelisches Fahrzeug geschossen habe
(ohne zu treffen), daß er mehrfach Waffen und Sprengstoff transportiert habe,
und - Höhepunkt der Erfolgsliste der Schin-Beth-Vernehmer - daß er in der
Siedlung Ma'aleh Adumim einen Selbstmordanschlag unternehmen wollte.
Damit begann R.G.'s Odyssee durch die israelischen Gefängnisse. Am 7.
Oktober sollte ein Militärgericht über das weitere Schicksal des Kindes
beraten; die Eltern, die mittlerweile mit Hilfe von
Menschenrechtsorganisationen seinen Aufenthalt ausfindig gemacht hatten,
versuchten, wie auf der Westbank nicht anders, möglich auf Umwegen zum
Verhandlungsort Bitunia zu gelangen, strandeten aber schließlich einige
hundert Meter vor dem Verhandlungsort an einer Straßensperre - wieder einmal
war eine Ausgangsperre verhängt worden. Jedoch konnten Anwälte mit R.G.
sprechen.
Er erzählte von den menschenunwürdigen Bedingungen in den überfüllten
Haftzentren. Am 5. Oktober versuchte das Kind sich zu erhängen - erwachsene
Häftlinge verhinderten das.
Amira Hass: "Die Soldaten interessierten sich nicht dafür, was vorging." Am
7. Oktober ordnete Militärrichter Hauptmann Eyal Baumgart auf Antrag der
Anklagebehörde an, R.A. - noch nicht einmal 13 Jahre alt! - habe bis zum
Abschluß der Untersuchung in Haft zu bleiben.
Abschließend zitiert Amira Hass den Richter einer Verhandlung am 14.
Oktober, Major Ronen Atzmon.
Dieser Fall "enthüllt die Absurdität der Realität unseres heutigen Lebens."
Atzmon verlangte eine Untersuchung der Vorwürfe "wegen der Quälereien, die
offensichtlich stattgefunden haben". Doch trotz der Absurdität des Falles
müsse sich das Gericht an das Gesetz und an die Beweise halten. "Und das
Gesetz über das Verbleiben in Haft bis zum Abschluß der Untersuchung
berücksichtigt nicht das Alter des Angeklagten und seine Leichtfertigkeit."
Ein weiterer Skandal an einer von vielen dieser willkürlichen
israelischen Militärkontrollen mitten in Palästia - wohlgemerkt:von Palästina
nach Palästina und nicht in ein anderes Land !!! - Kein Unterschied zwischen
Kindern und Erwachsenen, ob bewiesen oder unbewiesen. Weit über 1000 Kinder,
Jugendliche und Erwachsene sitzen ohne ein Gerichtsverfahren wie R.G. derzeit
in israelischen Gefängnissen, ohne Kontakt zu Angehörigen oder Anwälten!