Ein Monat nach
Benedikt: Die Probleme der Kirche im Heiligen Land bleiben ungelöst
Gabi Fröhlich, Jerusalem
Einen Monat nach dem Papstbesuch im Heiligen Land bleibt die
Situation für die Ortskirche schwierig: Vor allem in der Visa-Frage
hatte man im Lateinischen Patriarchat von Jerusalem auf gewisse
Erleichterungen nach den politischen Begegnungen des
Kirchenoberhauptes in Israel gehofft. „Aber bislang gibt es
keinerlei Bewegung“, klagt Patriarch Fouad Twal: „Der Kampf um die
Visa für unseren Klerus ist weiterhin Dauerthema.“ Das
Visa-Prozedere ist seit Jahren für alles ausländische
Kirchenpersonal immer mühsamer geworden - besonders jedoch für die
arabischen Ordensleute und Priester. Da die Gläubigen zumeist
arabischsprachig sind, kommen für die Seelsorge fast nur
Einheimische oder Priester aus arabischen Nachbarländern infrage.
Palästinenser jedoch können aufgrund der eingeschränkten
Bewegungsfreiheit für ihr Volk nur unter Schwierigkeiten innerhalb
der Diözese versetzt werden. Über Jordaniern oder Ägyptern hingegen
schwebt jedes Jahr neu das Damoklesschwert der Ausweisung. Zudem
werden sie nach Heimaturlauben manchmal an den Grenzen abgewiesen,
sodass die eine oder andere Pfarrei im Westjordanland schon Monate
vakant blieb.
Ähnlich stellt sich die Situation für die Gläubigen dar: Jerusalemer
ohne israelische Staatsbürgerschaft, die mehr als sieben Jahre im
Ausland weilen, verlieren das Aufenthaltsrecht in ihrer Heimat. Im
Land selbst sind so gut wie alle palästinensischen Familien durch
die israelischen Sperranlagen von Verwandten getrennt worden. Selbst
Ehepartner von Jerusalemern werden hinter die Sperrmauer ins
Westjordanland ausgewiesen, wenn sie nicht die notwendige
Aufenthaltsgenehmigung besitzen. Da die Christen eine kleine,
schrumpfende Minderheit sind, verringert sich ihr Radius etwa bei
der Suche nach potentiellen Ehepartnern durch die israelischen
Maßnahmen schmerzhaft. Zusammen mit weiteren politischen wie
wirtschaftlichen Schwierigkeiten und besonders der ungewissen
Zukunft steigert das die Tendenz zur Abwanderung.
Insgesamt klagt die Kirche über das latente Gefühl, im Land ihrer
Ursprünge unerwünscht zu sein. Wenn auch zu öffentlichen Anlässen
wie dem jüngsten Papstbesuch zahlreiche Höflichkeiten ausgetauscht
werden – im Alltag bleiben für die kirchlichen Einrichtungen viele
Probleme ungelöst. Ursprung der Verunsicherung ist neben dem alles
durchdringenden Nahost-Konflikt der ungeklärte Status der
kirchlichen Einrichtungen im Land: 61 Jahre nach Staatsgründung und
16 Jahre nach Unterzeichnung des Grundlagenvertrages zwischen Israel
und dem Heiligen Stuhl haben die kirchlichen Gemeinschaften weder
Klarheit über ihren Rechtsstatus noch über ihre finanziellen Rechte
und Pflichten.
Als 1993 der Abschluss des Grundlagenabkommens gefeiert wurde, ahnte
die Kirche nicht, dass Israel auch im nächsten Jahrtausend noch
Gesetze aus britischer Mandatszeit anwenden würde. Tatsächlich wurde
der Grundlagenvertrag bis heute nicht von der Knesset ratifiziert,
weshalb er kein bindendes Gesetz für Israel ist. Dasselbe gilt für
ein Zusatzabkommen zum Rechtsstatus der kirchlichen Einrichtungen,
das in den Folgejahren ausgehandelt wurde. Folge ist, dass für die
kirchlichen Belange nach einem Gesetz von 1924 die Exekutive
zuständig ist, und nicht die Gerichte. Dass die israelische
Regierung zunehmend von nationalistischen Strömungen bestimmt ist,
macht die Lage nicht besser: Die kirchlichen Verantwortlichen klagen
über viel Willkür unter den zuständigen Beamten.
Zwiespältig ist die Lage der Kirche in Steuer- und
Wirtschaftsfragen: Bei der Staatsgründung 1948 hatte Israel zunächst
die entsprechenden Regelungen aus der britischen Mandats-Zeit
übernommen, die nach alter Tradition die Kirche von jeglichen
Steuerzahlungen befreiten. Im modernen Staat Israel jedoch sank das
Verständnis für das, was in der Gesellschaft als „Privilegien einer
Minderheit“ angesehen wird. Da bis zum Grundlagenabkommen keine
Einigung in diesen Fragen erzielt werden konnte, übertrug man die
Klärung einer eigenen Kommission. Seitdem wird verhandelt. Die
Kirche verweist dabei auf ihre lange Tradition in der Region sowie
auf die pastorale, soziale und kulturelle Bedeutung ihres
überwiegend nicht-lukrativen Wirkens: Schließlich können die meisten
Häuser nur Dank kräftiger Spenden aus dem christlichen Ausland
überleben. Die israelischen Verhandlungspartner fürchten jedoch,
dass andere Religionsgemeinschaften sich auf eventuelle
Zugeständnisse für die Kirche berufen könnten. Manche Kritiker der
kirchlichen Steuerbefreiung fordern gar, Steuernachforderungen bis
1948 einzuholen, was Zahlungen in mehrstelliger Millionenhöhe
bedeuten würde. „Dann könnten wir hier alles dicht machen“, sagt
Pietro Felet, Sekretär der Bischofskonferenz im Heiligen Land.
Unterdessen blieb jedoch nicht alles einfach beim Alten; stattdessen
begann die israelische Verwaltung, Steuerbescheide an die
kirchlichen Einrichtungen zu verschicken. Nach Verwarnungen werden
in regelmäßigen Abständen die Konten der betroffenen Häuser gesperrt
– wie zuletzt die katholischer Schulen in Nazareth und Akko. 2002
verabschiedete das israelische Parlament im Alleingang ein Gesetz,
nach dem kirchlicher Besitz mit Grundsteuer belegt wird - und zwar
mit 33 Prozent des Normaltarifs. Trotz kirchlicher Proteste mit
Hinweis auf die laufenden Verhandlungen berufen sich
Verwaltungsbeamte immer wieder auf diesen Gesetzestext. In
Kirchenkreisen mutmaßt man, dass auf israelischer Seite versucht
werde, Fakten zu schaffen, um ein endgültiges Abkommen nach eigenen
Vorstellungen zu beeinflussen. Die kirchlichen Einrichtungen haben
daher klare Anweisung, keinesfalls etwas zu zahlen. Beschwerden
gehen über die Nuntiatur ans Außenministerium, auf dessen Anweisung
eventuell eingefrorene Konten irgendwann wieder freigegeben werden.
Der päpstliche Nuntius, Antonio Franco, bereitet die kirchlichen
Gemeinschaften unterdessen auf gewisse Kompromisse vor: Dass
Heiligtümer sowie Schulen und Sozialeinrichtungen, die ja zum Teil
vom Staat bezuschusst werden, auch weiterhin steuerfrei bleiben,
scheint mittlerweile klar. Bei hotelähnlichen Pilgerhäusern oder
anderen reinen Wirtschaftsbetrieben hingegen werden die
Verantwortlichen wohl in den sauren Apfel einer regulären
Besteuerung beißen müssen. Andere Punkte, wie etwa die Besteuerung
des Grundbesitzes, sind noch strittig. Gleichzeitig diskutiert man
über andere Eigentumsfragen, wie jene der Enteignung von kirchlichem
Grundbesitz „zum Wohle der Allgemeinheit“: Wenn es sich dabei um
einen Straßenbau handle, sei das vielleicht noch einsichtig, meint
Pater Felet. Aber wie steht es um den umstrittenen Fußpfad um den
See Genezareth, der zentrale Heiligtümer wie Kapharnaum oder die
Brotvermehrungskirche vom Seeufer abschneiden könnte? Oder um
Enteignungen wegen des Verlaufs der israelischen Sperrmauer, welche
die Kirche grundsätzlich ablehnt?
Wann das Abkommen angesichts dieser komplexen Fragen
unterschriftsreif ist, steht in den Sternen – und ob es dann auch
von Israel ratifiziert wird, erst recht. „Wir hoffen, so bald wie
möglich Rechtssicherheit zu bekommen“, sagt Franziskanerkustos
Pierbattista Pizzaballa entnervt: „Dieser dauernde Schwebezustand
ist einfach lähmend.“ Dennoch wollen die kirchlichen
Verhandlungspartner nichts überstürzen: „Wir wollen keine
Privilegien sondern eine stabile Grundlage für unser Wirken im
Land“, betont Felet. „Und wir brauchen eine dauerhafte Lösung, die
nicht wieder von der nächsten Regierung über Bord geworfen werden
kann“. Keinesfalls werde die Kirche sich auf Kompromisse einlassen,
die ihre Präsenz in der Heimat Jesu unterminieren könnten.
Gabi Fröhlich
Die Tagespost – 13.6.2009
freie Journalistin (KNA, Radio Vatikan u.a.)
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