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Al Fatah-Führer, Hussam Khader, prangert die Führungen von Al Fatah und Hamas an und fordert sie zu direkten Verhandlungen in Gaza oder Damaskus auf

 

Interview von Hakam Abdel-Hadi

 

Hussam Khader (46), Mitglied des Palästinensischen Nationalrats (Exilparlament), Vorsitzender des Komitees zur Verteidigung der Rechte der palästinensischen Flüchtlinge und ehemaliges Parlamentsmitglied,  wurde nach fünfeinhalb Jahren Haft in israelischen Gefängnissen im August 2008 vorzeitig entlassen. Seine Freilassung erfolgte im Zuge von Verhandlungen zwischen dem palästinensischen Präsidenten, Mahmoud Abbas (Abu Mazin) und dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert. Khader lebt im Flüchtlingslager Balata bei Nablus und gilt als ein wichtiger Al Fatah- Führer, der dafür bekannt ist, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. Obwohl er entschieden für einen historischen Kompromiss zwischen Palästinensern und Israelis und für die Zwei-Staaten-Lösung eintritt, wird er sowohl von den Mächtigen in der Autonomiebehörde als auch von Israel gefürchtet. Wie aus dem Interview hervorgeht, das Hakam Abdel-Hadi mit ihm am 15. November 2008 in Nablus geführt hat, greift Hussam Khader schonungslos die Korruption und die fragwürdige Strategie der palästinensischen Al Fatah-Führung in Ramalla, die machthungrige Hamas sowie die seit 41 Jahren anhaltende israelische Besatzung an.

 

·        Vor 80 Tagen wurden Sie aus der Gefangenschaft in Israel frei gelassen. Wie sieht Ihre Geschichte mit den israelischen Gefängnissen aus?

Vor meiner letzten Gefangenschaft wurde ich  23 Mal in Israel inhaftiert und verhört. Insgesamt verweilte ich dadurch sieben Jahre im Gefängnis. Ferner wurde ich anderthalb Jahre zu Hausarrest  und ein halbes Jahr zu Administrativhaft  verurteilt. Danach wurde ich 6,5 Jahre aus dem Land gewiesen. Von kurzen Verhören, die manchmal bis zu 12 Stunden andauerten, will ich hier absehen. Ja, nicht nur ich, Tausende von Palästinensern zahlten und zahlen einen hohen Preis für die Erlangung der Freiheit.

·        Im  Juni 2007  vollzog sich der tiefe Bruch zwischen Al Fatah und Hamas und endete mit der Herrschaft von Hamas in Gaza und der

           faktischen Trennung des Gazastreifens von der Westbank. Wie                   

           haben Sie und Ihre Mitgefangenen darauf reagiert?                        

Die extrem harten Haftbedingungen waren weniger schlimm als die Spaltung unseres Volkes, die kurz nach jenen demokratischen Wahlen zustande kam, auf die wir alle so stolz sind. Allerdings waren leider nicht alle bereit, die Wahlergebnisse anzunehmen. Die demokratische Kultur ist bei uns immer noch mangelhaft ausgebildet. Da muss noch viel  Aufklärungsarbeit geleistet werden. Wir, die Gefangenen, verfolgten in den Medien die Spaltung mit massiver Depression und  kollektiver Trauer. Wir verharrten tagelang in unseren Zellen, obwohl der Gefangene in der Regel stets auf die Stunde wartet, in der er die frische Luft im Gefängnishof einatmen und sich bewegen kann. Zu jener Zeit zogen es fast alle Gefangenen vor, im Gebäude zu bleiben.

Die Gefängnisverwaltung versuchte Nutzen aus dieser Lage zu ziehen; sie verordnete, angeblich aus  Sicherheitsgründen, eine Trennung der Anhänger von Al Fatah und Hamas. In vielen Gefängnissen starteten wir heftigen Widerstand dagegen. Wir traten in den Hungerstreik und protestierten gegen die Pläne der Verwaltung, die darauf abzielten, unsere Einheit in den Gefängnissen zu spalten und unseren Willen zu schwächen. Wir blieben jedoch weitgehend zusammen, und die Mitglieder von Hamas und Al Fatah führten in den Gefängnissen gemeinsame Projekte und Veranstaltungen durch. Der bisherige Dialog zwischen den Vertretern beider Organisationen wurde also fortgesetzt. Vor der Abspaltung von Hamas und Al Fatah im Juni 2007 hatten sich die Hamas- und Al Fatah-Gefangenen auf die berühmte Gefangenencharta geeinigt, die zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit führte. Ich persönlich führte zwei Tage vor meiner Entlassung einen konstruktiven Dialog mit Vertretern von Hamas, der Volksfront und Al Dschihad Al Islami. Wir verfolgten mit solchen Gesprächen das Ziel, die nationale Einheit wieder herzustellen.

·        Was ist aus dieser sog. Charta der Gefangenen geworden, die zeitweilig wie  eine Art Leuchtturm für die Palästinenser war?

Bedauerlicherweise haben die Opportunisten und Nutznießer in Al Fatah und Hamas diese Charta mit Füssen getreten. Es gibt einflussreiche Personen auf beiden Seiten, die von der Spaltung profitieren und sich darum bemühen, sie zu zementieren.

 

Freiheit für die politischen Gefangenen von Hamas in den Gefängnissen von Abbas

 

·        Sie forderten die Autonomiebehörde in Ramalla dazu auf, die politischen Gefangenen von Hamas frei zu lassen. Jedoch bestreitet  Präsident Abbas (Abu Mazin) die Existenz solcher Personen in palästinensischen Gefängnissen. Was läuft da wirklich?

Duzente von Familien der Westbank haben sich an mich gewandt, weil ihre Söhne in palästinensischen Gefängnissen festgehalten werden. Zweifellos gibt es  politische Gefangene, aber ihre Inhaftierung erfolgte angeblich aus Sicherheitsgründen. Es wird argumentiert, dass die eine oder andere Person Spenden für illegale Zwecke missbraucht oder Waffen besitzt. Alle Hamas-Kämpfer verfügen über Waffen, und damit hat man a priori einen Grund für ihre Verhaftung. Ich kann also bestätigen, dass die Verhaftungen politisch begründet sind, obwohl zugegebenermaßen kein politischer Führer von Hamas bisher festgenommen wurde. Eine große Anzahl von inhaftierten Hamas-Kämpfern wurden präventiv in Haft genommen, weil sie schlicht und ergreifend Hamas-Mitglieder sind.

Dieses Vorgehen kann man mit der von uns angeprangerten Administrativhaft vergleichen, die von Israel seit 40 Jahren praktiziert wird.

 

·        Glauben Sie, dass der Dialog zwischen Al Fatah und Hamas, der übrigens noch nicht ernsthaft begonnen hat, zur Einheit des palästinensischen Volkes führen wird?

Wir wünschen dies, aber mit Wunschdenken kommen wir nicht weiter. Die Realität zeigt, dass der Abstand zwischen den beiden Seiten immer größer wird. Es sieht so aus, was sehr gefährlich ist, dass die Kultur  der Spaltung sich so ausbreitet, dass die Palästinenser damit leben können. Diese Spaltung nimmt den Charakter einer nationalen  Nakba (Katastrophe) an, die den Kern der palästinensischen Gesellschaft angreift, nämlich die palästinensische Familie. Unsere Gesellschaft ist  mit einem politischen Mosaik vergleichbar, denn es gibt so gut wie keine palästinensische Familie,  - von Gaza bis Jenin -, in der es keinen politischen Pluralismus gibt. Daraus folgt, dass die politischen Kämpfe zwischen den Berufspolitikern sich auf die Familie übertragen. Dies verlangt von uns, dass wir Druck auf die Führungen von Al Fatah und Hamas ausüben, damit sie an den runden Tisch zurückkehren.

Ich meine, dass die Initiative  unseres Präsidenten, Bruder Abu Mazin, den Dialog wieder aufzunehmen, rational und im Sinne des nationalen Interesses ist. Das Scheitern des Kairoer Dialogs wurde zweifelsohne negativ von unserem Volk aufgenommen. Ich fordere von Abu Mazin, eine hochrangige und verantwortungsvolle  Al Fatah-Delegation zu bilden, deren Mitglieder nicht dafür bekannt sind, dass sie Hamas gegenüber feindlich stehen, um direkte Verhandlungen in Gaza oder Damskus aufzunehmen, damit den radikalen Spaltungskräften in Hamas und Al Fatah der Wind aus den Segeln genommen wird; denn mit dieser Spaltung begünstigen diese Opportunisten in erster Linie die israelische Besatzungsmacht.

·        Manche Beobachter meinen, dass Al Fatah sich grundsätzlich nicht damit abfinden will, dass sie die Wahlen verloren hat und dass mit Hamas eine beachtliche  politische Organisation entstanden ist. Was meinen Sie dazu?

 

Ich bin da anderer Meinung. Al Fatah ging freiwillig in die Wahlen. Sie leitete damit den demokratischen Prozess ein. Wahrscheinlich wären andere Organisationen an ihrer Stelle gar nicht zu den Wahlen angetreten. Unter Leitung  des Al Fatah-Vorsitzenden, Präsident Abu Mazin fanden  faire Wahlen statt.

Das Volk bestrafte dann mit dem Wahlzettel jene Verantwortlichen, die bis dahin nur  leere Versprechungen gemacht hatten. Viele Al Fatah- Anhänger, ich gehöre auch dazu, begrüßten den Wahlsieg von Hamas, in der Hoffnung, sie würde endlich die wirklichen Interessen des Volkes vertreten. Leider hat Hamas die Fehler der bisherigen Regierung  wiederholt, indem sie versuchte, ihre Macht durch Mord und Totschlag zu festigen.

Allerdings dürfen diese Fehler der Hamas uns nicht von jenen Al Fatah-Politikern ablenken, den sogenannten Profiteuren des Osloer Abkommens, die sich auf Kosten unseres Volkes bereicherten; diese einflussreichen Al Fatah-Führer, deren Interessen sich gegen den Machtwechsel  richten, mobilisierten alle Kräfte im In- und Ausland, um Hamas zu stürzen. So hat sich die Lage verschärft; die dominierende money-maker- Fraktion von Al Fatah, die heute noch die Richtung von Al Fatah bestimmt, obwohl sie die Wahlen gegen Hamas vernichtend verloren hat und dennoch nach wie vor international unterstützt wird, gab Hamas den Vorwand, die Macht in Gaza zu übernehmen.

 

·        Gaza ist seit der Herrschaft von Hamas unter Blockade und die Westbank wird großzügig vom Westen unterstützt. Wird die Spaltung dadurch noch begünstigt?

 

Ja, die Lage in Gaza kann nicht noch schlimmer werden. Und  doch gibt  keine Alternative zur Fortsetzung des Dialogs zwischen Hamas und Al Fatah, zumal Hamas inzwischen dazu bereit ist, Israel in den Grenzen  von 1967 anzuerkennen und ihm mindestens einen zehnjährigen Waffenstillstand anzubieten. Ich sehe in dieser Hinsicht keinen großen Unterschied zwischen beiden Organisationen.

 

·        Wie schätzen Sie die europäische Solidarität mit dem palästinensischen Volk ein, das sich derzeit in einer besonders schwierigen Lage befindet?

Ohne die europäische Unterstützung wäre die von Al Fatah angeführte Autonomiebehörde nicht einmal in der Lage, einen Tag zu überstehen. Für viele Palästinenser hat diese Behörde lediglich den Zweck, dass sie das  Gehalts am Monatsende abkassieren kann. Allerdings müsste  Europa mehr Druck auf Israel ausüben, damit die Vereinbarungen von Oslo umgesetzt und die Friedensverhandlungen ernsthaft geführt werden. Das Scheitern der Verhandlungen kann nur dahin führen, dass die radikalen  Islamisten siegen,  und dann würden die Israelis und Europäer keine Gesprächspartner mehr finden. Die gegenwärtige Politik der Blockade und die Verzögerungstaktik, was den Friedensprozess angeht, wird eine Katastrophe für alle bringen.

 

 

 

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