Machsom Watch Matria
– April 2007 - 4
Machsom Watch – eine Organisation israelischer Frauen gegen die
Besatzung und für Menschenrechte, die sich mit einem der
härtesten Aspekte der Besatzung befasst – der Einschränkung der
Bewegungsfreiheit der Palästinenser in den besetzten Gebieten.
Wir machten uns auf den Weg,
um die Straßensperre bei Beit Furik zu fotografieren.
Wir machten uns auf den Weg, um die Straßensperre bei Beit Furik
zu fotografieren. Man sollte meinen, das sei ganz einfach, aber
was muss man fotografieren, wenn man eine Sperre fotografiert?
Wo beginnt die Sperre? Wo endet sie?
Beginnt sie – bei der Schlange vor dem ersten Drehkreuz,
in der schwer arbeitende Menschen gehorsam stehen und schweigend
darauf warten, dass die Soldatin am Posten auf sie aufmerksam
wird und sie zur Kontrolle vorkommen lässt, und endet sie drei
Drehkreuze später, wenn die Kontrollierten sich eilig auf den
Weg in Richtung Nablus machen?
Beginnt sie – bei den improvisierten Taxihaltestellen,
der nach Beit Furik und der nach Nablus, an denen die Fahrer den
Tag verbringen und auf den dünnen Strom von Einwohnern warten,
die für drei Shekel pro Person die vier Kilometer ins Dorf
fahren?
Vielleicht beginnt die Sperre bei dem Kaffeestand Usamas,
der schon sieben Jahre nicht mehr aus seinem Dorf hinausgekommen
ist, denn Israel weigert sich, ihm einen palästinensischen
Personalausweis auszustellen, und so lebt er als Staatenloser in
seinem Geburtsort. Usama und seine Familie leben von dem
bisschen Geld, das die Taxifahrer ihm für den Kaffee geben. Wie
er sind viele andere ohne Ausweg in ihren Dörfern gefangen.
Vielleicht beginnt die Sperre in Beit Dejan, im Haus
einer alten Frau, deren Tochter und Enkel vier Kilometer
entfernt in Salem wohnen, aber sie hat sie schon Jahre nicht
mehr gesehen, denn Einwohner von Salem dürfen die Sperre in
Richtung Beit Dejan nicht passieren und sie selber hat nicht
mehr die Kraft, sich auf den Weg nach Salem zu machen.
Vielleicht beginnt die Sperre in Beit Furik, im Haus
eines vier Monate alten herzkranken Kindes, dessen Eltern in
ständiger Angst davor leben, dass sie mitten in der Nacht endlos
vor der geschlossenen Sperre warten werden, während das Kind in
ihren Armen zu sterben droht?
Vielleicht beginnt sie in den Herzen aller Palästinenser,
die in der Westbank leben, in denen sich mit jedem Warten, jeder
brutalen Behandlung, jeder Demütigung tagtäglich der Hass
aufstaut.
Vielleicht beginnt sie in den Herzen der Soldaten an den
Sperren, die sich immer mehr verschließen und immer roher
werden.
Oder vielleicht beginnt sie bei dem Regimentskommandanten
von Samaria, bei dem Kommandanten für das Gesamtgebiet von Judäa
und Samaria, bei dem Kommandanten des Kommandos "Mitte" oder
beim Oberbefehlshaber der Armee, die im Namen der Sicherheit ein
ganzes Volk einsperren, und zieht sich die Befehlskette hinunter
bis zum Soldaten, der an der Sperre steht und gehorsam Befehle
ausführt, über denen der Schatten des Unrechts liegt.
Und vielleicht beginnt sie in Alon More, Itamar und Har
Beracha und bei allen Siedlern, um derentwillen der Staat die
Sperren errichtet, damit sie wie die Herren leben können in
einem Land, das ihnen nicht gehört, und noch ein Feld und noch
einen Baum rauben können, und setzt sich fort in unser aller
Verblendung, die wir die Palästinenser, die neben uns leben,
nicht mehr als Menschen sehen und uns in Abgründe ziehen lassen,
die finsteren Regimes vorbehalten sind, und in einen Krieg, der
bereits vierzig Jahre andauert.
Und vielleicht beginnt sie bei der Regierung, beim
Verteidigungsminister oder bei seinem Stellvertreter, der vor
einiger Zeit zugab, dass er die Situation an den Sperren nicht
kenne, aber danach öffentlich erklärte, dass die Lage eigentlich
ausgezeichnet sei, denn es gebe nur 300 temporäre (??) und 25
ständige Sperren.
Und vielleicht beginnt die Sperre in der öffentlichen
Meinung Israels, die sich für militärische Lösungen begeistert,
besonders für solche, die ihr einen rauschenden Sieg
versprechen, aber sich auch nach sieben Kriegen und Tausenden
militärischer Einsätze weigert zu begreifen, dass in Kriegen
alle verlieren.
Wir machten uns an einem klaren, angenehmen Tag auf den Weg, um
die Straßensperre von Beit Furik zu fotografieren. All das
Entsetzliche war da, aber die Linse der Kamera konnte nur einen
flüchtigen Schatten davon einfangen.
An den "humanitären" Notfalldienst der
Armee - Zur Kenntisnahme
Herzlichen Glückwunsch zur Hochzeit
Als wir am Kontrollposten ankamen, trafen wir eine Gruppe
elegant gekleideter Menschen, die auf dem Weg von Ramallah nach
Nazareth zur Hochzeit einer Verwandten mit einem Einwohner
Nazareths waren. Die Soldaten waren entgegenkommend und öffneten
für die Braut und ihre Gäste das Tor, so dass sie sich nicht
durch das Drehkreuz drängen mussten. Aber leider hatten die
Aussteller der Erlaubnisscheine zum Betreten Israels nicht
dieselbe Weitherzigkeit bewiesen. Die Zeremonie, zu der die
Gäste eingeladen waren, sollte um 18.00 beginnen, aber ihre
Erlaubnisscheine waren nur bis 19.00 gültig. Auch der Aufenthalt
der Braut in Israel wurde auf zwei Wochen begrenzt und zwar
täglich auf die Zeit zwischen 7.00 und 17.00. (Qalandiya,
zwischen Jerusalem und Ramallah, 29. April 2007)
Eine Hochzeit in Beit Furik
Am Mittwoch, dem 9. Mai 2007, wollte
ein Einwohner Beit Furiks, der eine Frau aus Nablus zu heiraten
beabsichtigte, den Zugang der Familie der Braut nach Beit Furik
für Freitag, den Tag der Hochzeit, regeln. Seiner Aussage nach
wandten sie sich an das palästinensische DCO (District
Coordinating Office – Regionales Koordinierungsbüro) und
erhielten dort die Auskunft, dass sie nicht helfen können. Wegen
der knappen verbleibenden Zeit und um ihnen bürokratisches Hin
und Her beim israelischen DCO zu ersparen, gaben wir die
Personalausweisnummern aller Verwandten (Eltern, Schwestern und
Cousins der Braut, insgesamt 17 Personen) an den "humanitären"
Notfalldienst der Armee weiter, damit dort die nötigen
Regelungen getroffen würden.
Freitag, 11. Mai 2007, 16.30. Die
Familie der Braut ist an der Straßensperre angekommen und die
Soldaten lassen sie nicht passieren, da mit ihnen angeblich
nichts abgesprochen wurde. Beim Notfalldienst versprach man, die
Sache zu überprüfen und teilte schließlich mit, dass die
Angelegenheit behandelt würde. Inzwischen wurde die Zeit knapp.
Um 18.00 versprach der DCO-Kommandant, einen Offizier zur Sperre
zu schicken. Inzwischen riefen uns der Bräutigam, sein Cousin
und jeder, der Hebräisch konnte, an, dass wir ihnen helfen
sollten ("Tu uns einen Gefallen, mach etwas").
Um 18.35 wurde den Festgästen mitgeteilt, dass sie passieren
dürfen, einer nach dem anderen ... nach zweistündigem Warten.
Eine zufriedenstellende Regelung.
Um 19.45 teilte der Notfalldienst mit, dass alle passiert seien.