24.5.2007 ISM Deutschland berichtet:
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From: a-films <a-films(at)riseup.net>
Date: May 23, 2007 12:49 AM
Subject: Libanon: Situation in Naher al-Bared Camp
eskaliert
To: undisclosed-recipients
Nach drei Tagen der Belagerung und des Beschusses
konnten heute Abend erstmals einige Tausend
BewohnerInnen des palästinensischen
Flüchtlingslagers Naher al-Bared in Nordlibanon das
Camp verlassen. Indes gehen die Angriffe der
libanesischen Armee auf das Camp weiter.
Seit Sonntag liefern sich - so der herrschende
Diskurs - Militante der Organisation Fatah al-Islam
im Naher al-Bared Camp mit der libanesischen Armee
heftige Gefechte. Was als Banküberfall in Trablous
begann, bei dem angeblich bloss rund 1500$ erbeutet
wurden, ist in die wohl schlimmste bewaffnete
Auseinandersetzung innerhalb Libanons seit dem
Bürgerkrieg ausgeartet. Die libanesische Armee ging
schnell zum Angriff über und verwendete dabei
Panzergeschosse und Mörsergranaten. Wie verschiedene
Fotos und Berichte belegen, nehmen auch - einmal
mehr - paramilitärische Kräfte an den Angriffen teil
- Freiwillige, die gerne auf palästinensische
Flüchtlinge schiessen.
Am Dienstagabend riefen die Kämpfer der Fatah
al-Islam einen einseitigen Waffenstillstand aus.
Tausende Flüchtlinge ergriffen die Gelegenheit und
flüchteten aus dem Camp. Die meisten von ihnen
suchten im zweiten palästinensischen Camp bei
Trablous, im Bedawwi-Camp, Zuflucht, wo sie privat
und in mindestens fünf Schulen untergebracht werden.
Bereits am Nachmittag wurde ein erster
Waffenstillstand vermittelt und UNO- bzw.
IKRK-Hilfskräfte begaben sich ins Flüchtlingslager,
wo Zehntausende feststecken. Allerdings wurden
mindestens zwei ZivilistInnen von der libanesischen
Armee getötet, als sie dem Hilfskonvoi
entgegenliefen, um Hilfsgüter in Empfang zu nehmen.
Indes orderte die libanesische Regierung die Armee
an, "to finish off the Fatah al-Islam".
Zurzeit ist es schwierig, von ausserhalb reliable
Zahlen über Tote und Verwundete zu kriegen. Man
spricht bislang von einem bis zwei Dutzend toten
palästinensischen ZivilistInnen und mehreren Dutzend
Verletzten. Unzählige Häuser wurden bislang
zerstört, wie Fernsehaufnahmen von innerhalb des
Camps zeigen. Die Häuser in Naher al-Bared bestehen
grösstenteils aus Backsteinen und - wie in manchen
anderen Camps in Libanon - nicht wenige haben bloss
Wellblech-Dächer. Genauere Angaben über die
Zerstörung und die Opfer im Camp werden in den
nächsten Stunden erwartet, wenn Informationen von
den geflüchteten PalästinenserInnen erhältlich ist.
Erste Stimmen berichten, dass die Zerstörung im Camp
immens sei. Die Volksfront für die Befreiung
Palästinas (PFLP) scheint sich entschlossen haben,
trotz zahlreicher eigener Opfer im Camp zu
verharren. Es ist unklar, ob palästinensische
Gruppierungen an den Kampfhandlungen teilnehmen. Aus
anderen Camps (zumindest Beddawi und Ain el-Hilweh)
werden Proteste gemeldet. Hamas und Fatah haben sich
von Fatah al-Islam distanziert. Aufgrund des
gewaltigen Angriffs der libanesischen Armee auf das
Camp ist aber nicht auszuschliessen, dass sich
palästinensische Widerstandsgruppierungen an der
Verteidigung des Camps beteiligen werden, sofern die
libanesische Armee ihre Attacken erneuern sollten
(was absehbar ist).
In Nordlibanon und auf dem Weg nach Beirut hat die
libanesische Armee bzw. Polizei unzählige
Checkpoints aufgestellt. Es wird berichtet, dass
PalästinenserInnen angehalten, schikaniert und
teilweise auch verhaftet werden. Gerüchten zufolge
wurden bereits zwei PalästinenserInnen auf der
Strasse getötet. Es ist nicht zu vergessen, dass in
der Gegend von Trablous u.a. faschistische
christliche Milizen ihre grösste Anhängerschaft
haben.
Im Camp selbst gibt es längst keinen Strom und auch
kein Wasser mehr. a-films versuchte mehrmals,
Kontaktpersonen im Camp anzurufen, erreicht werden
konnte aber niemand, alle (Mobil-)Telefone sind aus.
Das anarchistische Videokollektiv wird versuchen, in
den nächsten 24 Stunden Interviews mit Flüchtlingen
zu machen und diese als audio-files auf's Internet
zu stellen (http://www.youtube.com/afilmspalestine
bzw.
http://www.youtube.com/afilmsmultilingual).
Libanesische und palästinensische AktivistInnen in
Beirut mobilisieren indes für Proteste in der
Hauptstadt und versuchen, Hilfsgüter zu sammeln und
jene am Mittwoch oder Donnerstag ins Beddawi-Camp,
insbesondere ins dortige Spital, zu liefern.
PalästinenserInnen sind traditionell vom
öffentlichen libanesischen Gesundheitssystem
ausgeschlossen. Und leiden seit Jahrzehnten und
zahlreichen anderen Formen (institutionalisierter)
von Diskriminierung.
Noch eine Anmerkung: Die libanesische Regierung hat
am Dienstag die USA um militärische Hilfe im Wert
von 280 Mio. $ angefragt. Genaueres ist dazu noch
nicht zu erfahren. Man erinnere sich aber
diesbezüglich an die neulichen Waffenlieferungen der
USA an die libanesischen "Sicherheitskräfte" bei den
Auseinandersetzungen in Beirut.
Indes ist auf einige nützliche Links zu verweisen:
Der Blog von Angry Arab (immer empfehlenswert,
wenn's um libanesische
Innenpolitik geht):
http://angryarab.blogspot.com/
Der Blog von Robert Fisk auf der Independent-Page:
http://news.independent.co.uk/world/fisk/
Der Decentring Damascus-Blog
http://ya-ashrafe-nnas.blogspot.com/
Ein Kurzfilm (deutsche Untertitel) von a-films über
die Situation der
palästinensischen Flüchtlinge in Libanon (u.a. auch
mit Interviews und
Aufnahmen aus Naher al-Bared Camp 2006) ist auf
Indymedia, kann aufgrund
von Problemen bei video.indymedia jedoch nicht
runtergeladen werden:
http://video.indymedia.org/en/2006/10/534.shtml
Derselbe Kurzfilm ist jedoch in englischer Sprache
auch auf
http://www.ngvision.org/mediabase/642