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Israel plündert die Tourismuswirtschaft der Westbank als
Teil der "schleichenden Annexion" von Palästina
Jonathan Cook -
14.12.2016
Auf den ersten Blick sieht es wie ein
großzügiges Kunststück Israels aus, um der kämpfenden palästinensischen
Tourismusindustrie zu helfen. Die israelischen Militärbehörden
veröffentlichten diesen Monat in Sozialmedien ein Video, das für
palästinensische Sehenswürdigkeiten in der Westbank wirbt.
Die meisten sind christliche
(Sehenswürdigkeiten) wie Jesus' Geburtsstätte in Bethlehem – die
Geburtskirche – sowie unbekanntere Plätze wie die Klöster Mar Saba und
Wadi Qelt in bergigem Wüstenterrain, wohin nur wenige Pilgerbusse
kommen.
Das Video wurde von COGAT produziert, der
israelischen Militärorganisation, die über die Palästinenser herrscht.
Es scheint die letzte Initiative der von Verteidigungsminister Avigdor
Lieberman sogenannter "Zuckerbrot und Peitsche" - Politik zu sein, ein
Programm, das Palästinenser je nach ihrem Verhalten belohnt oder
bestraft.
Lieberman hat gelobt
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zu umgehen und sich direkt an die
Palästinenser zu wenden. Der Chef von COGAT, Yoav Mordechai, ist
inzwischen ein bekanntes Gesicht für die Palästinenser geworden.
In seinem ersten Live-chat in Arabisch auf
der Facebook-Seite von COGAT, beantwortete er Fragen von Palästinensern,
wie sie israelische Arbeitserlaubnisse bekommen oder andere
bürokratische Probleme lösen können, die seine Beamten ihnen bereitet
hatten. Sogar Palästinenser aus dem Gazastreifen setzten sich über die
Hamas hinweg, um Kontakt mit ihm aufzunehmen.
Das Tourismus-Video ist auf ähnliche Weise
geplant, es macht die Oslo-Verträge mit dem falschen Versprechen vor
zwei Jahrzehnten, die Palästinenser würden sich eines Tages an
Staatlichkeit und Selbstbestimmung erfreuen. Israels Mikromanagement der
besetzten Gebiete hat sich inzwischen so weit entwickelt, dass es sich
sogar darum kümmert Besuche nach Palästina zu locken.
Allerdings mit der Ausnahme, dass es
gerade nicht (Palästina) ist, wohin das Video von COGAT einlädt.
Stattdessen lädt es Touristen ein, "Judäa und Samaria" zu besuchen;
Israel benutzt diese biblischen Namen, um die illegalen jüdischen
Siedlungen, die große Teile der Westbank beherrschen, zu rechtfertigen.
Was geht da vor sich?
Die Irreführung im Kern der Kampagne
funktioniert auf verschiedenen Ebenen – und enthüllt vieles über die
langfristige Politik Israels gegenüber den Palästinensern.
Lieberman möchte, dass die Palästinenser
Mordechai von der Militärverwaltung als wohlwollende Vaterfigur ansehen,
an die sie sich mit ihren Problemen eher als an Abbas wenden können. Wer
ist imstande Touristen in die (besetzten) Gebiete zu bringen und die
palästinensische Wirtschaft anzukurbeln? COGAT, nicht die
Palästinensische Autonomiebehörde.
Aber Israels Wohltätigkeit gibt es nur zu
einem hohen Preis: die Palästinenser müssen ihre nationalen Ambitionen
aufgeben. Die Touristen können zu Besuch kommen, aber die Palästinenser
müsen zuerst zugestehen, dass das israelische Sehenswürigkeiten sind.
Eine ähnliche Botschaft wird an die
Touristen gerichtet. Christliche Pilger, die wenig von der langen
Geschichte der Enteignung der Palästinenser mitbekommen, werden
animiert Groß-Israel kennenzulernen und sehen nicht, auf welcher Seite
der Grünen Linie sie sich befinden. Die Unterscheidung zwischen Nazareth
und Bethlehem in Israel und der besetzten Westbank wird zunehmend
verschleiert.
Die Palästinenser selbst sind beinahe
unsichtbar. Das Video erwähnt an keiner Stelle, dass sie gerade in
"Judäa und Samaria" leben. Es zeigt Gebäude, keine Menschen.
Dieser Prozess der Umbenennung ist in
Jerusalem, das Israel vor Jahrzehnten völkerrechtswidrig annektiert hat,
schon im Gange. Touristenkarten sind übersät mit Stätten der jüdischen
Siedler, die so auffällig gekennzeichnet sind wie wichtige heilige
Stätten wie die Grabeskirche und die Al Aqsa-Moschee. Letztere wird nur
mit ihrem hebräischen Namen, Tempelberg, bezeichnet.
Das Tourismus ist aber in der Tat weniger
edelmütig als es erscheint. Israel kontrolliert jeden Zugang zur
Westbank, das heißt, ein Besuch ist für Pilger nicht möglich, ohne zur
israelischen Wirtschaft beizutragen.
Israel kündigte im September ein
Rekordbudget für die Tourismusförderung an, eine Hauptsäule seiner
Wirtschaft. Die große Mehrheit der Besucher bleibt in israelischen
Hotels, wird in israelischen Bussen tansportiert, isst in israelischen
Restaurants, besucht israelische Geschenkläden, um dort israelische
Souvenirs mit israelischem Geld zu kaufen.
Die meisten der in der Westbank besuchten
Orte werden von Israel kontrolliert, vom Toten Meer und der
Abraham-Moschee in Hebron bis zum Palast des Herodes bei Bethlehem und
den Ort der Taufe am Jordan.
Touristen nehmen die Anwesenheit von
Palästinensern nur als ferne Gefahr wahr, auf die mit den leuchtend
roten Verkehrszeichen aufmerksam gemacht wird, die warnen, dass es
"lebensgefährlich" ist von den Hauptstrassen abzuweichen. Pilger flitzen
für eine kurze Tour in die Geburtskirchen nach Bethlehem und gehen dabei
durch einen Checkpoint in der erdrückenden, Gefängnis ähnlichen Mauer,
die andeutet, dass Israel gute Gründe hat die Palästinenser wie
Verbrecher zu behandeln.
Wollte COGAT diesen Eindruck wirklich
ändern und der palästinensischen Wirtschaft helfen, würde es Touristen
animieren, in palästinensischen Städten wie Hebron, Nablus, Ramallah und
Jericho zu bleiben. Und wirkliche Palästinenser zu treffen.
Letzte Woche billigte das israelische
Parlament in erster Lesung ein sogenanntes Legalisierungs-Gesetz, das
den Raub von privatem Land und Eigentum von Palästinensern in der
Westbank durch Siedler rückwirkend genehmigt. Diese Gesetzgebung weitet
denselben Rechtsschutz auf die Verbrechen der Siedler wie auf den
Staatsraub von palästinensischem Land.
Die Privatiserung der Plünderung von
palästinensischem Gebiet ist eng verknüpft mit den letzten Schritten der
Behörden zur Plünderung der palästinensischen Wirtschaft. Das
übergeordnete Ziel von beidem ist die "schleichende Annexion" der Heimat
der Palästinenser. Israel ist bereit jedes Mittel zu deren Veräußerung
zu nutzen.
Quelle:
www.mondoweiss.net/2016/12/plunders-annexation-palestine/
Übersetzung: K. Nebauer
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