PAX CHRIST - ÖSTERREICH
PILGERREISE NACH ISRAEL UND PALÄSTINA
23: BIS 31: August 2008
Karfreitag für Palästinenser und einige Hoffnungsschimmer
Hauptziel war die Begegnung mit Friedensengagierten auf beiden
Seiten. Elias, Reiseführer der ersten Tage, melkitischer Christ,
Palästinenser und gleichzeitig israelischer Staatsbürger aus
Galliläa macht uns sofort bei der Fahrt vom Flughafen nach Bethlehem
auf die vielen Straßensperren für Palästinenser, die vielen
illegalen israelischen Siedlungen im besetzten Gebiet und die
riesige Mauer aufmerksam. „Der sog. „6 Tagekrieg“ von 1967 dauert
für die Palästinenser jetzt schon über 40 Jahre“, kommentiert er das
verbittert. „Die Mauer schnürt Bethlehem immer mehr ein“ sagt uns
auch der evangelische Pfarrer Dr. Mitri Raheb. Unter diesen
Umständen wollen viele, vor allem Junge weg. Sie dürfen aber nicht
einmal ins 15 km entfernte Jerusalem. Deshalb wird im „Arabic
Education Institut“ versucht den Jugendlichen ihre palästinensische
Identität zu stärken. „Wir leben ja nicht nur Unterdrückung, sondern
auch ein Miteinander in Familie, in Gemeinschaften. Wir können
lächeln trotz allem!“
Illegale Siedlungen, Straßensperren,
Wasserentzug - Gewalt…
Die Besatzung, den Ausnahmezustand erleben wir in Hebron hautnah.
Hier besuchen wir
Abrahams Grab - Ort der Verehrung für Juden, Christen und Muslime.
Trotz dieser Gemeinsamkeit ist Hebron eine geteilte, zerrissene
Stadt. Seit 2000, dem Jahr der 2. Intifada, wurde Hebron in 2 Teile
geteilt: in H1 leben 120 000 Palästinenser unter palästinensischer
Verwaltung und in H2: 3 000 Palästinenser und500 oft fanatische
Siedler unter israelischer Verwaltung mit 2000 Soldaten. Ein
Checkpoint zwischen palästinensischem und israelischem Gebiet
kontrolliert den Übergang. Wir besuchen im israelisch verwalteten
Teil eine palästinensische Schule und eine bedrängte Familie
begleitet von Matilda aus Schweden und Anja aus Deutschland. Für
diesen Begleitdienst des ökumenischen Rates der Kirchen (EAPPI)
haben sich Menschen aus verschiedenen Ländern zur Verfügung gestellt
und begleiten nach einer Einführung Kinder und Erwachsene in
schwierigen Situationen. So können sie oft
Menschenrechtsverletzungen verhindern und Verständigungsinitiativen
unterstützen.
Internationale Begleitung
und Besuche erwünscht
Mit ihrer Begleitung erreichen wir den Checkpoint. Stille umfängt
uns: menschenleer, ohne Geschäfte und quirligem Verkehr mit Eseln,
schwer beladenen Lastenträgern und hupenden Autos. Statt dessen
sehen wir versiegelte Häuser und versperrte Geschäfte. In H2
angekommen will eine schreiende Siedlerin unsere Gruppe aufhalten.
Hätten wir nicht unseren Begleitdienst, könnten wir wahrscheinlich
nicht weiter, da das Militär auf Seiten der Siedler ist. So aber
kommen wir zwar bedrückt, aber heil an unserem Ziel an: die
Cordoba-Schule. Etliche der Kinder von 6 bis 16 Jahren und die
Lehrerinnen müssen täglich denselben Checkpoint überqueren wie wir
unter oftmaligen Schikanen wie Warten bis zu einer Stunde,
langwieriges Durchsuchen der Schultaschen und Einfordern der
Geburtsurkunden bei den kleineren Kindern… Wir werden von der
engagierten Direktorin empfangen. Vor kurzem wurde in die Schule
eingebrochen, Computer gestohlen und Lehrbehelfe verwüstet. Auch der
Stundenplan musste geändert werden: jetzt sind die gleichen
Unterrichtszeiten wie bei den Israelis. Früher nämlich haben
israelische Kinder am Sabbat die von der Schule heimgehenden Kinder
massiv bedroht. Mit Hilfe des Begleitdienstes gibt es für Schüler
und Lehrerinnen nun weniger Schikanen auf dem Schulweg.
Aufbauende Begegnung mit Opfern des
israelisch/ palästinensischen Konfliktes
Am
Donnerstag Abend sitzen uns zwei Menschen gegenüber: Tal, eine junge
Israelin und Ibrahim, ein Palästinenser. Ibrahim beginnt, er betont
seine tiefe Verbundenheit, die es zwischen Tal und ihm gibt: Beide
haben im israelisch/palästinensischen Konflikt einen ihrer liebsten
Menschen durch einen Anschlag verloren. Vor 4 ½ Jahren bekam er
während der Arbeitszeit einen Anruf: „Komm sofort, dein Sohn ist
verletzt!“ Als er zu seinem Haus kam und viele Menschen auf der
Straße sah, bekam er ein mulmiges Gefühl. Ein Polizist sagte ihm:
„Ein israelischer Siedler hat dein Kind niedergefahren!“ Sein
einziger Sohn lag tot am Boden, Blut rann aus seinen Ohren. In
seinem tiefen Schmerz kam ihm zuerst Rache in den Sinn. Er erinnert
sich: „Das ist eine ganz große Kraft, wie nukleare Energie. Du
kannst gute, helle oder dunkle Energie daraus machen“. Sein zweiter
Gedanke war, dass auch auf der anderen Seite so viele Menschen und
Kinder getötet werden. Und sein Sohn würde durch Rache nicht mehr
lebendig werden.
Durch Begegnungen mit Feinden kann
Vertrauen wachsen
Tal wuchs mit ihrer Schwester Jael, die 4 ½ Jahre jünger war als
sie, wohlbehütet in Ashkelon auf. Beide Schwestern besuchten dort
die Kunstschule. Jael, eine sehr begabte junge Frau, leistete vor
dem Studium ihren Armeedienst ab und wurde sogar Bildungsoffizierin.
Am
9. September 2003 verließ sie am Abend die Militärbasis und wartete
auf den Bus nach Ashkelon. Da kam ein Auto angefahren, ein junger
Mann stieg aus und stellte sich zu den Wartenden, genau hinter Yael.
Kurz darauf sprengte er sich in die Luft. 8 Menschen starben und
etwa 30 wurden verletzt. Auch Tals erste natürliche Reaktion war
Rache, um den eigenen Schmerz zu besiegen. Gleichzeitig war ihr
bewusst, dass ein solches Verhalten alles nur schlimmer machen
würde. Etwa 5 Monate später bekam die Familie eine Einladung vom
Verein „Parentscircle“. Dieser Verein wurde 1995 von einem
religiösen Juden gegründet, dessen Sohn von der Hamas entführt und
ermordet wurde. Das wichtigste Ziel dieser Gruppe ist es, solche
Vorfälle durch Begegnungen in Zukunft zu verhindern. Sie besuchen
vor allem Schulen, bewusst immer gemeinsam: eine Person aus Israel,
eine aus Palästina. Für viele Kinder ist dies die erste Begegnung
mit einem palästinensischen Menschen, unvermummt, nicht im
Fernsehen, sondern von Angesicht zu Angesicht, bzw. erleben Kinder
aus Palästina zum ersten Mal Israelis nicht als Soldat, nicht als
aggressive Siedler, sondern als Mensch, wie du und ich. Etwa 600
Familien gehören dem Verein Parentscircle an, allein im letzten
Schuljahr fanden 1200 (!) solche Begegnungen statt. Diese Arbeit
wird ehrenamtlich geleistet.
Dieser Abend war sicherlich für alle sehr beeindruckend und ein
Hoffnungsschimmer in diesem verfahrenen Konflikt.
www.theparentscircle.org
Friede, Sicherheit kann es nur für
beide Völker geben
In
einem Kibbutz empfing uns die israelische Friedensaktivistin und
Journalistin Lydia Aisenberg. Sie ist 1967 aus Großbritannien nach
Israel ausgewandert, weil sie die antisemitistischen Angriffe nicht
mehr ausgehalten hat. Nun engagiert sie sich für Begegnungen von
Israelis mit Palästinensern in ihrer Region. Sie führt uns auf einen
Berg an der Grenze von Israel, von wo man halb Israel überblicken
kann. So klein ist das Land flächenmäßig. Von dort zum Meer sind es
27 km. In vielen Israelis steckt weiterhin die große Angst von den
Arabern ins Meer getrieben zu werden. Weil die Israelis diesen Hügel
nicht den Palästinensern überlassen wollen, haben sie die Grenzmauer
einige Kilometer zurückverlegt. So sind einige palästinensische
Städte auf israelischer Seite der Mauer. „Ohne Begegnungen kann der
Wut und das Misstrauen nicht abgebaut werden“ ist ihre Erfahrung.
Obwohl die Bedingungen dafür schwieriger wurden, gibt es ihrer
Meinung nach dazu keine Alternative.
Aufgewühlt wie selten von einer Reise, die von Andreas Paul und
Christl Schacht sehr gut vorbereitet war, halten wir –23 Teilnehmer
mit Pax – Christi Präsident Bischof Manfred Scheuer- es für ganz
wichtig, die Friedensengagierten auf beiden Seiten nicht im Stich zu
lassen, sondern sie verstärkt zu unterstützen spirituell, durch
Kontakte und finanziell.
Marianne und Gerhard Lehrner, Pregarten
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