Prof. Dr. Norman Paech
Erklärung zum
Leitartikel „Syrien und den Linken - Damals wie
heute“ von Christian Bommarius, in der Frankfurter
Rundschau und der Berliner Zeitung vom 14. Januar
2011: Herr Bommarius von der Frankfurter Rundschau
und der Berliner Zeitung wirft einigen Abgeordneten
der Linksfraktion im Bundestag und mir am 14. Januar
vor, mit unserer Unterschrift unter den Aufruf
„Kriegsvorbereitung stoppen! Embargo beenden!
Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens!“
hätten wir „den Terrorregimes in Damaskus und
Teheran unsere Solidarität und die USA und Israel
zum Urheber der Massenmorde erklärt.“
Wir hätten uns „öffentlich mit dem Massenmörder Assad verbrüdert“ und der „antisemitischen Hamas“ unsere Solidarität bekundet, - „in kommunistischen Gruppen gestählt und in Antisemitismus gehärtet“. Ein ganzer Eimer politischen Unflats wird über uns ausgeleert aber kein Wort über unser Anliegen, vor der drohenden Kriegsgefahr für die Völker Irans und Syriens durch die Eskalation der Embargopolitik und die permanenten Kriegsdrohungen zu warnen. Warum wird verschwiegen, dass wir in der vergangenen wie auch der jetzigen Legislaturperiode immer wieder die endemische Folterpraxis und die offenen Menschenrechtsverletzungen der beiden Regimes kritisiert haben? Mit solchen Regierungen hat es bei uns nie eine Solidarität gegeben und wird es auch nicht geben – darüber gab es nie Zweifel. Solidarität fordern wir ein mit den Völkern Irans und Syriens, die nachweisbar am meisten unter den Embargos leiden. Und wenn wir von den NATO-Staaten fordern, die politischen Realitäten im Gaza-Streifen anzuerkennen und ihre Unterstützung für die israelische Boykottpolitik aufzugeben, so hat das nichts mit Solidarität mit der Hamas, sondern mit Solidarität für die notleidende Bevölkerung zu tun. Der Vorwurf des Antisemitismus ist ohnehin zur billigen Münze verkommen.
Warum wird verschwiegen, dass der Krieg gegen Libyen nach Angaben des neuen Gesundheitsministeriums und des Übergangsrats etwa 40 000 Tote, zahllose Verletzte und Vertriebene gekostet hat? War das die Beseitigung Gaddafis wert? Sollte das das Vorbild für weitere Kriege werden? Und könnte das der Preis für die Beseitigung Assads oder Ahmadinedschads sein?
Warum werden die Tatsachen, auf die wir hinweisen, dass britische und französische Spezialeinheiten Kämpfer der „Freien Syrischen Armee“ trainieren und ihnen Waffen liefern, dass die CIA den Aufständischen bei der Kommunikation behilflich ist, dass CIA, Mossad und andere Organisationen einen geheimen Krieg mit Morden, Sprengstoffanschlägen und Boykottaktionen etc. gegen den Iran führen, in die Behauptung verdreht, wir hätten USA und Israel zu „Urhebern der Massenmorde“ erklärt?
Der Skandal liegt doch nicht darin, dass wir nicht zunächst unsere Kritik an den Regimen in Damaskus und Teheran und unsere Abscheu vor den Menschenrechtsverletzungen geäußert haben, bevor wir die Kriegsdrohungen der USA und Israels kritisieren. Der Skandal liegt darin, dass die meisten deutschen Medien die permanenten Kriegsdrohungen, ob von den USA oder Israel, und die offensichtlichen Kriegsvorbereitungen wie die Kursschwankungen an der Börse hinnehmen. Wo ist die Kritik an dieser Kriegstreiberei? Ist vollkommen vergessen worden, dass die Androhung von Gewalt gem. Art. 2 Zif. 4 genauso verboten ist wie die Ausübung von Gewalt? Ist die Lehre aus den Kriegen in Jugoslawien, Afghanistan, Irak und Libyen, dass nun auch die letzten unbotmäßigen Regierungen militärisch ausgewechselt werden können? Den Preis zahlen immer die Völker, und der ist uns in jedem Fall zu hoch.
Warum bringt unsere Forderung
nach Abkehr von einer aggressiven Politik der
Erpressung und Drohung mit Krieg und Rückkehr
zum politischen Dialog die Journalisten derart
in Wut, dass sie zum Kampfjournalismus aus den
Laufgräben des Kalten Krieges zurückkehren? Es
geht ihnen offensichtlich nicht um unser
zentrales Anliegen, vor dem Krieg in dieser
kriegsgefährdetsten aller Regionen und dem Weg
dorthin zu warnen. Ihnen geht es um die Linke,
ihre Diffamierung und Spaltung. Das wird uns
allerdings nicht davon abbringen, immer wieder
gegen Krieg und Kriegsdrohung unsere Stimme zu
erheben. (PK)