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Wie lange noch?

Gedanken und Erinnerungen von Felicia Langer
 

 
Collage Erhard Arendt

 

Das Jahr 2014 wurde durch die UNO als ein Jahr für die Palästinafrage ausgerufen. Ich habe die Anfänge der Besatzung (die 47 Jahre andauert) der palästinensischen Gebiete, und die syrischen Golanhöhen miterlebt, und möchte manche Merkmale des Leidens der Palästinenser erläutern.

Es war der Anfang des Jahres 1968. Ich hatte mein Anwaltsbüro aus Tel Aviv nach West-Jerusalem verlegt.

«Der erste, der sich an mich wandte, war ausgerechnet ein Imam, mit einem roten Fez auf dem Kopf. Er kam in Begleitung seiner Frau, die ohne ein Wort zu sagen, neben ihm saß. Der Mann berichtete auf Englisch, daß sein Sohn der Mitgliedschaft in einer palästinensischen Widerstandsorganisation beschuldigt wurde und sich im Gefängnis von Hebron befand. Plötzlich füllten sich seine Augen mit Tränen. Dabei lächelte er weich, bemühte sich, seine Schwäche zu überwinden, und sagte, auf dem schmutzigen Hemd seines Sohnes, das sie vom Gefängnis zum Waschen erhalten hatten, seien große Blutflecken. Die Mutter brach in Schluchzen aus. Es herrschte Schweigen. In diesem Moment war ich ausschließlich eine Mutter, die Mutter Michaels. Und was ich befürchtet hatte, passierte: Tränen schossen mir in die Augen, und anstatt Autorität, Kraft und Entschlossenheit auszustrahlen, weinte ich gemeinsam mit ihnen. So saßen wir da, drei erwachsene Menschen, und weinten über das Schicksal des gequälten Sohnes.» F.L.: „Zorn und Hoffnung“

So war die erste Begegnung mit der Familie Bukhari.

«Bukharis Akte trägt die Nummer 11. Die erste Akte in meiner Praxis nach der Besetzung. Es ist nicht einfach, jemanden im Gefängnis zu besuchen. Man braucht eine Sondererlaubnis und man weiß nicht immer, wer sie einem geben soll, doch dies habe ich bei der Verteidigung einiger Mandanten gelernt, die später entlassen wurden.

Die Ermittlungsakte des Sohnes befand sich in der Polizeistation von Bethlehem. Ich fuhr dorthin und begab mich zum verantwortlichen Polizeiinspektor. “Die Eltern des Jungen machen sich Sorgen; sie wissen nicht, was gegen ihren Sohn vorliegt und was ihn für ein Schicksal erwartet”, sagte ich. “Glauben Sie ihnen nicht, sie sind allesamt Lügner, ich könnte sie alle umbringen!”

Das könnte recht schwierig werden, nicht wahr? Es gibt so viele … Ich bin sicher, Sie sind nur müde und verärgert, weil es so schwierig ist, mit so einem großen Reich fertig zu werden.”

Er schaut mich mitleidig an: “Ach was, es ist ganz einfach, damit fertig zu werden. Schauen Sie, das Problem liegt nur darin, daß wir uns nicht dafür entscheiden können, daß es uns gehört. Wenn wir uns einmal entschieden haben, werde Sie schon selbst sehen, wie einfach alles ist!”» F.L.: „Mit eigenen Augen“

Ich habe den jungen Bukhara in Hebrons Gefängnis besucht und er hat mir erzählt, dass er gefoltert wurde. Ich bin danach in die „Hölle der Folter“ gestiegen, mit der Hoffnung, den Opfern helfen zu können, meist aber vergeblich.

Ich habe 1974 mit eigenen Augen die Wunden der Folter gesehen, bei meinen Mandanten, wie Suleiman el Najab, Housni Hadad, Gassan al Harb, Abed Majed Hamdan und Khalil Hijasy – Eine Gruppe von linken Palästinensern, die für eine friedliche Lösung des Konflikts mit Israel waren.

Das was sie, nach ihren Worten, in der „aufgeklärtesten aller Demokratien“ erlebt haben, soll das Allerschlimmste gewesen sein.

Ich werde nur ein Zeugnis zitieren, von Khalil Hijasy, den ich im Jalame-Gefängnis gesehen habe. Er konnte kaum gehen, seine Fußsolen waren voller Wunden. Er sagte, in Anwesenheit von Schin-Beth-Agenten:

«Zehn Tage lang konnte ich nicht mit den Füßen auftreten. Essen konnte ich nicht wegen der Schmerzen am Kiefer, die mir durch Faustschläge der Verhörer zugefügt worden sind. Dieser Mann, der uns gegenübersitzt, war menschlich zu mir. Er hat sie sogar darum gebeten, mit dem Foltern aufzuhören. Die Beamten haben auch auf meine Hoden geschlagen und sie mit Spray besprüht. Sie holten auch Soldaten herbei, damit sie ihren Spaß hatten, zu sehen, wie man mich quälte. Nach der Besprühung schwollen meine Hoden an, und ich bat um ärztliche Behandlung. Wenn ich über Frieden und die Möglichkeit von Koexistenz sprach, schlugen sie mich um so heftiger.» F.L.: „Zorn und Hoffnung“

Ich werde seine Worte und seine Wunden nie vergessen. Die Israelis waren schon damals, 1974, mehrheitlich friedensresistent! Sie haben es entschieden, so wie der Polizieinspektor in Bethlehem 1968 erklärte, dass es alles uns gehört!

Diese Entscheidung hat zu 500.000 illegalen Siedlern in den besetzten Gebieten geführt, zu über 24.000 zerstörten Häusern, vielen Tausenden entwurzelten Bäumen…

Die gleiche Nakba für die Palästinenser wie 1948 war in den Jahren der Besatzung nicht machbar, aber die verdeckte ethnische Säuberung funktioniert, all die Jahre, bis zum heutigen Tag. Ich möchte nur noch erwähnen, dass 800.000 Palästinenser während der Besatzung in israelischen Gefängnissen waren; Israel verhaftet auch Hunderte, Tausende von palästinensischen Kindern, stranguliert Gaza, als das größte Freiluftgefängnis der Welt … Das ist nur ein winziger Teil des israelischen Verbrechens. Israel ignoriert das Völkerrecht, und die Welt schweigt. Die Täter, ausgerüstet mit atomaren und anderen ausgeklügelten Waffen, eine vierte Militärmacht der Welt, spielt die Rolle des ewigen Opfers, und instrumentalisiert dazu unsere Toten, die Toten des Holocaust. Um die Welt zu täuschen, veranstaltet Israel einen Friedensprozess, ohne Frieden, auch nach 20 Jahren.

Am Ende möchte ich eine Geschichte von einer Mutter und ihrem Sohn erzählen, aus dem Jahre 1979:

«Die Frau ist nicht mehr jung, aber sie ist schön, und ihre Augen sprühen vor jugendlicher kraft. Begierig nimmt sie jedes meiner Worte auf. Es bewegt mich sehr, als ich in ihre glücklich strahlenden Augen sehe, während ich von ihrem Sohn erzähle.

In diesen Augen finde ich Sehnsucht und Liebe, Stolz und Freude über ihn und was er ist. Vielleicht brachte ich ihn für ein paar Augenblicke zu ihr zurück, in sein für ihn verbotenes Vaterland.

Es war ihre Liebe und die Düfte der Zitrushaine und die herzliche Grüße von Freuden, die ich ihm aus seiner fernen Heimat mitbrachte.

Doch meine Worte waren mager und farblos gewesen, ohne Zärtlichkeit, ohne die Wärme einer Hand.

Wenn sie nur seine kräftige Stimme hören könnte, als er Vergeltung für die Beleidigungen gegenüber seinem Volk forderte! Und er, Jamal, der zuerst aus Jaffa, dann aus Gaza und sogar aus Kairo verjagt wurde, läßt seine Zuhörer erschauern. Eine Frage, in die Luft geschleudert, kommt wie eine Zeitbombe aus der Tiefe der Seele des Volkes. “Wie lange noch?”» F.L.: „Zeit der Steine“

Die Welt schuldet Jamal jetzt eine Antwort, im Jahre der Palästinenser …

 

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