01.06.04 Früh um 8:00 fahren wir nach
Hebron. Auf der Siedlerstrasse links und rechts ist deutlich zu erkennen, dass der
Großraum Betlehem auch im Süden völlig von Siedlungen umgeben ist. Mehrfach werden wir an Checkpoints
abgewiesen, aber nach 3 Stunden, für die knappen 30 km zwischen Beit Sahour
und Hebron, erreichen wir das Büro von „ Defence for children
international“(DCI) im Centrum von Hebron. Der heutige Tag ist also den Kindern Palästinas
gewidmet. Zunächst gehen wir in die
sogenannte „Sicherheitszone“ H2, der eigentlichen Altstadt. Wir werden ständig von
Soldaten aufgehalten, die unsere Ausweise kontrollieren, fragen was wir hier
zu suchen haben und Riad, unser Begleiter muß sich ständig dafür
rechtfertigen, dass er uns hier herumführt. Auf dem Markt vor der Sicherheitszone
herrscht ein lebhaftes Treiben um viele bunte Marktstände, doch ist es hier fast
ausgestorben. Die Händler, die ihre Geschäfte nicht geschlossen haben, versuchen
sich notdürftig gegen den Unrat der Siedler zu schützen, in dem sie
Maschendraht zwischen die Vordächer spannen: Aus den oberen Stockwerken der
angrenzenden Siedlerhäuser werfen die Bewohner Müll, Steine und sonstigen Unrat
in die Gassen der Altstadt. Jetzt wird der Müll der Siedler vom Drahtgeflecht
aufgehalten und wirft kühlenden Schatten auf die wenigen Käufer. An manchen
Stellen hat sich so viel Müll angesammelt, dass man den Kopf einziehen muss, um
darunter hindurch zu tauchen. Durch eine enge Gasse kommen wir
direkt auf einen großen Platz, der eigentlich für die Kinder zum
Spielen gedacht war. Doch trotz Schulferien halten sich hier gerade drei Kinder auf.
Unser Begleiter Riad vom DCI erklärt uns: “Die Kinder haben große Angst hier zu
spielen. Ständig sind Soldaten und Siedler hier und greifen die Kinder an.
Und deshalb gehen auch nur noch wenige Leute hierher zum einkaufen“ An allen
Läden sehen wir kleine Plakate. Auf ihnen fordert eine christliche
Organisation zum kollektiven Einkauf an Freitagen und Samstagen auf. Damit sollen die
letzten Händler in der „Sicherheitszone“ davor bewahrt werden, aus Mangel an
Kunden ihre Geschäfte schließen zu müssen. Am check-point zum Stadtteil Tel
Rumeida treffen wir Dr. Tayzeer Zahda. Er ist Gynäkologe, doch kann er seit
5 Jahren nicht mehr praktizieren, da Siedler und Soldaten ständig sein Haus
besetzen, um vom Dach aus die Altstadt unter Beschuss zu nehmen. An der
Straßenkreuzung zeigt er uns die Stelle, an der einen Tag vorher ein 14-jähriger
Junge angeschossen wurde. Er befand sich auf dem Heimweg von der Schule, als
ein Soldat ihm aus einiger Entfernung in den Oberschenkel traf und dabei die
Hauptschlagader verletzte. Wir konnten anhand der Blutspur auf dem
Strassenpflaster den Weg verfolgen an dem er sich entlang geschleppt hat. Die
umstehenden Menschen, die ihm helfen wollten, wurden ebenfalls von den Soldaten
bedroht. Ein Freund von ihm, rief: „mir ist es egal, sollen sie mich doch
erschießen.“ und trug seinen Freund von dem Platz weg. Während uns Dr. Zahda davon
erzählt, kommen einige Menschen vorbei und erzählen uns ihre Geschichten von
Schussverletzungen, Bedrohungen, Soldaten belästigen junge Frauen…. So kann wohl jeder Mensch aus
Hebron seine Geschichte erzählen und es gibt wohl kaum einen besseren Ort um zu
sehen wie man unter der Besatzung lebt. Dr. Zahda führt uns zu seinem
Haus. Der check-point, den wir passieren müssen, ist erst einige Monate
alt. Viele Nachbart von Dr. Zahda haben in den letzten Monaten ihre Häuser
verlassen, zu häufig sind die Übergriffe der Siedler. Wir gehen in den Garten eines
verlassenen Hauses und Dr. Zahda erzählt von seinem Traum, hier einen
Spielplatz einzurichten. Uns wird immer klarer, das die
eigentlichen Probleme tatsächlich die Besatzung, die Siedler und die
ununterbrochene Enteignung des palästinensischen Landes sind. Die israelische
Regierung nutzt die Verbrechen in Raffah, den Bau der Mauer und die Diskussion um
den Rückzug aus Gaza, um ganz beständig und leise an der Besatzung
weiterzuarbeiten. Allein die Menschen in den
besetzten Gebieten, setzen diesem Treiben ihren vielfältigen Widerstand entgegen.
Bei der Verabschiedung betont Dr. Zahda: „ Ich sage meinen Kindern, dass sie
keine Steine auf die Siedler und Soldaten werfen sollen, damit kämen sie
hier in eine ganz gefährliche Situation. Nein, sie sollen zur Schule gehen,
lernen, die Uni besuchen und vor allem hier in ihrem Land bleiben. Das ist der stärkste
Widerstand.“ -- |