Leserbrief an die
Wiener Zeitung
Fritz Edlinger
Betrifft:
„Botschafter Dan Ashbel: Israel bekennt
sich zu Zweistaatenlösung“
Artikel vom 4.4.2009 >>>
Wien, 5.4.2009
Wieder einmal werden
dem internationalen Publikum die
Doppelstandards, welche seit vielen
Jahren die Berichterstattung über den
Nahostkonflikt beherrschen,
eindrucksvoll vor Augen geführt. Trotz
skandalöser und an ihrer militanten und
rassistischen Eindeutigkeit kaum zu
übertreffende Äußerungen führender
Mitglieder der neuen israelischen
Regierung, an ihrer Spitze vor allem der
populistische Rechtsradikale und neue
Außenminister Avigdor Liebermann, übt
man sich in vorsichtiger Zurückhaltung,
die auch vor der Ignorierung eindeutiger
Drohungen nicht zurückschrecken. In der
jüngsten Ausgabe des „Spiegel“ wird
sogar der Hoffnung Ausdruck gegeben, die
internationale Staatengemeinschaft könne
einen „erzieherischen“ Einfluss auf
Liebermann und Konsorten ausüben. Woher
dieser Optimismus kommt, bleibt dahin
gestellt, ebenso die Erläuterung, warum
man eine derartige Entwicklung bei
radikalen Israelis erwarte aber nicht
bei ihren arabisch/palästinensischen
Pendants. Die einen werden also trotz
offener Kriegsdrohungen und
rassistischer Entgleisungen weiter in
der Mitte der demokratischen
Staatengemeinschaft geduldet, während
Repräsentanten von politischen
Bewegungen, welche wie die
palästinensische Hamas die Mehrheit
ihrer Bevölkerung repräsentieren,
weiterhin boykottiert und sanktioniert
werden. Dieser Widerspruch ist
inakzeptabel und letztlich auch
kontraproduktiv.
Daran ändert auch
nichts, wenn der Repräsentant Israels in
Österreich versucht, die hinlänglich
bekannten Positionen seines neuen Chefs
abzuschwächen und um zu interpretieren.
Herr Ashbel schwindelt sich nicht nur
über die aggressiven und
kriegshetzerischen Stellungnahmen des
israelischen Außenministers sondern auch
über durchaus inhaltlich gleichlautende
des neuen Ministerpräsidenten Benjamin
Netanjahu. Übrigens übergeht Herr Ashbel
geflissentlich, dass die von ihm so
gelobte und von Liebermann anerkannte „road
map“ von Israel erst nach monatelangen
Verhandlungen und mit zahlreichen
Bedingungen und Änderungen akzeptiert
worden ist. Ganz abgesehen davon, dass
Israel in einer der wesentlichsten
Forderungen dieses Friedensvorschlages,
nämlich der sofortigen Beendigung der
illegalen Siedlungspolitik, diesen nicht
nur ignoriert sondern massiv und
andauernd verletzt.
Es wäre höchst an der
Zeit, dass die Staatengemeinschaft aber
auch die Mainstreammedien Im Westen
nicht länger der andauernden
Vernebelungstaktik der unterschiedlichen
israelischen Regierungen auf den Leim
gehen, und Israel zumindest in derselben
ultimativen Diktion entgegentreten wie
sie das bei den Palästinensern tun.
Andernfalls macht man sich mitschuldig
an der fortgesetzten Vertreibung und
Entrechtung des Palästinensischen Volkes
sowie letztlich auch an der Verhinderung
jeglicher politischen Lösung dieses
blutigen Konfliktes.
Fritz Edlinger
Generalsekretär
Gesellschaft für
Österreichisch-Arabische Beziehungen