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Faten Mukarker -
Palästina, Bethlehem 14. Juni 2010
Liebe Freunde in der Ferne
Freedom Flotilla oder ist der Punkt erreicht
Da ich wieder mal auf Vortragsreise in
Deutschland bin, um über " Das Leben zwischen Mauern " in Bethlehem zu
berichten, habe ich die Nachrichten von den Schiffen, die von Israel
überfallen wurden, hier in Deutschland mitbekommen.
Mir schien, als hätte man in Israel die
Wahrnehmung für die Realität um sich herum verloren.
So eine Art Zügellosigkeit, die kommt, wenn
man ein Kind ohne Werte und ohne Grenzen aufwachsen lässt.
In dem Fall heißt das Kind Israel und die
Eltern internationale Weltgemeinschaft.
Seit Jahrzehnten schießt man auf
Palästinenser, tötet und verletzt sie, zerstört ihre Häuser, nimmt ihnen
das Wasser und ihr Land, reißt ihre Olivenbäume aus, mauert sie ein und
steckt sie für Jahre in Gefängnisse, oft sogar ohne Gerichtsverfahren –
und Entschuldigung – ich habe noch etwas vergessen, den weißen Phosphor,
den man vor 18 Monaten auf die Menschen in Gaza geworfen hat und nur zur
Erinnerung die 1464 Menschen, die man in 22 Tagen tötete.
Doch jetzt endlich: die Welt hatte
aufgeschrien. Die Grenze in ihren Augen war überschritten.
Es waren nicht Palästinenser, auf die man
geschossen und die man getötet hatte. Und die noch größere
Überschreitung, sie hatten nicht mal gewartet, bis das Schiff in
israelischen Gewässern war, sondern es in internationalen Gewässern
angegriffen.
Ich trauerte um die Menschen, die man
getötet hat. Sie waren für mich nicht nur eine Zahl, sondern neun
Menschen. Ist es Zufall oder sollte jeder Tote symbolisch für jedes der
neun Schiffe sein?
Ich stellte mir vor, was sie wohl für
Zukunftsträume hatten. Was sie noch alles vor sich hatten in ihrem
Leben, oder wie sie sich ihren Lebensabend im Kreis ihrer Familie
vorgestellt hatten.
Sie wussten schon, dass ihr Vorhaben nicht
einfach sein würde, doch bestimmt hatten sie nicht gedacht, dass ihr
Leben mit dieser Schiffsfahrt enden sollte.
Denn sie waren als Menschen gekommen, mit
einer menschlichen Botschaft, um auf die unmenschliche Situation im
Gazastreifen aufmerksam zu machen.
Der Gazastreifen ist der am dichtesten
bevölkerte Flecken dieser Welt, mit 1,5 Millionen Menschen, auf einer
Fläche, die dem Stadtstaat Bremen entspricht. Seit Jahren hermetisch von
der Außenwelt abgeriegelt. Es gibt nur wenige Nahrungsmittel, die Israel
hineinlässt.
Ein Politiker sagte in Israel einmal: "Wir
wollen sie nicht aushungern, wir wollen ihnen nur eine Diät verordnen".
Viele Menschen hatten sich also aufgemacht,
um diese völkerrechtswidrige Blockade auf dem Seeweg zu durchbrechen.
Auf den Schiffen waren Nahrungsmittel und
Baumaterial, denn die Folgen des Gazakrieges waren noch nicht behoben.
Israel lässt kein Baumaterial durch. Die
Menschen, deren Häuser man zerstört hat, leben in Zelten und Baracken.
Wer Glück hat, konnte sich ein Haus aus
Lehm bauen.
Der Befehl an die Soldaten war klipp und
klar. " UM JEDEN PREIS" sollten sie die Schiffe aufhalten.
Denn wo käme man hin, würde man das
zulassen, das könnte ja Schule machen und es würden immer mehr Schiffe
kommen, um die von Israel verhängte Blockade zu durchbrechen. Nein,
sagte man, so etwas muss man im Keim ersticken.
Israel bekam viel Kritik und Protest.
War das vielleicht der erste Schritt der
Weltgemeinschaft, Druck auf Israel zu machen, die seit 43 Jahren
andauernde Militärbesatzung und Unterdrückung in Palästina zu beenden?
War der Punkt erreicht, an dem man sagt, genug, wir wollen diesen ewigen
Kreislauf von Hass, Rache und Vergeltung und Vergeltung der Vergeltung
endlich aufbrechen, merkte man endlich, dass wir ohne Hilfe von außen
nicht alleine aus diesem Konflikt herauskommen.
Ich wagte wieder zu hoffen, obwohl ich
diese Wechselgefühle von Hoffnung und Enttäuschung nur allzu gut kannte.
Salam
Faten Mukarker
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