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Hinter der Nebelwand des Gaza-Abzugs
Tanya Reinhart, Yedioth Achronot, 13.4. 2005

 

Sharon reiste  wie ein Friedensheld in dieUSA, als ob er Gaza schon evakuiert hätte und nun nur noch einiges nachgearbeitet werden müsste. Was völlig aus der öffentlichen Tagesordnung verschwunden ist, ist das, was mittlerweile in der Westbank passiert. Die Medien fahren fort, uns mit der Unruhe der Evakuierung zu überfluten und mit der Nitzanim-Seifenblase. Aber bis jetzt besteht der Abzug aus dem Gazastreifen nur auf dem Papier. Bis jetzt hat noch kein  einziger Siedler eine Entschädigung erhalten. Auch die nicht, die mit einer Entschädigung einverstanden sind. Sie warten nun; denn wenn sie die Chance haben,  Nitzanim – Israels Filetstück – zu erhalten, warum sich beeilen? Mittlerweile – drei und ein halb Monate vor dem geplanten Termin des Abzugs - ist immer noch nicht klar, wo die Evakuierten zunächst mal  wohnen sollen, bis durch Diskussionen geklärt worden ist, wo sie schließlich angesiedelt werden sollen. Im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung ist auch noch keine Infrastruktur  für ihr vorläufiges Wohnen  aufgebaut worden. „Die Siedlungsabteilung  der jüdischen Agentur, die verantwortlich ist, die Karavanen zu liefern, die die Evakuierten vorübergehend aufnehmen sollen, hat bis jetzt noch keine Order von der Regierung erhalten.“ (Petersburg, Yed. Ahronot, 8.4.05)

Falls Sharon (tatsächlich) beabsichtigt, die Gazasiedlungen zu evakuieren, tut er es mit empörender Ineffizienz. Viel effizienter arbeitet er in der Westbank. Dort werden die Pläne genau nach Terminplan ausgeführt. Von Anfang an, schon während der ersten Vereinbarungen über den Abzugsplan zwischen Sharon und Netanyahu vor einem Jahr, war man  überein gekommen, dass der Abzug erst dann ausgeführt wird, wenn der Trennungszaun auf der westlichen Seite  der Westbank fertig gestellt sein wird.(1)  Und tatsächlich geht der Mauerbau dort seiner Vollendung entgegen. Im Juli, dem verkündeten Datum für den Beginn des Abzugs, wird Ost-Jerusalem von der Mauer umgeben  und so von der Westbank abgeschnitten sein. Die Palästinenser, die dort leben, können dann nur mit Passierscheinen die Stadt verlassen. Der Lebensmittelpunkt der Westbank wird ein abgeschlossenes Gefängnis sein. Ebenso wie die nördliche Mauer, die schon die Bewohner von Tul Karem, Kalkilya und Masha eingesperrt und  ihnen das Land geraubt hat, wird die Mauer nun im Süden weitergebaut.. Die Bulldozer steuern nun auf das Land von Bil’in und Safa zu, die an die Siedlungen von Modiin Illit grenzen. Die Bauern, die dort ihr Land verlieren, versuchen gemeinsam  mit israelischen Mauergegnern nicht von ihrem Land zu weichen. Aber wer nimmt schon ihr Leiden wahr und hört von ihrem Kampf mitten im Tumult des Abzugs?

 

Der Abzugsplan wurde im Februar 2004 geboren – auf dem Höhepunkt  internationaler Kritik am Mauerprojekt und am Vorabend der Überlegungen beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Mit dem Rechtsguthaben, das dann im Juli verkündet wurde, bestimmte das Gericht, dass der Verlauf der Mauer eine eklatante und ernste Verletzung des Völkerrechtes sei. Außerdem  wies der Gerichtshof darauf hin, dass durch den Weggang der palästinensischen Bevölkerung aus gewissen Gebieten die Gefahr bestünde, dass sich die demographische Zusammensetzung verändere“. ( § 122) Mit anderen Worten : der Gerichtshof warnte vor einem Prozess des Transfers.

Nach UN-Daten werden 237 000 Palästinenser zwischen der Mauer und der grünen Linie gefangen sein, weitere 160 000 werden auf palästinensischer Seite bleiben, aber von ihrem Land abgeschnitten sein. (Der beim Regierungstreffen im Februar korrigierte Mauerverlauf wird die Zahl nur gering verändern)

Was können diese Leute erwarten: die Bauern, die ihr Land verloren haben, die Quasi-Gefangenen, die von ihren Familien und ihrer Lebensgrundlage abgeschnitten sind? Die Geisterstädte wie Tulkarem, Qalqilia und die Dörfer rund im Masha – viele haben sie schon verlassen und suchen am Rande der Städte mitten in der Westbank eine Existenzmöglichkeit. Wie lange werden die anderen in der Lage sein, unter diesen Umständen  von Verzweiflung  und Not in den zu Gefängnis gewordenen Dörfern durchzuhalten?

 

Der „Transfer“ wird im kollektiven Gedächtnis mit LKWs assoziiert, die mitten in der Nacht ankamen und die Palästinenser über die Grenze schafften, wie es 1948 an vielen Orten geschehen ist. Aber hinter  der Nebelwand des Abzugs aus dem Gazastreifen vollzieht sich heute ein langsamer, verborgener Transfer in der Westbank. Es ist nicht leicht zu beurteilen, welche Methode des „Transfers“, der Vertreibung von Menschen von ihrem Land grausamer ist. Fast 400 000 Menschen, etwa die Hälfte der Zahl der Palästinenser, die 1948 gezwungen wurden, ihr Land zu verlassen, sind nun die neuen Kandidaten für „ freiwillige Emigration“ in Flüchtlingslager in der Westbank.

Und all dies geschieht im Augenblick  in scheinbarer Stille (- einem sog. Waffenstillstand - ER), weil Sharon vielleicht den Abzug durchführen wird.

 1: 19.April 2004 in Yed.Achr.: „Der Ministerpräsident verpflichtete sich, dass der Trennungszaun vor der Evakuierung fertig gestellt sein muss.... Sicherheitsleute schätzen, dass der Zaun frühesten Ende 2005 fertig gestellt sein wird. ... So wird die Evakuierung nicht bis zu dem den USA versprochenen Termin vollendet sei....“ Yossi Yehoshua)

 

(Aus dem Hebräischen: Mark Marshall)

(dt. ellen rohlfs)

 

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