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Anti-Semitismus
Amos
Gwirtz, 31.5.13 Occupation Magazine
http://www.kibush.co.il/show_file.asp?num=59697
Stellen wir uns folgenden – hoffentlich
unmöglichen - Vorfall vor: irgendein Staat Europas (sagen wir mal
Frankreich) entscheidet, die jüdischen Bürger in einer Stadt zu
konzentrieren. Um sie zu ermutigen, in die für sie bestimmte Stadt
umzuziehen, beeinträchtigt der Staat ihr Geschäft, zerstört ihre
Häuser und legt ihnen strenge Einschränkungen auf die öffentlichen
Dienste, die ihnen zustehen, wie z.B. fließend Wasser, Strom,
Gesundheitsdienste, Abwasserbeseitigung usw.
Keine allzu entwickelte Vorstellung ist nötig, um
zu wissen, wie wir und der Rest der aufgeklärten Welt auf so eine
anti-semitische Politik eines Staates reagieren würden. Die
israelische Regierung würde sofort ihren Botschafter zurückrufen und
dem Botschafter dieses Staates als unerwünschte Person erklären.
Wir, die Bürger Israels, die Linken, die Rechten oder die vom
Zentrum würden zu einer internationalen Kampagne gegen den Staat
mit anti-semitischer Politik aufrufen. Wir würden natürlich die
Produkte dieses Landes boykottieren und den Rest der Welt dazu
aufrufen, dasselbe zu tun. Wir würden verlangen, dass die UN eine
Resolution verabschiedet, die den Staat zu einem rassistischen,
anti-semitischen Staat erklärt und ihn Sanktionen unterwirf, bis er
von seiner Politik, seine jüdischen Bürger zu konzentrieren, Abstand
nimmt.
Was genau tut der Staat Israel mit jenen Bürgern,
die unglücklicherweise als Beduinen geboren wurden und im jüdischen
Staat leben?
Hier ist ein kurzer Überblick: nach dem Krieg von
48 und der Gründung des Staates Israel setzte Israel die Vertreibung
der Beduinen aus seinem Gebiet fort. Diese Vertreibungen hörten erst
1960 auf (11 000 Beduinen blieben im Land. Jetzt beträgt die Zahl
200 000). Israels ganze palästinensische Bevölkerung wurde bis 1966
von der Militär-Regierung beherrscht. In den frühen 50ern
konzentrierte Israel seine Beduinenbürger in der Negev im
Sayag-Gebiet. Das von Beduinen gesäuberte Land wurde dann durch die
Regierung - durch Gesetze – dem Staat vermacht. Reiner Landraub
mittels Gesetz! 1965 wurde das Planungs- und Baugesetz
verabschiedet, mit deren Hilfe der größte Teil des Sayag-Landes für
landwirtschaftliche Nutzung erklärt wurde und wo das Bauen (von
Wohnraum ) verboten ist. So wurde durch Gesetz eine Situation
geschaffen, wo die Beduinen im Sayag-Gebiet zwar seit
vor-staatlichen Zeiten leben, dass sie aber das Gesetz brechen, wenn
sie ihr Menschenrecht auf Unterkunft fordern. Es ist sogar noch
schlimmer: diejenigen, die der Staat enteignet und gezwungen hat, in
das Sayag-Gebiet umzuziehen, ohne eine rechtliche Grundlage zu
schaffen, neue Unterkünfte zu errichten, werden jetzt vom Staat als
solche definiert, die in Staatsland eingedrungen seien. Auch sie,
die nur ihr Grundrecht fordern, ein Dach über dem Kopf zu haben,
sind zu Gesetzesbrechern geworden.
Dies ist bei weitem nicht das Ende der Verfolgung
von Beduinen durch den jüdischen Staat. In den späten 60er-Jahren
nahm eine neue Politik Gestalt an: Beduinen sind in Städte
umgesiedelt worden. Sieben dieser Städte wurden gebaut und etwa die
Hälfte der Negev-Beduinenbevölkerung wurde dort neu angesiedelt.
Natürlich ohne Infrastruktur von Arbeitsmöglichkeiten und mit
extrem wenig öffentlichen Diensten. Die Städte sind ein wahrer
Misserfolg mit höchster Arbeitslosigkeit und Verarmung und einer
besonders hohen Verbrechensrate. Dies ist ein Misserfolg auf der
ganzen Linie geworden. Aber keine Angst - Misserfolg ist kein
ausreichender Grund gewesen, die Politik der Beduinenumsiedlung in
Konzentrations-Städte zu stoppen. Wann immer der Staat mit
Beduinen konfrontiert ist, die sich weigern, sich zu fügen und sich
am Kopfgeld „zu erfreuen“, werden unter Druck gesetzt. Ihre
Weideflächen werden weiter begrenzt, einige ihrer Getreidefelder
werden zerstört, ihre Hütten werden zerstört ( 2011 wurden über
1000 Wohnunterkünfte zerstört), Dörfer werden ruiniert , Strom,
Wasser, Ambulanzen, Straßenzugang etc. werden ihnen verweigert,
alles, um ihnen das Leben in den Dörfern unmöglich zu machen und
sie so in die Städte zu bringen.
Die meisten Israelis wissen aus einem einzigen
Grund nichts von der fürchterlichen Realität in der Negev: nicht nur
die Regierung praktiziert eine anti-semitische Politik gegen seine
eigenen (semitischen) Beduinen-Bürger. Auch die Medien sind hier
Komplizen. Sie berichten einfach nichts davon. Wenn ein jüdischer
Geächteter, der israelisches Gesetz in den besetzten Gebieten bricht
(zusammen mit dem Staat selbst, der das internationale Recht bricht)
und einen „Illegalen“ Außenposten auf privatem palästinensischen
Land baut, und eine Order zum Zerstören erhält, zittert das ganze
Land. Die Medien sind natürlich voll mit Berichten über die grausame
Politik der Regierung gegenüber den „Pionieren“, die das Land Israel
„erlösen“. Und hier verlangen Idealisten und ihre Unterstützer von
der israelischen Regierung, jene Leute noch viel härter zu
behandeln, deren Elend es ist, als Beduine im jüdischen Staat
geboren worden zu sein.
Tatsächlich ist ihr Wunsch erfüllt worden. Jetzt
erwartet die Regierung, dass die Knesset ein Gesetz verabschiedet,
die Vertreibung von zig Tausend Beduinen aus ihren verbliebenen
Ländereien und Dörfern in mehr zu bauende Städte zu beschleunigen.
Und auch der Rest der Welt schweigt angesichts
Israels anti-semitischer Politik. Kaum einer riskiert es, die
Menschen in Israels KZ-Städten zu schützen, da sie enteignet sind.
Diese Art von Rassismus pflegte man gegenüber Juden zu praktizieren.
Jetzt geschieht genau dies in ihrem Namen …
Und wir - eine schmerzlich kleine Schar – zögern
angesichts dieser erschreckenden Realität. Was wir erreichen, ist
allein, als selbst-hassende Verräter verurteilt zu werden.
Dazu ein Zitat vom Schauspieler Theodore Bikel:
„ Es verletzt mich, zu wissen, dass unser Volk, die Nachkommen
vertriebener Juden aus Städten wie Anatekva, dabei ist, ca. 40 000
israelische Bürger aus ihren Heimen zu vertreiben, ihre Dörfer zu
zerstören und ihr Land zu enteignen.“ (Aus „Fidler without a Roof“)
(dt. Ellen
Rohlfs)
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