Fast 850
britische Juden rufen ihre Führer auf, das Schweigen zu brechen.
Ein offener Brief an die Kommission
der Vertreter britischer Juden vom 23. Juni 2004.
Tausende britischer Juden warten auf
eine gerechte und menschliche Lösung des
israelisch-palästinensischen Konfliktes, die in Übereinstimmung mit
den jüdischen Werten von Gerechtigkeit, Toleranz und gegenseitigem
Respekt ist. Sie erwarten von den offiziellen Führern der Gemeinden
Unterstützung. Nun, da es klar ist, dass britische Juden immer
öfter sich sehr kritisch gegenüber der israelischen
Regierungspolitik fühlen ( 31%) und nur 24% sie unterstützen (Jewish
Chronicle , 18.6.04) ist es an der Zeit, zwischen den Interessen der
jüdischen Gemeinschaft in England und der von der israelischen
Regierung ausgeführten Politik - gleich welcher Überzeugung - zu
unterscheiden.
Wir fürchten, dass die Kommission
der Vertreter der britischen Juden nicht unterscheidet zwischen dem
Schaden der allgemeinen Unterstützung für Israel in der jüdischen
Gemeinde und der Bevölkerung als ganze.
Wir sind gegen Israels Besatzung und
die Besiedlung der West Bank, Ost-Jerusalems und des Gazastreifens.
Wir sind erschrocken über die einseitige Aktion, Unterdrückung,
gezielte Morde, Hauszerstörungen, lang anhaltende Gefangenschaften
ohne Gerichtsverhandlung und Schuldzuweisung, ausgedehnte
Ausgangssperren und andere kollektive Bestrafungen. Sie sind
unmenschlich und kontraproduktiv. Sie schüren den Groll und helfen
nicht zu einem dauernden Frieden.
Alle Angriffe auf Zivilisten von
beiden Seiten, einschließlich der Selbstmordattentate, müssen
verurteilt werden. Es rentiert sich nicht, sie als gerechtfertigten
Gegenschlag zu sehen – sie heizen nur eine endlose Gewaltspirale
an. Unannehmbare Vertreibung in Rafah hat die Welt schockiert. Ein
neuer Versuch der Annäherung ist notwendig. Als Juden in England
sind wir davon überzeugt, dass Israel denselben Kriterien, denselben
moralischen und rechtlichen Standards unterworfen werden
sollte, wie sie für unsere Regierung gelten. Die Kommission der
Vertreter ist gegenüber Aspekten der augenblicklichen israelischen
Politik kritisch, will aber nicht offen ihre Stimme erheben, aus
Sorge, dies würde von Israels Feinden missbraucht werden. Aber
Schweigen angesichts der Unterdrückung ist niemals zu rechtfertigen.
Ein israelischer Rückzug
aus dem Gazastreifen wäre ein guter Anfang für Israel, indem es
internationalen Verpflichtungen nachkommt. Solch ein Rückzug muss
aber in gegenseitigem Einverständnis sein, das den Menschen in Gaza
die Chance gibt, ein Leben in Frieden mit Würde aufzubauen. Die
einzige dauerhafte Lösung kann nur verhandelt werden.
Das fortgesetzte Enteignen von immer
mehr Land in der besetzten Westbank macht es unmöglich zu glauben,
dass die israelische Regierung aufrichtig Frieden sucht. Der
beschleunigte Bau des Trennungszaunes tief im palästinensischem
Gebiet schürt nur dieses Misstrauen.
Kritik an israelischer
Regierungspolitik mit dem Grund, es sei neuer Antisemitismus,
abzutun, ist ungerechtfertigt und unwürdig der Generationen von
Opfern des Antisemitismus. Wir müssen uns gegen wahren
Antisemitismus stellen, wo immer er sein Haupt erhebt, aber nicht
die Leute durch Missbrauch des Terminus dagegen unempfindlich
machen.
Die Kommission der Vertreter der
britischen Juden ist und sollte nicht die Stimme der israelischen
Regierung sein. Zu oft scheint sie, genau das zu sein. Wir rufen
die Kommission auf, sich für den weit verbreiteten Wunsch der
britischen jüdischen Gemeinde für eine gerechte und friedliche
Dauerlösung des Konfliktes einzusetzen. Dies muss laut in die
Öffentlichkeit gebracht werden. Schweigen macht uns alle
unglaubwürdig.
Es folgen die Namen der
Unterzeichner .....
Einer der Unterzeichner:
Prof. Andrew Samuels (Psychoanalytiker, Universität von Essex)
sagte: „Die Debatte in der internationalen Judenheit über die
Notwendigkeit , die jüdische Identität vom jüdischen Nationalismus
zu trennen, und hinfort sich frei zu fühlen, Israels Politik zu
kritisieren, ist äußerst wichtig geworden, damit die Regierungen der
Welt unparteiisch über den Nahen Osten urteilen.“
Aus dem Englischen ( gekürzt): Ellen
Rohlfs ( von „Jüdische Stimme für Gerechtigkeit“ am 6.7.04 erhalten,
siehe auch
www.jfjfp.org)
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