Eine Falle
für Toren
Uri Avnery, 21.7.07
IN EINEM
klassischen, echten amerikanischen Western ist der Unterschied so
klar wie die Mittagssonne in Colorado: es gibt die guten Kerle und
die bösen Kerle. Die guten sind die Siedler, die die Prärie zum
Blühen bringen. Die bösen sind die Indianer, die blutdurstigen
Wilden. Der größte Held ist der Cowboy, zäh, menschlich, mit einem
großen Revolver oder zweien, bereit, um sich jederzeit zu
verteidigen.
George Bush,
der in seiner Kindheit mit diesem Mythos aufwuchs, hält sich noch
jetzt an diesen, während er der Herrscher der einzigen Weltmacht
ist. In dieser Woche stellte er der Welt einen neuen,
up-to-date-Western vor.
In diesem
Western – oder besser Middle- Eastern – gibt es auch gute Kerle und
böse Kerle. Die guten sind die „Moderaten“, die mit den USA im Nahen
Osten verbündet sind : Israel, Mahmood Abbas und die
pro-amerikanischen Regime. Die bösen sind die Hamas, Hisbollah, der
Iran, Syrien und die Al-Qaida.
Es ist ein
simples Drehbuch. So einfach, dass auch ein Achtjähriger es
verstehen kann. Die Schlussfolgerungen sind auch simpel: die Guten
müssen unterstützt werden, die Bösen sollen verrecken. Am Ende gibt
es einen Helden - George selbst – er wird auf seiner edlen Stute in
den Sonnenuntergang reiten, mit Musik im Crescendo.
DER
KLASSISCHE Western zeigt natürlich nicht, wie die heldenhaften
Pioniere das Land der Indianer stehlen. Und nicht wie die Kavallerie
der US die Lager der Indianer angreift, die Zelte niederbrennt und
ihre Bewohner tötet, Männer, Frauen und Kinder. Und nicht wie die
US-Regierung, nachdem sie offizielle Verträge mit den indianischen
Völkern unterzeichnet hat und sie einen nach dem anderen bricht. Und
nicht, wie die Übriggebliebenen in desolate Gegenden getrieben
wurden, bevor der Ausdruck „ethnische Säuberung“ das erste Mal
Verwendung fand..
Verleugnung
läuft wie ein roter Faden durch den klassischen Western – genau wie
in dieser Rede von Bush. Dies drückt sich in einer einfachen Sache
aus: die Besatzung wird so gut wie gar nicht erwähnt.
In der
palästinensischen Gesellschaft gibt es z.B. einen Kampf zwischen
den „Moderaten“ und den „Extremisten“. Die Extremisten sind alles
Mörder. Warum sind sie Mörder? Doch da gibt es kein „warum“. Sie
sind Mörder, weil sie eben Mörder sind. Es ist ihr Wesen. Sie sind
damit geboren. Die Moderaten sind Moderate, weil sie eben moderat
sind. Einige Leute sind eben von Geburt an gut.
Deshalb ist
das ganze Problem ein palästinensisches Problem. Sie müssen sich
entscheiden. Sie müssen zwischen Moderaten und Extremisten wählen..
Wenn sie die Moderaten wählen, erhalten sie alles, was sie sich nur
vorstellen: bunte Glasperlen und Fässer mit Whisky. Wenn sie die
Extremisten wählen, werden sie ein bitteres Ende haben.
Die
jüdischen Israelis müssen nicht zwischen den guten und bösen wählen.
Ganz einfach, weil es keine bösen Kerle unter uns gibt. Sie sind
alle gut. Sie müssen den guten Palästinensern helfen. Das
palästinensische Steuergeld „freigeben“ und dem Ministerpräsidenten
(Salem) Fayad zukommen lassen – nicht der palästinensischen
Regierung, sondern einer speziellen Person, die mit Namen genannt
wird, der Liebling von Bush.
Was wird von
den Israelis noch verlangt? Sie müssen verstehen, dass ihre „Zukunft
in den Entwicklungsgebieten wie dem Negev und in Galiläa liegt –
nicht in der andauernden Besatzung der Westbank“. (Hier war es das
einzige Mal, dass die Besatzung erwähnt wurde).
Sie sollten
ungenehmigte Außenposten auflösen und mit der Siedlungsexpansion
aufhören. Sie mögen auch „noch andere praktische Wege finden, um
ihre Fußabdrücke ( in der Westbank) zu reduzieren, ohne die
Sicherheit zu verringern. Das heißt also: die Besatzung kann weiter
bestehen, aber es wäre ganz schön, wenn irgend etwas unternommen
würde, damit sie weniger sichtbar wäre.
Vor langer
Zeit betrachteten die USA alle Siedlungen als illegal. Als die
israelische Regierung sie weiter ausdehnte, verhängte James Baker,
der Außenminister von Vater Bush finanzielle Sanktionen über Israel.
Bush, der Sohn, verlangte zunächst, dass alle Siedlungen die nach
dem Januar 2001 errichtet worden sind, aufgelöst werden müssen.
Später zog er seine Opposition gegen die Siedlungsblöcke
(„Bevölkerungszentren) zurück. In der „Road Map“ verfügte er,
Israel müsse unmittelbar die Vergrößerung der Siedlungen einfrieren.
Nun ist er mit einer scheinheiligen Forderung einverstanden ,
„nicht autorisierte Außenposten aufzulösen“ (ohne bestimmten
Artikel) – d.h. einige von jenen, die ohne offizielle Genehmigung
der israelischen Regierung aufgestellt wurden. All dies ohne „sonst“
und ohne Erwähnung von Sanktionen.
In den
letzten paar Jahren wurde nur ein solcher Außenposten – Amona -
abgebaut, und in dieser Woche entschied sich Olmert, all die
angeklagten Fanatiker, die die Polizei während dieses Vorfalls
angriffen, zu begnadigen. Die israelische Regierung weiß, dass Bush
nur Lippenbekenntnisse ablegt und nimmt ihn nicht ernst.
IN VIELEN
klassischen Western erscheint ein Gauner, der Patentmedizin
verkauft, die alle Krankheiten heilt: Kopfschmerzen und Hämorriden,
Tuberkulose und Syphilis. George Bush hat jetzt auch solch eine
Patentmedizin, die immer wieder in seiner Rede vorkommt. Sie wird
alle Krankheiten heilen und den Endsieg der Söhne des Lichts über
die Söhne der Finsternis sicherstellen.
Auf dem
Etikette der Medizinflasche steht: „Aufbau palästinensischer
Institutionen.“
Warum sind
wir bis jetzt nicht darauf gekommen? Warum versuchten wir alle
möglichen Lösungen und übersahen dies eine, so einfache, die vor uns
liegt?
Es ist wie
ein Ei des Kolumbus oder das Schwert Alexanders des Großen, mit dem
er den Gordischen Knoten durchschlug. Die Palästinenser haben keine
Institutionen. Die beiden guten Leute, „Präsident Abbas und
Ministerpräsident Fayad kämpfen darum, Institutionen für eine
moderne Demokratie zu bauen“. Das heißt „Sicherheitsdienste“ ..
Ministerien, die Dienste ohne Korruption liefern .. Schritte, die
das natürliche Unternehmen des palästinensischen Volkes voranbringen
… die Rechtsstaatlichkeit.
All dies
unter Besatzung, hinter Straßensperren, Mauern und Zäunen, während
die Hauptstraßen für Palästinenser versperrt sind, während die
Westbank in Stücke geschnitten und vom Rest der Welt abgeschnitten
ist. Übrigens hat Bush in dieser Angelegenheit noch ein anderes
Patentrezept: alle palästinensischen Exporte sollen in Zukunft nach
Jordanien und Ägypten gehen, aber nicht nach Israel.
Um diese
Vision des „Ausbaus palästinensischer Institutionen“ zu realisieren,
schickt Bush seinen Pudel. Gemäß Bush ist es tatsächlich Tony Blairs
einzige Aufgabe, die internationalen Bemühungen zu koordinieren, um
den Palästinensern bei der Errichtung der Institutionen für eine
dauerhafte freie Gesellschaft aufzubauen.“ (nach welchem Muster?
Nach jenem in Ägypten? Saudi Arabien? Jordanien? Pakistan? Marokko?
Oder gar im Irak?
Hoffen wir,
dass keiner so unhöflich ist und die Tatsache erwähnt, dass vor noch
nicht langer Zeit die Palästinenser demokratische Wahlen für ihr
Parlament gehalten haben und zwar unter der strengen Aufsicht des
Ex-Präsidenten Jimmy Carter. So weit es Bush betrifft, haben sie
nicht stattgefunden, da die Mehrheit des Volkes für Hamas stimmte.
Deshalb erwähnt Bush nur die Wahlen, die vorher abgehalten wurden,
bei denen Mahmoud Abbas praktisch ohne Opposition zum Präsidenten
gewählt wurde. Alles andere wird unter den Teppich gekehrt.
Dies ist
also die Up-to-date-Vision: nachdem die „demokratischen
palästinensischen Institutionen“ eingerichtet worden sind und frei
von Korruption (wie in den USA und in Israel), „ kompetente
Sicherheitskräfte“ funktionieren werden und nachdem Hamas
eliminiert worden ist und die bewaffneten Gruppierungen entwaffnet
und nachdem alle Angriffe auf Israel aufgehört haben,
nachdem die Sicherheit Israels abgesichert, nachdem die
Hetze gegen Israel aufgehört hat und nachdem jeder Israels
Recht, als „ ein jüdischer Staat und eine Heimstätte für das
jüdische Volk“ zu existieren und nachdem alle
unterzeichneten Abkommen der Vergangenheit anerkannt hat – dann
können „wir bald damit beginnen, ernsthafte Verhandlungen in
Richtung eines palästinensischen Staates“ zu führen. Wow!
Was für ein
wunderbarer Satz! „Bald“ – ohne einen festgesetzten Termin.
„Ernsthafte Verhandlungen“ – ohne ein Datum für ihren Abschluss.
„Einen palästinensischen Staat“
( wieder
ohne bestimmten Artikel, den Bush zu hassen scheint) - ohne genaue
Grenzen. Doch ein Wink wird gegeben: „ in gegenseitig anerkannten
Grenzen, die frühere Grenzlinien und die augenblicklichen Realitäten
berücksichtigen und mit gegenseitig anerkannten Veränderungen.“
D.h.: die Siedlungsblöcke und einiges mehr werden von Israel
annektiert.
ES SCHEINT,
als hätten die Ghostwriter nach der Fertigstellung ihres Produktes
bemerkt, dass es ihm in bedauernswerter Weise an echtem Inhalt
mangelt. Nichts Neues, nichts das bei seriösen Zeitungen eine
Schlagzeile verursacht.
Ich stelle
mir vor, dass der Berater sagte: „Herr Präsident, wir müssen etwas
hinzufügen, etwas Neues.“ So wurde das „internationale Treffen“
geboren.
„Ich werde
also ein internationales Treffen in diesem Herbst zusammenrufen mit
Vertretern aus Nationen, die eine Zwei-Staaten-Lösung unterstützen,
Gewalt verwerfen, Israels Recht zu existieren anerkennen und sich
allen früheren Abkommen zwischen den Parteien verpflichtet fühlen.
Die Hauptteilnehmer bei diesem Treffen werden die Israelis, die
Palästinenser und ihre Nachbarn in der Region sein. Die
Außenministerin Rice wird den Vorsitz bei dem Treffen übernehmen.
Wunderbar.
Eine Konferenz, die noch kein Datum hat, aber eine Jahreszeit. Und
für die noch kein Tagungsort bestimmt wurde. Und keine Liste der
Teilnehmer. Und keine geplanten Entscheidungen, außer dem
allgemeinen Statement: „Sie und ihre Kollegen werden den
Fortschritt überprüfen, der beim Aufbau der palästinensischen
Institute gemacht worden ist. Sie werden nach innovativen und
effektiven Wegen Ausschau halten, um die weitere Reform zu
unterstützen. Und sie werden den Parteien diplomatische
Unterstützung bei ihren bilateralen Gesprächen und Verhandlungen
geben, damit wir uns erfolgreich auf einem Weg zu einem
palästinensischen Staat voranbewegen.“ Das Treffen wird nicht den
Fortschritt z.B. beim Abbau der Außenposten überprüfen.
Es ist nicht
zufällig, dass Bush vergessen hat, die Regierungen zu nennen, die er
einzuladen beabsichtigt. Er wird natürlich versuchen, einen der lang
gehegtesten Träume Olmerts zu erfüllen: eine hochrangige Vertretung
von Saudi-Arabien öffentlich zu treffen. Für Olmert wäre dies ein
ungeheuerer Erfolg: ein offizielles Treffen mit dem bedeutendsten
arabischen Land, das kein Friedensabkommen mit Israel hat. Ein
Treffen, für das er nichts zu zahlen hat. Ein Mittagessen umsonst.
Es ist
zweifelhaft, ob dieser Wunsch in Erfüllung gehen wird. Die Saudis
sind sehr vorsichtig. Sie wollen keinen Streit mit irgend jemandem
in der Region – nicht mit Syrien (das nicht eingeladen werden wird,
obwohl es ein „Nachbar“ der Israelis und der Palästinenser ist) und
nicht mit Hamas. Saudi Arabien kann nicht wie Ägypten, Jordanien und
die palästinensische Behörde mit Geld bestochen werden. Es hat
genug eigenes.
DAS ENDZIEL
ist ein „Palästinensischer Staat“, die „Zwei-Staaten-Lösung“. Das
ist ein weit, weit entferntes Ziel. Es wird nicht umsonst als
„politischer Horizont“ bezeichnet, da ein Horizont, wie allgemein
bekannt ist, sich immer weiter entfernt, je man sich ihm zu nähern
versucht.
In seinem
Gedicht „Wenn“ beschreibt Rudyard Kipling alle Prüfungen, die ein
Engländer bestehen muss, bevor er als Mann angesehen wird. Einer
davon ist: „Wenn du es ertragen kannst, dass die Wahrheit, die du
selbst ausgesprochen hast, von Schurken verdreht wird, um daraus
eine Falle für Toren zu machen …“
Jetzt müssen
wir – eine kleine Gruppe von Israelis – die Flagge der
„Zwei-Staaten-Lösung“ die wir vor über fünfzig Jahren hissten,
ertragen, wie Bush sie in einen Fetzen verwandelt, um seine
Nacktheit zu bedecken. In seinem Munde ist es ein leerer,
betrügerischer, verlogener Slogan. Nur ein Tor wird in diese Falle
tapsen.
Wie Chaim
Weizmann, der berühmte zionistische Führer und erste Präsident
Israels einmal
sagte:
„Kein Staat wird einem Volk auf einem Silbertablett dargereicht.“
Auch die Palästinenser werden ihren Staat nicht ohne Kampf bekommen,
auch nicht als Trinkgeld von Bush oder als „Geste“ von Olmert.
Nationen erlangen ihre Freiheit durch Kampf, ob gewalttätig oder
gewaltlos. Jeder Kampf ist eine Angelegenheit der Macht.
Und Macht
bedeutet in erster Linie: Einheit.
(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)
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