Das
politische Programm der Kampagne für
Einen Demokratischen Staat im ganzen
historischen Palästina
One Democratic State Campaign -
15.08.2018
Anmerkung des Herausgebers: Am 6.
August haben wir einen Artikel von Yoav
Haifawi veröffentlicht, in der die
Arbeit und die politischen Perspektiven
der Kampagne für Einen Demokratischen
Staat erläutert werden, eine neue
Initiative, die die Wiederaufnahme der
Idee eines einzigen demokratischen
Staates im ganzen historischen Palästina
anstrebt. (Hier die erste englische
Übersetzung des politischen Programms
der Kampagne, [ins Deutsche
übertragen].) Das derzeitige Programm
wurde auf vielen Sitzungen diskutiert,
an denen dutzende Unterstützer aktiv
teilgenommen haben. Auch wenn die
derzeitige Version von verschiedenen
Foren der Kampagne gebilligt wurde,
betonen die Organisatoren, dass es nur
ein temporäres Programm ist. Sie haben
die Absicht, damit viel mehr Menschen zu
erreichen, im Palästina von 1948 und in
der Westbank, in Gaza, in den
palästinensischen Gemeinden im Exil und
in der weiten internationalen
Solidaritätsbewegung. Sie hoffen vor
Jahresende eine große Konferenz abhalten
(zu können), bei der das Programm auf
Grund der Beiträge von neuen Teilnehmern
verbessert werden kann; die Kampagne
würde (dann) in größerem Maßstab
gestartet.
Das
politische Programm der Kampagne für
Einen Demokratischen Staat im
historischen Palästina
Präambel:
In den letzten Jahren tauchte die Idee
eines einzigen demokratischen Staates im
ganzen historischen Palästina als beste
Lösung des Konflikts wieder auf. Es
begann zunehmend Unterstützung in der
Öffentlichkeit zu bekommen. Die
palästinensische Befreiungsbewegung
einschließlich der PLO hat diese Vision
vor der Katastrophe von 1948 (der Nakba)
und danach übernommen. Die PLO gab diese
Idee in den späten 1980er Jahren im
Rahmen der diplomatischen Verhandlungen
auf, die zum Oslo-Abkommen von 1993
geführt haben. Die palästinensische
Führung hoffte, dass dieses Abkommen die
Gründung eines unabhängigen
palästinensischen Staates in den von
Israel 1967 besetzten Gebieten
ermöglichen würde. Aber Israel
verstärkte seine koloniale Kontrolle vor
Ort, indem es die Westbank,
Ost-Jerusalem und Gaza in isolierte
Kantone fragmentierte, von einander
durch jüdische Siedlungen, Checkpoints,
Militärbasen und Zäune getrennt.
Die Zwei Staaten-Lösung, die im Grunde
eine unfaire Lösung ist, ist eindeutig
gestorben. Israel hat sie tief in seinem
kolonialen Siedlungsprogramm in den
(besetzten) Gebieten begraben, die der
unabhängige palästinensische Staat
hatten werden sollen. Israel hat ein
einziges repressives Regime
durchgesetzt, das sich auf alle
Palästinenser, die im historischen
Palästina leben, einschließlich derer
mit israelischer Staatsbürgerschaft
erstreckt.
Angesichts dieser gefährlichen
Entwicklung und – noch wichtiger – auf
der Basis der Werte von Gerechtigkeit,
Freiheit und Demokratie behaupten wir,
dass der einzige Weg Gerechtigkeit und
dauerhaften Frieden zu erlangen, der
Abbau des kolonialen Apartheidregimes im
historischen Palästina und die
Etablierung eines neuen politischen
Systems ist, das sich auf volle zivile
Gleichberechtigung und die volle
Verwirklichung des Rückkehrrechts der
palästinensischen Flüchtlinge, sowie den
Aufbau der notwendigen Mechanismen
gründet, um die, und die eine Folge des
zionistischen kolonialistischen Projekts
sind, zu korrigieren.
Auf diesem Hintergrund haben viele
Aktivisten und Gruppen, Palästinenser
und Israelis, kürzlich mit der
Wiederaufnahme der Idee eines einzigen
Staates begonnen und unterschiedliche
Modelle eines solchen Staates
vorgeschlagen, wie einen bi-nationalen
Staat, einen liberalen demokratischen
Staat oder einen sozialistischen Staat.
Dennoch sind sie alle in ihrem
Engagement für die Etablierung eines
einzigen demokratischen Staates im
ganzen historischen Palästina als eine
Alternative zu dem kolonialen
Apartheidsystem vereint, das Israel im
Land vom Mittelmeer bis zum Jordan
durchgesetzt hat. Ein ähnliches Regime
wurde durch den vereinten Kampf
schwarzer und weißer Südafrikaner unter
Führung des ANC 1994 gestürzt.
Das Ziel dieses politischen Programms,
so wie von der Kampagne für Einen
Demokratischen Staat (ODSC) formuliert,
ist es die Unterstützung für diese
Lösung unter den lokalen Bevölkerungen,
Palästinensern und Israelis
gleicherweise sowie der internationalen
Öffentlichkeit auszuweiten. Wir rufen
alle in der Welt auf, die für Freiheit
und Gerechtigkeit kämpfen, sich unserem
Kampf gegen das Apartheidregime
anzuschließen und unseren Kampf für die
Etablierung eines demokratischen Staates
ohne Besatzung und Kolonialismus, auf
der Grundlage von Gerechtigkeit und
Gleichberechtigung, zu unterstützen,
(eines Staates,) der eine bessere
Zukunft für die nächsten Generationen
und wirklichen Frieden im ganzen
historische Palästina gewährleistet.
Das politische Programm:
1) Eine einzige konstitutionelle
Demokratie. Ein einziger
demokratischer Staat soll zwischen dem
Mittelmeer und dem Jordan als ein Staat
gegründet werden, der allen seinen
Bürgern gehört, einschließlich der
palästinensischen Flüchtlinge. Alle
Bürger werden gleiche Rechte, Freiheit
und Sicherheit haben. Der Staat soll
eine konstitutionelle Demokratie sein,
die Autorität, die regiert und Gesetze
verabschiedet, wird vom Willen des
Volkes ausgehen. Alle seine Bürger
sollen die gleichen Rechte haben zu
wählen, für alle Ämter Kandidaten zu
benennen und an der Kontrolle der
Regierungsführung des Landes
teilzunehmen.
2. Recht auf Rückkehr, Rückgabe und
Reintegration in die Gesellschaft:
Der Eine Demokratische Staat wird das
Rückkehrrecht aller palästinensischen
Flüchtlinge und ihrer Nachkommen voll
umsetzen, derer, die 1948 und danach
vertrieben wurden, ob sie im Ausland im
Exil oder derzeit im historischen
Palästina leben einschließlich derer mit
israelischer Staatsbürgerschaft. Der
Staat wird ihnen bei der Rückkehr zu
ihrem Land und ihren Ortschaften, aus
denen sie vertrieben wurden, helfen. Er
wird ihnen helfen ihr persönliches Leben
aufzubauen und in die Gesellschaft,
Wirtschaft und das Staatswesen voll
integriert zu sein. Der Staat wird alles
tun, was in seiner Macht steht, um den
Flüchtlingen ihr privates und kommunales
Eigentum zurückzugeben und/oder sie zu
entschädigen.
3. Individuelle Rechte: Kein
Gesetz, keine Institution oder Praktiken
des Staates soll irgendeinen Bürger auf
der Basis von ethnischer Identität,
nationaler oder kultureller
Zugehörigkeit oder auf der Basis von
Hautfarbe, Geschlecht, Sprache,
Religion, politischer Meinung, Besitz
oder sexueller Orientierung
diskriminieren. Der Staat wird allen
seinen Bürgern das Recht auf
Freizügigkeit und das Recht überall im
Land zu wohnen, garantieren. Der Staat
wird allen seinen Bürgern gleiche Rechte
auf allen Ebenen und in allen
Institutionen garantieren, und wird
Gedankenfreiheit und Meinungsfreiheit
gewährleisten. Neben der religiösen
Trauung wird der Staat für (die
Möglichkeit) eine(r) zivile(n) Trauung
sorgen.
4. Kollektive Rechte: Im Rahmen
eines einzigen demokratischen Staates
wird die Verfassung auch kollektive
Rechte und die Versammlungsfreiheit
(Vereinigungsfreiheit) schützen,
unabhängig von Nationalität, ethnischer
Zugehörigkeit, Religion, Klasse oder
Geschlecht. Verfassungsmäßige Garantien
werden sicherstellen, dass alle
Sprachen, Künste und Kulturen blühen und
sich frei entwickeln können. Keine
Gruppe und kein Kollektiv wird
irgendwelche Privilegien haben, noch
wird irgendeine Gruppe oder ein
Kollektiv irgendeine Kontrolle über
andere haben oder sie beherrschen. Die
Verfassung wird dem Parlament die
Befugnis verweigern, Gesetze zu
erlassen, die irgendeine Community
diskriminieren, sei es (auf der Basis )
ethnischer, nationaler, religiöser,
kultureller oder Klassenzugehörigkeit.
5. Einwanderung: Normale
Prozeduren für den Erhalt der
Staatsangehörigkeit werden denen
gewährt, die bereit sind in das Land
einzuwandern.
6. Aufbau einer gemeinsamen zivilen
Gesellschaft: Der Staat soll eine
lebendige Zivilgesellschaft fördern,
eingeschlossen gemeinsame zivile
Institutionen, insbesondere Bildungs-,
kulturelle oder wirtschaftliche
Institutionen.
7. Ökonomie und ökonome Gerechtigkeit:
Unsere Vision sucht soziale und
wirtschaftliche Gerechtkeit zu
erreichen. Wirtschaftspolitik muss sich
mit den Jahrzehnten der Ausbeutung und
Diskriminierung befassen, die die Saat
für tiefe sozioökonomische Unterschiede
bei den im Land lebenden Menschen gelegt
haben. Die Einkommensverteilung in
Israel/Palästina ist ungleicher als in
jedem anderen Land der Welt. Ein Staat,
der Gerechtigkeit anstrebt, muss eine
kreative und langfristig umverteilende
Wirtschaftspolitik entwickeln, um
sicherzustellen, dass alle Bürgern
gleiche Chancen haben Bildung,
produktive Beschäftigung,
wirtschaftliche Sicherheit und einen
würdigen Lebensstandard zu erlangen.
8. Bekenntnis zu Menschenrechten,
Gerechtigkeit und Frieden: Der Staat
soll das internationale Recht beachten
und eine friedliche Lösung von
Konflikten über Verhandlung und
kollektive Sicherheit entsprechend der
Charta der Vereinten Nationen anstreben.
Der Staat wird alle internationalen
Verträge über Menschenrechte
unterzeichnen und ratifizieren, sein
Volk soll Rassismus zurückweisen und
soziale, kulturelle und politische
Rechte fördern, wie sie in den
diesbezüglichen Abkommen der Vereinten
Nationen aufgeführt werden.
9. Unsere Rolle in der Religion:
Die Kampagne für einen einzigen
demokratischen Staat wird sich mit allen
fortschrittlichen Kräften in der
arabischen Welt verbinden, die für
Demokratie, soziale Gerechtigkeit und
egalitäre Gesellschaften frei von
Tyrannei und Fremdherrschaft kämpfen.
Der Staat soll nach Demokratie und
Freiheit im Nahen Osten streben, so daß
die Rechte der Menschen und Bürger in
der Region gewährleistet sind; seine
vielen Communitys, Religionen,
Traditionen und Ideologien sollen
respektiert werden. Das sollte das Recht
der Menschen (Völker) beinhalten für
Gleichheit und Gedankenfreiheit zu
kämpfen. Das Erreichen von Gerechtigkeit
in Palästina wird nachweisbar zu diesen
Zielen und den Bestrebungen der Menschen
(Völker) in der Region beitragen.
10. Internationale Verantwortung:
Auf einer globalen Ebene sieht sich die
Kampagne für Einen Demokratischen Staat
selbst als Teil der demokratischen und
fortschrittlichen Kräfte, die eine
globale alternative Ordnung anstreben,
die pluralistisch und tragfähig,
gerechter, egalitär und humanistisch,
frei von Ausbeutung, Rassismus,
Intoleranz, Unterdrückung, Kriegen,
Kolonialismus und Imperialismus ist.
Diese neue Weltordnung wird auf der
Würde des Menschen und dem Respekt für
das Recht der Menschen auf Freiheit, auf
gerechter Verteilung der Ressourcen
basieren und wird für Gesundheit und
nachhaltige Umwelt sorgen.
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
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