Die Welt schweigt zu
Israels Abu-Ghraibs-Gefängnissen
Israel hält über
8000 Palästinenser in seinen Gefängnissen fest. Seit die
palästinensische Intifada vor 5 Jahren ausbrach, wurden 35 000
Palästinenser, einschließlich 3000 Kinder von den Israelis verhaftet -
nach MIFTAH, einer palästinensischen Friedens- und-
Menschenrechtsgruppe. Die Palästinenser haben wiederholt das
Internationale Rote Kreuz (IRCS) darum gebeten, die israelische
Regierung unter Druck zu setzen, um die Gefangenen in Israels
Gefängnissen zu schützen, da die meisten, wenn nicht gar alle, ohne
Verurteilung oft für lange Zeit festgehalten werden.
Jede Familie in
Palästina hatte ein Familienmitglied irgendwann im Gefängnis. Israel hat
eine lange Geschichte mit Verhaftungen ohne Gerichtsurteil, das sich auf
eine administrative statt auf eine juristische Order gründet, die sich
wiederum auf Geheiminformationen gründet – die sich oft als gefälscht
erweisen. Solche Order können auf die Initiative eines
Militärkommandeurs in Übereinstimmung mit der Militärorder 1229 von 1988
herausgegeben werden (stellt das San FranciscoBay Area Independent Media
Center auf seiner Website fest).
Israel gab seine
ersten Militärorder 1970 heraus, die administrative Verhaftungsorder
authorisierten; es ist ein Maßnahme, die für Palästinenser in den
besetzten Gebieten bestimmt war.
Die NGO ADDAMEER,
eine Menschenrechtsorganisation, die sich um palästinensische Gefangene
bemüht, sagt, dass §1 der letzten Militärorder folgendes feststellt:
„Wenn ein Militärkommandeur die Verhaftung einer Person aus
Sicherheitsgründen für notwendig erachtet, so kann dies für einen
Zeitraum von nicht länger als 6 Monaten geschehen; danach hat er das
Recht, die Haftzeit um weitere 6 Monate auszudehnen, entsprechend der
ursprünglichen Order. Die Verhaftungsorder kann ohne die Gegenwart des
Verhafteten durchgeführt werden.“
Amnesty
International beschreibt die Verwaltungshaft in Israel als ...“ ein
Verfahren, nach dem die Verhafteten ohne Anklage oder Gerichtverhandlung
festgehalten werden. Keine Anklagen werden dokumentiert, und es gibt
nicht die Absicht, den Verhafteten vor Gericht zu stellen. Durch die
Verhaftungsorder wird dem Verhafteten eine entsprechende Haftzeit
gegeben. Nach dieser Zeit oder kurz davor wird die Haftzeit verlängert.
Dieser Prozess kann unendlich fortgesetzt werden.
Israel hält ( Herbst
2005) etwa 8000 Gefangene in seinen Gefängnissen fest, einschließlich
312 Kindern und 128 Frauen (MIFTAH)
2002 berichteten
„Reporter ohne Grenzen“, mehr als 20 palästinensische Journalisten
wären verhaftet worden, seitdem Israel am 29.3.2003 die pal. Städte neu
zu besetzen begann. Die Organisation stellte auch fest, dass mindestens
13 Journalisten im Gefängnis waren, und im ganzen wurde von 954 Fällen
von Verwaltungshaft von Menschenrechts-Gruppen berichtet worden.
Und die Zahl der
Gefangenen wächst.
Ahmed ( nicht sein
richtiger Name) beschreibt seine Erfahrung mit der Administrativhaft:
„Ich weiß nicht,
warum ich in Haft war. Man sagte mir, weil ich sozial aktiv war. Das
war alles, was sie mir sagten“. Er wurde während der Nacht verhaftet,
die er als „panische Nacht“ beschreibt: die israelischen Soldaten
holten ihn (2002) um 2 Uhr nachts aus dem Haus. „Die Tür meines Hauses
wurde gesprengt, dann wurde laut im Haus und auf der Straße geschossen.
In dem Moment dachte ich: ich und meine Familie werden erschossen. Dann
benützten sie Lautsprecher und verlangten, dass alle aus dem Haus gehen,
sonst würde das Haus über uns gesprengt.“ „Sie fesselten meine Hände
hinter dem Rücken und verbanden meine Augen, packten mich in einen
Wagen auf den Boden. Die meiste Zeit stießen sie mich mit ihren Stiefeln
am ganzen Körper. Nach einiger Zeit hielt das Fahrzeug, sie brachen
mich, ich weiß nicht wohin. Später wurde mir klar, dass diese Fahrt
verglichen mit dem, was dann kam, Erholung war.“
„Nach mehreren
langen Stunden, die ich auf einem Stein sitzend verbrachte, half mir ein
Bursche und nahm mir die Plastikfesseln und die Augenbinde ab. Ich
erinnere mich, dass ich fast 24 Stunden ohne einen Tropfen Wasser und
etwas zu essen, verbrachte. Als ich darum bat, auf die Toilette gehen zu
dürfen, musste ich weitere zwei Stunden warten, um dann in eine mobile,
sehr schmutzige Toilette gehen zu können – ohne Wasser. Nachdem ich drei
Nächte auf den Steinen geschlafen habe, brachte man mich in einem
Spezialbus zum Ofer-Gefängnis in der Nähe von Ramallah.“
„Das Gefängnis war
in 11 Sektionen geteilt. In jeder waren 120 Gefangene, die auf sechs
Zelte verteilt waren. Die sanitären Anlagen: 6 Toiletten aus Zinkblech,
zwei Duschen und zwei Toiletten für Urin und zwei andere mit einer
Sinkgrube. Der Boden des Gefängnisses und der Zelte war aus Asphalt .
Die „Betten“ waren aus Holzbrettern mit einer dünnen Matratze ohne
Kissen und mit 2 Bettlaken. Diese schützen die Gefangenen überhaupt
nicht vor der Kälte im Winter Die Gefangenen behielten auch nachts ihre
Jacken an. Sie wären sonst vor Kälte erfroren. Jeder Gefangene hat ein
„Konto“, das vom Gefängnis verwaltet wird. Geld wird von der Familie des
Gefangenen eingezahlt.
Die
Sicherheitszählung beginnt um 6 Uhr früh: alle Gefangenen müssen vor
ihrem Zelt knien. Immer zehn in einer Reihe. Dann kommt ein von einem
Vertreter der Sektion begleiteter Soldat und zählt. Das findet dreimal
am Tag statt. Wenn man einen Gefängniswärter direkt ins Gesicht schaut,
wird man mit einem Tag Isolierung bestraft oder mit Geldstrafe, die vom
„Konto“ abgezogen wird. Wenn sich ein Gefangener wegen irgend eines
Übels oder einer Krankheit beklagt wie z.B. Bluthochdruck, Erkältung
oder andere Infektionen, dann gibt es nur eine Medizin: Paracetamol. Für
jede Art von Notfall kommt – wenn man Glück hat - nach einem Tag eine
Antwort aus der Gefängnisverwaltung.“
„Im Ofer-Gefängnis
hat mich niemand verhört. Man schickte mich nur in ein Zelt mit anderen
19, obwohl das Zelt nur für höchstens 6-8 Personen ist. Nach drei Wochen
dort, rief mich die Gefängnisverwaltung zu einem Militärgericht..“
Die Urteile der
Administrativhaft werden in einem „Gericht“ - einem Raum von 7x5 m –
gemacht. Da gibt es einen Militärrichter, einen Vertreter vom
Geheimdienst, den Anwalt und einen Übersetzer. Es ist ein vorgetäuschtes
Gericht, das dann sagt, dass es ein geheimes Beweisstück gibt, das
niemand kennt, auch der Richter nicht. Auf den Rat des Geheimdienstes
wird verurteilt. Dies geschieht, um einen Gefangenen mit 6 Monaten zu
strafen oder um seine Strafzeit um weitere drei bis sechs Monate zu
verlängern.
Die israelischen
Anwälte, die mit Verwaltungshaft zu tun haben, geben die harten
Lebensbedingungen (und Schlimmeres ) für die in Israels Gefängnissen
Verhafteten zu.
...
Die Gefangenen haben
nicht die Möglichkeit, mit ihrer Familie oder mit Freunden Kontakt
aufzunehmen ... während der oft stattfindenden Belagerungen der pal.
Städte und den besonderen Absperrungen und während aller jüdischen
Feiertage waren Besuche ausgesetzt. Die Besucher und die Besuchten
wurden peinlichen und demütigenden Durchsuchungen unterzogen. Während
des Besuches sind die Gefangenen durch einen doppelten Maschendrahtzaun
getrennt; jeder physische Kontakt ist verboten, auch nicht mit Babys.
Ein normales Gespräch ist unmöglich. Die Gefangnen dürfen auch nicht per
Telefon kommunizieren – nicht einmal mit ihrem Anwalt.“
Palästinenser in
Administrativhaft werden meistens im Ofer-Militärgefängnis in der
Westbank, in Ansar3 in der Negevwüste, Beitunia und Kfar Yuna
Militärgefängnislager gehalten.
Einer der in Ansar 3
gefangen Gehaltenen beschieb das Gefängnis als „ eine lebende Hölle ...
wo man zwischen Schlangen und Skorpionen lebt.“
1998 berichtete ai,
dass im Megiddo-Militärgefängnis-Zentrum Marwan Ma’all, der im August
verhaftet worden war, im September Selbstmord beging. Psychologen im
Haftzentrum hatten ihn als depressiv und suizidgefährdet diagnostiziert
und empfahlen seine Entlassung oder Krankenhauseinweisung. Eine
israelische Menschenrechtsorganisation hatte seine Isolierungszelle als
„unpassend für ein menschliches Wesen“ bezeichnet. Trotzdem wurde seine
Administrativhaft kurz vor seinem Selbstmord um fünf Monate verlängert
.“
„Nachdem ich 14 und
ein halbes Jahr im Gefängnis verbracht habe ... kann ich ihnen Tausende
von Geschichten über Folter und Misshandlung erzählen. Normalerweise
denken wir bei Folter an brutale physische Gewalt, die dem nackten
Körper zugefügt wird. Ich will Ihnen eine andere Geschichte erzählen,
etwas, das mir geschah,“ berichtete ein palästinensischer Ex-Gefangener
neulich in London bei einer Konferenz.
„Nachdem ich 2 oder
drei Tage daran gehindert wurde zu schlafen, wurde mir ein Blecheimer
auf den Kopf gestellt. Ich wurde gezwungen, still zu stehen. Dann drehte
der Vernehmungsbeamte eine Dusche über meinem Kopf an, das Wasser
tropfte langsam herunter. So wurde ich für mehrere Stunden allein
gelassen; nur ein Wächter beobachtete mich. Ich hatte das Gefühl, den
Verstand zu verlieren. Nach mehreren Stunden kam der Vernehmungsbeamte
zurück und machte sich über mich lustig : „Ob ich genug Spaß gehabt
hatte - und nun sei ich ja endlich einmal sauber“ ... unter solchen
Umständen wird der Stress unerträglich.
In den Räumen
daneben haben andere ähnliche Dinge erlebt. Viele brachen zusammen und
begannen zu halluzinieren.
Diese Taktiken
ähneln weitestgehend denen der US-Militär-Vernehmungsbeamten, die sie im
Abu Ghraib-Gefängnis in der Nähe Bagdads praktizieren, von wo die
groteskesten Bilder im April 2004 auftauchten: die Gefangenen waren
sexueller und physischer Misshandlung, Folter und anderen brutalen
Methoden ausgesetzt, um sie zum Reden zu bringen und den Beamten
Informationen zu geben, die sie benötigten.
Zahlreiche
Medienberichte und die meisten, die mit dem Misshandlungsskandal im
Abu-Ghraib-Gefängnis belastet wurden, behaupteten, dass der
US-Außenminister D. Rumsfeld die Genehmigung für solche Methoden
gegeben hat, die aus Guantanamo, dem US-Gefängniszentrum auf Cuba,
eingeführt wurden.
Wenn wir jetzt über
diese brutalen Verhörmethoden und harten Bedingungen hören, unter denen
die Palästinenser in Israels Gefängnissen leiden, kann man behaupten,
dass diese Methoden von hochrangigen israelischen Militärs oder von
Mitgliedern aus Sharons Regierung autorisiert und befohlen wurden.
Bei einigen
Berichten hat man den Verdacht – wenn es auch nicht bewiesen wurde –
dass israelische Agenten in die Misshandlungen in Abu Ghraib verwickelt
waren.
NewsMax’
UN-Korrespondent Stew Stogel sagte einmal, dass ihm über diplomatische
Quellen in Washington gesagt wurde, dass Israelis verdächtigt werden,
bei dem Irak-Folterskandal beteiligt gewesen zu sein.
„Israelis sind in
Abu Ghraib und anderen Gefängnissen im Irak gewesen,“ sagte ein
Informant und fügte hinzu, dass dort beteiligte Israelis als „zivile
Unternehmer“ bezeichnet wurden, die mit den Besatzungskräften bei den
Verhören irakischer POWs mitarbeiteten. Man glaubte, dass es Veteranen
der israelischen Geheimdiensteinheit Shin Bet, als auch vom Mossad und
Israels Geheimdienstagentur sind.
„Wer hat denn
bessere Erfahrungen mit Arabern als die Israelis?“ fragte eine Quelle.
„Verhörmethoden, die
die US-Vernehmungsbeamten im Irak angewendet hatten, sind schon seit
Jahren in Israel angewendet worden,“ sagte eine Quelle.
Aber über Israels
Abu Ghraibs-Gefängnis schweigt die Welt.
(dt. Ellen Rohlfs)
Al-Jazeera, 13.11.2005
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