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THEMEN ARCHIV FACEBOOK Sonntag, 25. Oktober 2020 - 16:53AKTUELLE TERMINE LINKS
Eine vorbildliche Demokratie!
Eine Nachlese zu den Wahlen in der „einzigen Demokratie“ des Nahen Ostens
Arn StrohmeyerGab es da mal eine Kritik am israelischen Staat und seiner Politik gegenüber den Palästinensern? Die Mainstream-Medien sind sich nach den Wahlen in Israel weitgehend einig: Auch wenn der Likud-Spitzenkandidat Benjamin Netanjahu wegen seiner skrupellosen Machtpolitik wenig Sympathien genießt und das Patt-Ergebnis unbefriedigend ist und eine unsichere Zukunft verheißt, gibt es viel Lob für die israelische Demokratie. Sie war der eindeutige Wahlsieger!
So schreibt etwa Richard Chaim Schneider in der ZEIT: „Insofern dürfte die Wahl trotz des vorläufigen Patts zwischen den beiden großen Parteien und trotz aller Ungewissheiten zum jetzigen Zeitpunkt zwei Dinge gezeigt haben: Das Ende der Ära Netanjahu ist nah. Und: Israel hat sich im letzten Moment von einer rassistischen, antiliberalen, autokratischen Politik verabschiedet. Das allein ist ein gutes Signal und zeigt, dass die israelische Demokratie lebendiger ist, als man dies zuletzt vermuten konnte.“
Abschied von einer rassistischen, antiliberalen, autokratischen Politik? Lebendige Demokratie? Da reibt der politische Beobachter sich verwundert die Augen. Denn es blieb ja eigentlich alles beim Alten nach dieser Wahl. Neue Perspektiven wurden nicht sichtbar. Einen Lichtblick gab es allerdings: das gute Ergebnis der vereinten arabischen Liste. Aber sie ist im zionistischen Staat zur politischen Ohnmacht verurteilt. Irgendwelche Möglichkeiten zur Mitbestimmung oder Mitgestaltung hat sie nicht. Im neuen Nationalstaatsgesetz heißt es ja ganz klar und eindeutig: Die Selbstbestimmung im Staat Israel haben nur die Juden. Dennoch kann das Wahlergebnis eine kuriose Folge haben. Kommt es zur großen Koalition zwischen dem Likud und der Blau-Weiß-Partei mit Hilfe von Avigdor Liebermans Partei „Unser israelisches Haus“ dann gäbe es in der Knesset einen arabischen Oppositionsführer, da die Liste drittstärkste Kraft wurde.
Was aber so täuschend echt nach wirklicher Demokratie aussieht, ist nur eine schöne Fassade von Demokratie: 4,5 Millionen Menschen im zionistischen Herrschaftsbereich – im Westjordanland und im Gazastreifen – waren (weil ohne bürgerliche und politische Rechte) von den Wahlen ausgeschlossen. Für sie sieht Demokratie so aus, dass die Scharfschützen von Polizei und Armee sofort gnadenlos schießen, wenn diese Menschen demonstrierend ihr in der UNO-Charta verbürgtes Recht auf Selbstbestimmung und menschliche Würde einfordern.
Wenn dann der amtierende Regierungschef Netanjahu Wahlkampf mit rassistischen Ausfällen gegen die palästinensische Minderheit im Staat (immerhin 20 Prozent der Bevölkerung) und als Clou weiteren völkerrechtswidrigen Landraub an diesem Volk ankündigt, dann darf man doch fragen, was das für eine Demokratie ist. Zumal der Gegenkandidat der Opposition, Ex-Armee-Chef Benny Gantz, keineswegs dagegenhält, sondern sogar noch eins draufsetzt, indem er verbreitet, dass er die Idee der Annexion des Jordan-Tales schon vor Jahren vertreten habe und Netanjahu sie schlicht bei ihm abgekupfert habe. Obendrein brüstete sich der Ex-General noch im Wahlkampf damit, wieviel „Terroristen“ die Armee unter seiner Führung in den Kriegen mit dem Gazastreifen umgebracht habe – Tausende Zivilisten eben, darunter zahllose Frauen, Kinder und ältere Menschen.
Aber man muss einmal ins Grundsätzliche gehen und anführen, warum Israel keine Demokratie im westlichen Sinne ist. Die Grundprinzipien eines liberalen Rechtsstaates sind schon in der Menschenrechtserklärung der UNO von 1948 enthalten: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, heißt es da. Diese Formulierung enthält drei fundamentale Rechtsprinzipien:
• das Prinzip der Liberalität. Dieses Prinzip begründet die Freiheit der Bürger/innen, zu tun, was immer sie wollen, solange sie nicht gegen die geschützten Interessen anderer verstoßen. Im deutschen Grundgesetz wird dies als „freie Entfaltung der Persönlichkeit“ formuliert.
• das Prinzip der Egalität. Dieses Prinzip besagt, dass alle Bürger/innen vor dem Gesetz gleich sind und nicht wegen ihrer Religion, Weltanschauung, Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden dürfen.
• das Prinzip der Individualität, das besagt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist (Grundgesetz Artikel 1), d. h. der Einzelne bestimmt über seine Würde selbst und nicht der Staat noch eine wie auch immer geartete Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft. Der Staat hat diese unantastbare Menschenwürde zu schützen.
Man vergleiche diese Prinzipien mit der Realität in den von Israel besetzten Gebieten. Oder auch mit der Situation der Palästinenser in Israel selbst mit ihren vielfältigen Formen der Diskriminierung. Lebendige Demokratie? Diese Zusammenhänge und die Tatsache, dass selbst Menschenrechtsbeobachter der UNO (John Dugard und Richard Falk) in ihren Berichten Israel längst für einen Apartheidstaat halten, finden in den Mainstream-Medien so gut wie keine Erwähnung oder sie laufen unter der denunziatorischen Abwertung „Antisemitismus“.
Besagter Richard Chaim Schneider hatte in früheren Tagen auch schon klarere Einsichten. In seinem 1998 erschienen Buch „Israel am Wendepunkt. Von der Demokratie zum Fundamentalismus?“ hatte er noch geschrieben: „Die Ungerechtigkeiten gegenüber der palästinensischen Minderheit im eigenen Land sind so zahlreich, dass man sie kaum aufzählen kann.“
Und: „Die jüdischen Israelis vergessen ihre Nachbarn einfach – als wäre sie aus ihrem Bewusstsein ausgeblendet. Sie ignorieren einfach unsere Städte und Dörfer. Sie planen Straßen, ohne sich im geringsten darüber Gedanken zu machen, dass es im Bereich der geplanten Trasse arabische Siedlungen gibt. Wir sind einfach ein Hindernis, das man überwinden muss. Und so führen solche neuen Straßen einfach über unser Ackerland, womit wieder einige arabische Bauern um ihre Arbeit und Besitz gebracht werden.“ Und: „Der arabische Bevölkerungsteil wird aus so gut wie allen Bereichen des öffentlichen Lebens ausgeklammert.“ Und: „Die wirtschaftliche Aktivität der Palästinenser innerhalb Israels ist von den Zionisten längst zerstört worden.“
Und zur israelischen Demokratie meint Richard Chaim Schneider in einem Ausblick auf die Zukunft am Schluss seines Buches: „Die Demokratie in Israel ist in Gefahr, und es scheint, als ob der Nahost-Konflikt die Tendenzen zu allen erdenklichen Spielarten des Fundamentalismus nur verstärkt. Israel kann nur eine offene Gesellschaft werden, wenn es Frieden gibt. Dieser Frieden aber bedroht viele Israelis in ihrer Identität. Es muss die Frage gestellt werden dürfen, ob der Krieg nicht zu einer Raison d’être geworden ist, mittels derer die israelischen Juden ihre Form des Judentums behaupten und den ‚jüdischen‘ Charakter Israels aufrechterhalten können?“
Hat sich daran seit 1998 (dem Erscheinungstermin von Schneiders Buch) irgendetwas geändert?
Netanjahu hinterlässt ein vergiftetes Erbe
Israels Premier hat sein Land ideologisiert und zerrissen. Seine Nachfolger werden es schwer haben. -
18. .92019 - Kommentar von Stefan Kornelius
Netanjahus Rivale Benny Gantz: Alles, nur nicht Bibi
Der frühere Armeechef Benny Gantz verkörpert für viele Israelis das Ideal eines unbestechlichen, besonnenen Politikers - das glatte Gegenteil des Premiers.
Alexandra Föderl-Schmid18. 9. 2019 -
Quelle Facebook - um die Bilder zu vergrößern auf das Bild oben klicken
Wie von uns in unserer Vorwahlanalyse „Der Hahnenkampf – Israel vor den Wahlen zur 22. Knesset“ vorausgesagt, wird es in der neuen Knesset eine Pattsituation gegen, sodass die Pro- & Kontra-Netanjahu-Lager sich jetzt gegenseitig zu destabilisieren trachten.Rosa Luxemburg Stiftung - Israel Office - Premier Netanjahu wird alles in seiner Macht Stehende für die Bildung einer Koalition tun, um aus der vorteilhaften Position eines amtierenden Premiers sich den nahenden Gerichtsverhandlungen zu stellen oder diese zu verhindern. Er wird die instabilen Teile des anderen Lagers durch inhaltliche Zugeständnisse oder mittels Posten ködern wollen. Das andere Lager wird im Gegenzug versuchen, den Likud gegen den bewunderten & gefürchteten, aber kaum geliebten Netanjahu aufzuwiegeln. Die Schlüsselfrage lautet, ob Benjamin Netanjahu noch auf dem Zenit seiner Macht ist oder ob das Ende seiner rechtspopulistischen Ära naht. Davon wird abhängen, ob es zu einem weiteren Abbau der Demokratie kommen wird sowie zu einer noch stärkeren Verzahnung von religiös-messianischen & ethnonationalistischen Diskursen zu einem toxischen Gemisch, das mit Demokratie kaum vereinbar ist.
Gleichzeitig gilt, dass Demokratie nicht funktionieren kann, wenn man auf Dauer einem anderen Volk systematisch die Selbstbestimmung verweigert & damit Millionen von Menschen Bürger- & Menschenrechte vorenthält. Der Ausgang der Wahlen verspricht friedenspolitisch keine positiven Veränderungen. Gut 80 Prozent der Stimmen sind Parteien zugekommen, die sich explizit oder implizit & mit unterschiedlicher Rhetorik gegen die Gründung eines lebensfähigen Palästinenserstaats & damit einer Zweistaatenlösung stellen. Wie so ein System, bei dem die Palästinenser*innen zugunsten israelischer Infrastruktur in dicht bevölkerte Enklaven verdrängt werden, aussieht, haben sich Mitglieder des Rosa Luxemburg Stiftung - Israel Office gestern erneut anschauen können. Bei einer Tour der mutigen israelischen Reservistenorganisation Breaking the Silence konnten wir vor Ort das durchdachte & geplante, auf Dauer angelegte System der Kontrolle &/oder Annexion beobachten: wachsende Siedlungen, die zu echten Städten werden; kleine Siedlungen, die so gut wie jede palästinensische Stadt in der Westbank umzingeln & in ihrer Entwicklung behindern – & die Folgen für die unmittelbaren palästinensischen Nachbar*innen (etwa – siehe Foto - eine palästinensische Familie, deren Haus komplett umzäunt wird, um sie von der in unmittelbarer Nähe entstandenen Siedlung 'aus Sicherheitsgründen zu trennen'; oder – siehe weiteres Foto - konfisziertes Land zugunsten von Weinbergen der Siedler*innen); ein modernes Straßensystem, das die Siedlungen mit dem Mutterland verbinden auf der einen Seite & umzäunte Zufahrtstraßen für Palästinenser*innen, um sie von den Siedler*innen zu trennen (siehe Foto). Ein durchdachtes System von Ein- & Ausschluss.
Optimistisch stimmt uns jedoch der relative Erfolg der linken Listen: Die neue entstandene Gemeinsame Liste hat mit über zehn Prozent der Stimmen zur alten Kraft wiedergefunden, die Listen um Meretz מרצ & Arbeitspartei haben die 3,25-Prozenthürde mit Bravour übersprungen. Ob diese Listen – jede für sich oder gemeinsam – dem rechtsnationalistischen Hegemonialdiskurs einen progressiven entgegenstellen können, bleibt indes eine offene Frage.
Rubicon außer Sichtweite
September 19, 2019
Reiner Bernstein
NYT' bietet Netanyahu eine Plattform, um palästinensische Parteien als'Terroristen' zu brandmarken
- ohne sie reagieren zu lassen.
Medienanalyse James North und Philip Weiss - 19. September 2019Gleich zu Beginn des großen Artikels der New York Times über die israelischen Wahlen gestern wurde Premierminister Benjamin Netanyahu Raum gegeben, um die Gruppe der palästinensischen politischen Parteien im Wahlkampf zu bekämpfen. sagte Netanyahu:
Es wird keine Regierung geben, es kann keine Regierung geben, die sich auf die antizionistischen arabischen Parteien verlässt, Parteien, die Israels bloße Existenz als jüdischer und demokratischer Staat leugnen. . . Parteien, die blutrünstige Terroristen verherrlichen und loben, die unsere Soldaten, unsere Bürger und unsere Kinder ermorden. Das kann einfach nicht sein.
Als Donald Trump rassistische Lügen erzählt, ruft ihn die New York Times dazu auf. Nicht hier. Erst im 34. Absatz zitierte das Blatt sogar den palästinensischen Führer Ayman Odeh - und es ließ Odeh nicht gegen die unehrliche Behauptung vorgehen, er "verherrliche blutrünstige Terroristen". Auch andere palästinensische politische Führer hatten keine Chance, den Verleumdungen Netanyahus zu widersprechen. Der durchschnittliche Leser der New York Times kann Netanyahus Beleidigungen als Wahrheit akzeptieren. Aber Tatsache ist, dass die palästinensischen Parteien gewaltfreie politische Organisationen sind, die mutig innerhalb des israelischen Systems arbeiten.
Ayman Odeh selbst sagt, dass Dr. Martin Luther King Jr. sein Held ist, und bei einem Besuch in den USA vor einigen Jahren legte er Wert darauf, die Ebenezer Baptist Church in Atlanta, die Heimatgemeinde von Dr. King, zu besuchen, wo er von der Kanzel aus zu einer stehenden Ovation angeregt wurde.
Das erklärte Odeh damals: Vielleicht ist Dr. King für dich in Amerika langweilig geworden, weil du so viel von ihm gehört hast. Aber für mich ist er der Mann, der mich am meisten inspiriert hat. Während des Wahlkampfes[2015] habe ich die ganze Zeit über ihn gesprochen. In meiner ersten Rede in der Knesset habe ich ihn zitiert.
Irgendwie, trotz Ayman Odehs anhaltender Prominenz in der israelischen Politik, ist es der New York Times immer noch nicht gelungen, ein Profil von ihm zu schreiben. (Though The New Yorker has.)
Der Artikel in der Times schmälerte auch die Leistung der palästinensisch-israelischen politischen Parteien, die 13 Sitze in der Knesset erhielten. Wie Odeh bemerkte, führte Netanyahu eine Kampagne der Aufstachelung durch, die teilweise darauf abzielte, die palästinensischen israelischen Wähler zu erschrecken, damit sie zu Hause bleiben. Aber die Palästinenser reagierten wütend, indem sie zur Wahl gingen und - wie Odeh am Morgen nach den Wahlen vor seinem Haus sagte - genügend Stimmen im komplizierten politischen System Israels gewannen, um Netanyahu die Chance zu nehmen, eine weitere rechte Regierungskoalition zu bilden.
Trotz dieser Leistung bezeichnete der Times-Bericht Avigdor Liebermans rechtsextreme Partei Yisrael Beteinu als den "klarsten Gewinner", der wichtiger ist als Ayman Odeh und die Gemeinsame Liste. The Times sagte, dass die Wahlergebnisse "einem kleinen Dritten die Macht gaben, über das Ergebnis zu entscheiden" - obwohl die Partei Liebermans tatsächlich auf Platz vier nach der Gemeinsamen Liste kam.
Die Tatsache, dass Lieberman dennoch jetzt mehr Macht besitzt als die Gemeinsame Liste, ist Ausdruck der traurigen Wahrheit, dass Palästinenser im Wesentlichen von der israelischen Regierung ausgeschlossen sind. Die Times erklärte nirgendwo, dass alle großen jüdischen politischen Parteien gesagt hätten, dass sie niemals eine Regierung bilden würden, die sich auf die Unterstützung der Gemeinsamen Liste oder einer anderen, meist arabisch-palästinensischen politischen Gruppierung stützt. Eine Folge davon ist, dass die palästinensischen Israelis, die 20-25 Prozent der israelischen Bevölkerung ausmachen, niemals als Regierungsminister fungieren werden, abgesehen von dem gelegentlichen Token.
Die Times könnte über diese schockierende Tatsache berichten, die eine Form der Wahl-Apartheid ist. Stattdessen half das Papier Benjamin Netanyahu, rassistische Lügen zu verbreiten. Übersetzt mit DeepL.com Quelle
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